Es summt und zirpt immer weniger in unserer Landschaft. Um dieses schleichende Insektensterben aufzuhalten, trafen sich heute rund 300 Akteure aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Naturschutz in Aarau zum 2. Tag der Insekten Schweiz. Im Gespräch haben Referenten und Besucher der Tagung von ihren Gedanken, Inspirationen, Ideen und Erfahrungen erzählt.
Vielfalt und Biomasse der Insekten sind während der letzten Jahre drastisch gesunken. Eine neue Studie prognostiziert nun, dass in den nächsten Jahrzehnten weltweit 40 Prozent aller Insektenarten aussterben werden, wenn wir nichts dagegen unternehmen, so berichtet eine Medienmitteilung. Auch in der Schweiz sieht die Situation nicht besser aus: Über 40 Prozent der Insektenarten sind heute gefährdet und fünf Prozent bereits ausgestorben. Höchste Zeit also, vom Reden ins Handeln zu kommen!
Der 2. Tag der Insekten wurde von BirdLife Schweiz und Insect Respect zu diesem Zweck organisiert. Das abwechslungsreiche Programm bietet Vorträge, Workshops und Gelegenheiten zur Diskussion. Am Vormittag haben Expertinnen und Experten vom aktuellen Zustand der Insekten in der Schweiz erzählt, Projekte vorgestellt und mit konkreten Erfolgsgeschichten inspiriert. Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen von aktiver Mitarbeit: In 11 parallelen Workshops wurden Themen wie «Wie gestalten wir das Firmengelände insektenfreundlich?», «Alternativen zu Pestiziden in Landwirtschaft und Weinbau» oder «Nächster Halt: Vielfalt. Lebensnetze entlang der Eisenbahn» erörtert. Eine Podiumsdiskussion unter dem Motto «Wartest du noch oder handelst du schon?» mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Forschung und Naturschutz rundete die Tagung ab.
Zusätzlich zu den Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen boten die Pausengespräche wunderbare Gelegenheiten für den Austausch und Inspiration. Ich habe während den Pausen mit den Teilnehmern und Referenten geplaudert:
«Wir wissen genug um zu handeln – also gilt es jetzt wirklich aktiv zu werden.»
Werner Müller
Hans-Dietrich Reckhaus fördert mit Insect Respect das Bewusstsein für den Wert der Artenvielfalt, schafft gezielt insektenfreundliche Lebensräume und berät Handel, Hersteller und Konsumenten. «Insekten sind sehr wichtig und sie sind dramatisch bedroht. Deswegen brauchen wir in unserer Gesellschaft neue Lösungsansätze und neue Kooperationen – so wie beispielsweise den Tag der Insekten, eine Kooperation zwischen Insect Respect und BirdLife Schweiz. Hier kommen ganz viele unterschiedliche Akteure, NGOs, Wirtschaftsleute, Politiker und Wissenschaftler zusammen um eben an neuen Ideen zu arbeiten. So können wir einen neuen Umgang mit Insekten gestalten.»
Erwin Meier-Honegger berichtete als Referent während der Tagung vom Wandel in seiner Branche hin zu einer insektenfreundlicheren Gartengestaltung. «Wir müssen über neue Wertschöpfungsmodelle nachdenken, bei denen die Beteiligten die Möglichkeit haben mit Biodiversität Geld zu verdienen. Wir müssen nicht nur den Insekten eine Stimme geben, sondern auch den Menschen, die einen Job haben.»
«Seien Sie mutig, setzen Sie sich für das, woran Sie glauben ein. So können wir die Welt zum Besserem verändern.»
Der Bürgermeister von Mals im Südtirol zeigt auf seinem Weg zu einer pestizidfreien Gemeinde viel Mut und Vertrauen.
«Mehr Mut zur Zusammenarbeit!» dies ist auch für Katrin Hauser eine Kernbotschaft für eine erfolgreiche Veränderung zu einer nachhaltigen Gesellschaft.
