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Wenn Holzimporte das Klima anheizen

Während in den Alpen die Wiesen verwalden, werden tonnenweise Holzprodukte aus dem Ausland herangekarrt. Das heizt den Transportverkehr sowie das Klima an – und schadet dem Schutzwald.

Artikel aus dem Magazin «echo», September 2018, Nr. 151.

In den Alpen dehnt sich der Wald alljährlich aus und verdrängt Alpenwiesen mit ihrer einmaligen Flora und Biodiversität. In der Schweiz wächst im Alpenraum deutlich mehr Holz nach als genutzt wird: Der Wald nimmt dort pro Jahr um fast die Fläche des Thunersees zu.

Holz gäbe es in der Schweiz also genug zu ernten. Holz ist eine der wichtigsten natürlichen Ressourcen unseres Landes – und Holz als Baustoff boomt. Umso paradoxer scheint die Tatsache, auf welche die kürzlich erschienene Studie «Importdynamik von Konsumgütern in der Schweiz» hinweist: Die Importe von forstwirtschaftlichen Produkten (ohne Brennholz) sind seit 1990 um 40 % gestiegen – die Importe von Fertigholzprodukten nahmen sogar um fast 350 % zu.

Verarbeitete Holzprodukte werden häufig in die Schweiz importiert

Das Massivholz aus Schweizer Wäldern gerät gegenüber verarbeiteten Holzprodukten aus dem Ausland ins Hintertreffen. Allein 2016 wurden über 2,1 Mio. m3 Halbfabrikate wie Spanplatten, Sperrholz und Furniere sowie mehr als 3,4 Mio. m3 Fertigholzfabrikate wie Möbel und Fertigbauteile vor allem auf der Strasse herangekarrt. Die Holzwaren kommen laut der Studie aus Deutschland, aber auch aus Österreich, Italien, Frankreich und Osteuropa – und sind trotz Transportkosten billiger als Schweizer Produkte.

Mehr Importe bedeutet auch mehr Verkehr: Das wirkt sich verheerend auf das sensible Ökosystem der Alpen aus. Die Alpen leiden besonders unter dem Klimawandel. Die Temperaturen steigen hier doppelt so schnell an wie im globalen Durchschnitt. Die Gletscher schmelzen, der Permafrost taut auf und die stark an ihren extremen Lebensraum angepassten Pflanzen und Tiere fliehen in die Höhe – soweit möglich. Die Bevölkerung in den Alpen ist vom Klimawandel auch durch das erhöhte Risiko von Murgängen und Steinschlägen betroffen.

Schweizer Betriebe setzten auf Qualitätslabel

Weshalb importieren wir so viel Holz? Die Studie zeigt: Der Bedarf an Holzfabrikaten nahm stark zu – insbesondere im Bausektor, wo heute viel mehr verleimte Holzbauteile wie Platten und Träger zum Einsatz kommen. Die Produktion von standardisierten Massenholzprodukten findet vor allem im Ausland statt, auch weil die Kosten dort niedriger sind. Die Schweizer Betriebe haben sich vielmehr auf Holzprodukte mit Qualitätslabel sowie Herstellungen spezialisiert, die ein besonderes Know-how erfordern.

Das Fazit der Studie: «Die aktuelle wirtschaftliche Strategie ist ökologisch und sozial nicht nachhaltig.» Sie führt zu einer starken Zunahme der Importe sowie zu einem Verlust von Arbeitsplätzen. Laut den Autoren sollten die Konsumenten wieder vermehrt auf Schweizer Holz setzen. Zudem sollte die Politik die Schweizer Holzbranche unterstützen, um das ungenutzte Waldpotenzial auszuschöpfen.

Hohe Kosten um Schutzwälder zu pflegen

Ein Drittel der Schweiz ist mit Wald bedeckt. Fast die Hälfte aller Schweizer Wälder sind Schutzwälder – und um diese zu erhalten, braucht es Pflege. An Steilhängen ist der Arbeits- und Kostenaufwand zum Holzen jedoch besonders gross: Angesichts des tiefen Holzpreises lohnt es sich hier nicht, Holz zu schlagen. Der tiefe Holzpreis macht auch der Waldwirtschaft zu schaffen: Viele Forstbetriebe schreiben rote Zahlen. Laut Bundesamt für Umwelt unterstützt der Bund die Kantone bei der Schutzwaldpflege mit rund 70 Mio. Franken pro Jahr.

Es scheine dringlich, eine zumindest kostendeckende Waldbewirtschaftung anzustreben, um die Schutzfunktion des Waldes auch in Zukunft sicherstellen zu können, heisst es in der Publikation «Forstwirtschaftliches Testbetriebsnetz der Schweiz», die 2018 herausgegeben wurde. Eine brisante Aussage: Denn die Bedeutung der Schutzfunktion des Waldes dürfte angesichts des Klimawandels und der zunehmenden Gefahr von Steinschlägen und Murgängen gerade in den Alpen weiter zunehmen. – Der Anstieg der Holzimporte trägt da alles andere als zur Verbesserung der Situation bei.

Viele Wälder sind Schutzwälder, wie hier in der Region Zermatt.
Fast die Hälfte aller Schweizer Wälder sind Schutzwälder. Ein solcher Wald verhindert Naturgefahren (z.B. Murgang, Lawine, Erosion etc.) oder bremsen sie ab. © 12019, via pixaby

«Graue Transporte» nehmen zu

Die Importe in die Schweiz haben seit den 90er-Jahren stark zugenommen, nämlich um fast 15 %. Damit stiegen auch die im Ausland zurückgelegten Transportkilometer. In unseren Waren verstecken sich immer mehr «graue Transporte» – weil die Transporte so billig sind. Der Treibhausgas-Fussabdruck der Schweiz zeigt: Zwei Drittel der CO2-Emissionen der Schweiz entfallen heute auf die Herstellung von Gütern im Ausland, die wir hierzulande konsumieren.

Die Politik steht in der Pflicht. Sie muss dafür sorgen, dass die Schutzwaldfunktion der Wälder erhalten bleibt und ein Leben in den Bergtälern auch in Zukunft möglich ist. Doch auch Konsumentinnen und Konsumenten können einen Beitrag leisten: Indem sie Schweizer Holz statt Spanplatten aus dem Ausland kaufen.

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