StartNewsGesellschaftIn Schweizer Fleisch steckt längst nicht nur Schweiz

In Schweizer Fleisch steckt längst nicht nur Schweiz

Ein neuer Bericht von Greenpeace Schweiz zeigt: Über die Hälfte des Kraftfutters, das in der Schweiz an Nutztiere verfüttert wird, stammt aus dem Ausland. Die Schweizer Landwirtschaft ist somit stark abhängig von Futtermittelimporten. Das hat schwerwiegende Folgen für die Umwelt und das Klima – in der Schweiz und im Ausland. Kommt hinzu, dass dieses schädliche System mit öffentlichen Geldern unterstützt wird: Der Bund fördert den Absatz von landwirtschaftlichen Produkten. Greenpeace Schweiz fordert, dass die von Futtermittelimporten abhängige landwirtschaftliche Produktion nicht mehr subventioniert wird. 

Rund 39 Millionen Franken öffentliche Gelder fliessen jährlich in die Absatzförderung für Schweizer Fleisch-, Eier- und Milchprodukte. Das ist mehr als die Hälfte davon, was der Bund pro Jahr für die Förderung der Qualität und des Absatzes von landwirtschaftlichen Produkten ausgibt, so berichtet Greenpeace Schweiz in einer Medienmitteilung. Dieses Geld wird von den Dachverbänden der verschiedenen Branchen genutzt, um Marketingkampagnen wie die «Schweizer Fleisch»-Kampagne von Proviande zu finanzieren. Begründet wird dies mit dem Thema Nachhaltigkeit: Der Konsum von lokalem Fleisch und lokalen Milchprodukten sei besser für Umwelt und Klima. Das stimmt aber nur, wenn die Nutztiere mit lokal erzeugtem Futter gefüttert werden. Die Recherche von Greenpeace Schweiz – «Der Futtermittel-Schwindel» – zeigt jeodch, dass die Schweizer Landwirtschaft stark von Futtermittelimporten abhängig ist.

Seit den 1990er-Jahren steigt die Menge der importierten Futtermittel stetig an und liegt heute bei 1,4 Millionen Tonnen. Davon sind rund 80 Prozent Kraftfutter mit hohem Energie- und Proteingehalt. Apropos Kraftfutter: Die Statistik zeigt, dass mehr als die Hälfte des Kraftfutters, das in der Schweiz für die Nutztierhaltung verwendet wird, aus dem Ausland stammt. Soja ist die Hauptquelle für Eiweiss. Ungefähr die Hälfte der Ackerfläche, die für die Futtermittelproduktion benötigt wird, liegt im Ausland: Dies entspricht etwa einer Fläche von 200’000 Hektar. 

Diese Kulturen verursachen in den Anbauländern erhebliche Treibhausgasemissionen. Und sie ermöglichen es, mehr Tiere in der Schweiz zu halten, wodurch die Umweltbelastungen auch hier höher ausfallen. «Die Futtermittelproduktion steht in Konkurrenz mit der Produktion von Nahrungsmitteln für den Menschen. Sie belastet zudem die Böden immer mehr und bedroht damit die Wälder, die Biodiversität und das Klima. Ohne Futtermittelimporte würde in der Schweiz die Fleischproduktion um 50 Prozent zurückgehen», erklärt Alexandra Gavilano, Expertin für Klima und Landwirtschaft bei Greenpeace Schweiz. 

Tiere mit Soja füttern? Eine ökologische Katastrophe!

Das Beispiel Soja illustriert das Problem gut. Rund 70 Prozent des Proteins im Kraftfutter, das von Schweizer Viehzüchtern verwendet wird, wird importiert. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Soja. Obwohl die USA mengenmässig immer noch das wichtigste Produktionsland sind, boomt die Sojaproduktion vor allem in Brasilien und in Argentinien. Der überwiegende Teil der globalen Sojaproduktion wird an Tiere verfüttert. Laut dem International Institute for Sustainable Development IISD sind 85 Prozent der globalen Sojaanbaufläche für den Anbau von Tierfutter reserviert.

Brasilien baut Soja für den Weltmarkt an, rund 90 Prozent der Produktion werden exportiert. Die Anbaufläche hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdreifacht und macht Brasilien damit zum zweitgrössten Produzenten und grössten Exporteur der Welt. Diese Entwicklung geht auf Kosten von Ökosystemen, die für die Biodiversität, die Menschen und das Klima essentiell sind. Dabei bauen nur fünf Prozent der brasilianischen Landwirtschaftsbetriebe Soja an, die meisten davon sind aber industrielle Grossunternehmen. «Mehr als 50 Prozent des in die Schweiz importierten Sojas zur Tierfütterung stammen aus dem Amazonas- und dem Cerrado-Biom, den Lungen des Planeten und dem Wasserturm Brasiliens», so Alexandra Gavilano. 