«Am meisten können wir bewirken, wenn wir nicht als Einzelpersonen handeln, sondern zusammenarbeiten. Persönliche Kontakte sind deshalb sehr wichtig.»
Mit ihrem bewegenden Schauspiel «Aus Mücken Elefanten machen» haben sich die vier SchülerInnen am Nachmittag für die Insekten stark gemacht – und dafür auch zu starken Worten gegriffen. Sie sind sich einig darin, dass es solche Anlässe öfter geben soll. «Ich finde diesen Tag unglaublich cool und wichtig. Es macht mir Hoffnung zu sehen, wie viele kompetente Menschen hier anwesend sind. Wir haben das Potential, die Schweiz zu verändern und sogar die Welt zu verändern.» erzählte Amani Christen.
Wir haben das Potential, die Welt zu verändern.
Amani Christen
Elena Wey und Mauro Koch ergänzten: «Wir Jungen setzen uns sehr aktiv für die Umwelt ein – mit Klimastreiks und vielen Aktionen. Es ist grossartig zu sehen, dass ältere Menschen mit viel Erfahrung in den Wissenschaften, in der Wirtschaft an dieselbe Zukunft glauben und sich dafür einsetzen. Wir sind nicht alleine.» Auch Lukas Rupp stimmte dem zu: «Es findet gerade weltweit ein Wandel im Bewusstsein statt. Das wichtigste dabei finde ich, man sich nicht von Rückschlägen oder desinteressierten Menschen herunterziehen lässt. Deshalb ist so ein Tag wie heute eine wunderbare Inspiration. Es bekräftigt mich bei meinem Engangement für die Natur und hilft mir, mich auf die positiven Veränderungen zu konzentrieren.»
Auch Katharina Shepherd und ihr Mann sorgen sich um das rapide Insektensterben. Katherina Shepherd erzählt: «Wir sind schockiert darüber, wie lange wir das Insektensterben nicht bemerkt haben. Die graduelle Veränderung ist für viele schwierig fassbar. Und viele Menschen haben Angst davor, sich solche gewaltigen Veränderungen einzugestehen. Diese Ängste müssen wir thematisieren.» Sie bietet Kurse in japanischer Tuschmalerei und Kallegraphie an, bei denen meist Pflanzen und auch Insekten im Zentrum stehen – zum Beispiel zum Thema «Bedrohte Arten». So finden die Teilnehmer einen ganz anderen Zugang zur Insekten Thematik – die Faszination geschieht über die Kunst. Und es befassen sich auch Menschen damit, die sich sonst wahrscheinlich nicht dafür interessieren würden.
«Ich bin beeindruckt von gewissen Referenten, beispielsweise von Herrn Reckhaus. Er kommt aus einer Insektenvernichtungsindustrie und hat sich sein Unternehmen zu einer Unterstützung für Insekten gewandelt. Ich hoffe, dass in der Landwirtschaft dasselbe passiert.»
«Mich hat der Vortrag von Ulrich Veith, dem Bürgermeister der ersten pestizidfreien Gemeinde Europas, sehr inspiriert – Stichworte Mut und Vertrauen. Wir müssen unserer emotionalen Intelligenz vertrauen um positive Veränderungen zu bewirken. Denn zu 80 bis 90 Prozent entscheidet unser Unterbewusstsein über unsere Entscheidungen.»
«Honigbienen sind der Gesellschaft sehr bekannt, gleichzeitig gibt es in der Schweiz 600 Wildbienenarten, die selten Thema sind. Aber für die Bestäubung sind diese mindestens so wichtig. Wir sind viel mehr auf Insekten angewiesen als uns bewusst ist. Deshalb ist dieser 2. Tag der Insekten eine wichtige Veranstaltung, und extrem inspirierend. Es ist super um Leute aus verschiedenen Bereichen kennenzulernen und zu vernetzen.»