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Nationalpark-Wölfe werden geschossen

Die vom Kanton Graubünden beantragte Tötung des ganzen Nationalpark-Wolfsrudels im Unterengadin ist vom BAFU genehmigt worden. Dies obwohl nicht nachgewiesen ist, ob diese Wölfe an den Rissen zweier Rinder überhaupt beteiligt waren. Der Entscheid ist unverständlich und unverhältnismässig: Das Augenmass ist endgültig verloren gegangen!

Nach rund 100 Jahren kehrten 2023 die Wölfe zurück in den Schweizerischen Nationalpark. «Endlich», würden einige sagen, denn der Nationalpark hat stark zu kämpfen mit Wildverbiss an Jungbäumen, was die natürliche Verjüngung des Waldes massiv stört. Die Rückkehr eines Beutegreifers wie dem Wolf hilft, die Wildpopulation zu regulieren und den Wald zu verjüngen. Doch wie es aussieht, nicht mehr für lange: Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat das Abschussgesuch des Kanton Graubündens für das Fuorn-Rudel bewilligt, obwohl dieses sein Revier hauptsächlich im Schweizerischen Nationalpark hat. Das Rudel darf nun per sofort, ausserhalb des Nationalparks, abgeschossen werden (oder «entnommen werden», wie es beschönigend im Abschussgesuch geschrieben steht).

Risse von Fuorn-Rudel nicht nachgewiesen

Dem Abschussgesuch gehen zwei Rinderrisse ausserhalb des Nationalparks voraus. Nach Ansicht der Bündner Wildhut hat das Fuorn-Rudel diese gerissen. Daraufhin hat der Kanton beim Bund die Auslöschung dieses Rudels beantragt. Denn in der revidierten eidgenössischen Jagdverordnung dürfen nun nach einem Riss von Rinderartigen ganze Rudel eliminiert werden. Ob das Fuorn-Rudel überhaupt an den Rissen beteiligt war, ist jedoch nach wie vor fragwürdig. Einer der Risse konnte mittels Gen-Proben eindeutig der Jungwölfin F223 zugeordnet werden. Sie ist nach aktuellem Wissensstand seit Monaten schon nicht mehr Teil des Rudels. Die Resultate der zweiten Gen-Probe wurden vom BAFU für den Entscheid gar nicht erst abgewartet, sie werden für nächste Woche erwartet.

Auch die «Forschungskommission des Schweizerischen Nationalparks» bezeichnet die Abschüsse als «nicht vertretbar». Der Park ist gesetzlich geschützt als «ein Reservat, in dem die Natur vor allen menschlichen Eingriffen geschützt und namentlich die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ihrer natürlichen Entwicklung überlassen wird». Die Forschungskommission betont, dass das Wolfsrudel zu einem wichtigen Teil des Ökosystems geworden ist. Das BAFU solle den Schutz gemäss Nationalparkgesetz in der Interessensabwägung mit dem gesetzlichen Auftrag des Jagdgesetzes, den Wildschaden «auf ein tragbares Mass zu begrenzen», entsprechend gewichten. Dieser Rat wurde offensichtlich ignoriert.

Eliminierung würde Forschung stark beeinträchtigen

Der Schweizerische Nationalpark schreibt in einer Stellungnahme, dass durch den Abschuss des Fuorn-Rudels wichtige Forschung schwer beeinträchtigt wird. Spezifisch erwähnt wird die Rolle des Wolfes bei der Reduktion von Verbissschäden in den Wäldern rund um den Schweizerischen Nationalpark. Bisher hat sich das Rudel ausschliesslich von Wild ernährt, zahlreiche Risse von Rothirschen und Gämsen konnten festgestellt werden. Dies zeige, dass die Wirkung des Wolfsrudels durchaus in die vom Kanton gewünschte Richtung gehe, nämlich die Hirschpopulation und die Verbissschäden in den Wäldern zu reduzieren.

Laut Sara Wehrli von Pro Natura wurde «Expertenwissen […] übergangen, etwa die kritische Einschätzung der Wissenschaftskommission des Nationalparks, dass die Risse nicht vom Kernrudel verursacht wurden und Abschüsse zur nachhaltigen Reduktion von Schäden wohl nichts bringen». Die Entscheidung, das gesamte Rudel des Nationalparks abzuschiessen ist unverhältnismässig, unverständlich und nimmt keine Rücksicht auf ökologische Zusammenhänge.

Quellen und weitere Informationen:
Stellungnahme zur Entnahme des Wolfsrudels Fuorn beim Schweizerischen Nationalpark der Forschungskommission des Schweizerischen Nationalparks
Stellungnahme des Schweizerischen Nationalparks zur Abschussverfügung für das Fuorn-Wolfsrudel

8 Kommentare

  1. Es hat leider System, wie unsere Regierung wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und entsprechende Berichze schubladisiert.
    Man nimmt sich unterdessen in Bern gar Manches heraus – die Entwicklung zur «Bananenrepublik» schreitet voran.
    Und noch dies: Symptombekämpfung war noch nie wirklich problemlösend …

  2. Und kann man jetzt einfach nichts dagegen machen? Diese offensichtlich beabsichtigte Wiederausrottung des Wolfes in der Schweiz mit Hilfe des BAFU ist absolut unverständlich und schlichtweg ätzend.

  3. Wir brauchen mehr Wildnis, mehr Wölfe und viel weniger Alpwirtschaft!
    Die immer intensiver und motorisierter betriebene Alpwirtschaft und die wegen der höheren Tierhalterprämien überhöhten Nutztierbestände tragen zur Erosion der Alpweiden und zur Überdüngung auch dieser Böden bei. Dabei braucht die Schweiz nicht so viel Fleisch und nicht so viel Käse, dafür mehr Wald, um die Wasserverluste der schwindenden Gletscher auszugleichen. Und die Wölfe können übrigens die überhöhten Wildbestände besser regulieren als die Jäger und so die Waldqualität und die Biodiversität erhöhen.

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