In der Schweiz haben sich die Sojaimporte seit 1995 verfünf- bis versechsfacht. 2019 wurden 265’000 Tonnen Sojaextraktionsschrot und 9’000 Tonnen ganze oder geschrotete Bohnen importiert. Während der überwiegende Teil des Soja weltweit in der Pouletmast verfüttert wird, werden in der Schweiz gemäss eigenen Berechnungen von Greenpeace Schweiz 40 Prozent des Sojaeiweissfutters an Rindvieh, 30 Prozent an Geflügel, 28 Prozent an Schweine und 2 Prozent an andere Tiere verfüttert. Grund dafür sind die Hochleistungstiere in der Milchproduktion und in der Rindermast, die sich nicht von Raufutter ernähren können. 

Die Dachverbände der entsprechenden Branchen, insbesondere Proviande, behaupten unter anderem, dass 85 Prozent des in der Schweiz verwendeten Tierfutters aus einheimischer Produktion stammen. Die 85 Prozent beziehen sich aber auf das gesamte Trockengewicht des Tierfutters. Die Zahl berücksichtigt nicht die Bedeutung des Kraftfutters, auf das viele Tiere in ihrem Futter nicht verzichten können. Der grössere Teil dieses Futters wird importiert. Auch die Bezeichnung von Sojaimporten als «Nebenerzeugnisse der Ölherstellung (Ölkuchen)» ist verwirrend. Solche Aussagen verzerren die Tatsachen massiv. Sie dienen dazu, die Abhängigkeit der Schweizer Landwirtschaft von Futtermittelimporten zu verschleiern, und sie lassen unberücksichtigt, dass die Tiermast in der Schweiz auf Kosten der menschlichen Nahrungsmittelproduktion und der Artenvielfalt in Drittländern geht.

«Es ist selbstverständlich, dass öffentliche Gelder zur Unterstützung der Schweizer Landwirt*innen eingesetzt werden. Aber es ist inakzeptabel, dass diese Subventionen die Umweltzerstörung in anderen Ländern fördern», argumentiert Alexandra Gavilano. Greenpeace Schweiz fordert, dass der Bund seine Subventionen in eine ökologische und tierfreundliche Landwirtschaft fliessen lässt und sein Absatzförderungssystem gründlich überarbeitet. Dabei müssen die Bauern und Bäuerinnen, die bis anhin vom Staat in eine falsche Richtung gelenkt wurden, unterstützt werden, um ihre Produktionssysteme nachhaltig und an den Standort Schweiz angepasst zu gestalten. 

Der neue Report von Greenpeace Schweiz: «Der Futtermittel-Schwindel»

1 Kommentar

  1. Gratulation an Greenpeace, dieses wichtige Thema stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu drücken. Allerdings: Gelöst wird dieses Problem erst, wenn Herr und Frau Schweizer ihren Fleischkonsum um mehr als die Hälfte senken. D. h. auf weniger als 500 g pro Woche und Person – besser weniger. Alles andere ist Augenwischerei. Die Reduktion des Konsums von tierischen Produkten ist die dringendste, einfachste und wichtigste persönliche Massnahme, die jedermann/frau sich vornehmen sollte. Man muss dazu nicht gerade Veganer werden (obwohl das natürlich hervorragend ist) – aber reduzierten um Himmelswillen wäre doch wirklich nicht so eine Sache.

    Im Umweltschutz kämpfen wir um jeden Quadratmeter bei Naturförderflächen und bei Gewässerrevitalisierungen. Grund: Die Produktion von Fleisch- und Milchprodukten belegt rund 80 % der Schweizer Agrarfläche.
    Im Wald, auf Biodiversitätsförderflächen wie Blumenwiesen und in Naturschutzgebieten wie Trockenwiesen und Moore kämpfen wir mit den stark erhöhten Stickstoffeinträgen, die über die Luft überall eingetragen werden. Grund: Die massiven Nährstoffüberschüsse durch Futtermittel- und Düngerimporte, welche vor allem in der Produktion von Milch- und Fleischprodukten verwendet werden verursachen eine landesweite Überdüngung (und im Ausland weiteren Schaden – Stichwort Regenwaldabholzung zur Sojaproduktion).

    Fazit: Sollen in Zukunft grössere Gewässerrevitalisierungen möglich werden, sollen vom Aussterben bedrohte Arten nährstoffarmer Standorte in der Schweiz langfristig überleben, sollen Moore und Wälder regeneriert werden als CO2-Speicher, dann wird dies nur möglich sein wenn DU und ICH uns an der Nase nehmen und den Konsum von tierischen Produkten reduzieren! Und dann: Tu gutes und sprich darüber – in deinem persönlichen Umfeld.

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