StartNewsGesellschaftCO₂-Besteuerung effektiver und gerechter als Zertifikatehandel

CO₂-Besteuerung effektiver und gerechter als Zertifikatehandel

Eine neue Studie der Universitäten Bayreuth und Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt: Eine Verteuerung von CO₂-Emissionen stärkt die Bereitschaft von Verbraucher:innen zur freiwilligen Senkung der CO₂-Emissionen, der Handel mit CO₂-Zertifikaten hat hingegen eine entmutigende Wirkung. Er führt zu höheren Emissionen und verlagert den Klimaschutz auf Verbraucher:innen mit geringeren Einkommen.

«In vielen Ländern reicht die staatliche Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen, die zu deren Verteuerung führt, unter den gegebenen politischen Verhältnissen nicht aus, um notwendige Klimaschutz-Ziele zu erreichen. Freiwillige Initiativen von Verbraucher:innen, Unternehmen und Kommunen müssen hinzukommen. Der Weltklimarat IPCC schätzt, dass auf diese Weise bis zum Jahr 2050 zwischen 40 und 70 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen vermieden werden können. Vor diesem Hintergrund haben wir in unserer Studie die beiden wichtigsten staatlichen Instrumente der Bepreisung von CO₂-Emissionen – den Handel mit Emissions-Zertifikaten und eine Ökosteuer – miteinander verglichen. Zentral war für uns die Frage, welche Auswirkungen beide Instrumente auf freiwillige Beiträge zum Klimaschutz und somit auf die Gesamtbilanz der CO₂-Emissionen haben», sagt Prof. Dr. Fabian Herweg, Mitautor der Studie.

Die Studie widerlegt die weitverbreitete Annahme, dass der Zertifikatehandel ein effektives marktwirtschaftliches Instrument zum Klimaschutz sei. Entscheidend für die Argumentation der beiden Autoren ist eine in der ökonomischen Forschung bislang vernachlässigte Voraussetzung: Die Regierungen in den westlichen Industrieländern können den Preis für die direkte oder indirekte Verursachung von CO₂-Emissionen nicht so hoch treiben, wie dies zur Einhaltung der im Pariser Klimaschutz-Abkommen definierten Ziele erforderlich wäre. Denn ein solches Vorhaben würde in Politik und Gesellschaft auf erhebliche Widerstände stossen – unabhängig davon, welche staatlichen Massnahmen zwecks der Verteuerung eingesetzt würden.

Zertifikatehandel schwächt die moralische Motivation der Verbraucher:innen

Der Studie liegt die Annahme zugrunde, dass es eine grosse Zahl von individuellen Verbraucher:innen sowie von Unternehmen und Kommunen gibt, die aus moralischen Gründen bereit sind, ihren klimatischen Fussabdruck zu senken – allerdings nur, wenn sie davon ausgehen können, dass ihr Verhalten die Gesamtmenge der CO₂-Emissionen beeinflusst. Damit ist die weitere Annahme verbunden, dass der Staat die Treibhausgas-Emissionen grundsätzlich reguliert. Unter diesen Annahmen kommen die Autoren zu dem Ergebnis: Eine Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen in Form einer Ökosteuer ergänzt die freiwilligen, moralisch motivierten Anstrengungen zur Emissionsreduzierung. Sie ist ein starker Anreiz für die Verbraucher:innen, den eigenen Verbrauch einzuschränken. Eine Deckelung der Emissionen in Verbindung mit einem Zertifikatehandel (cap-and-trade) schwächt hingegen die moralische Motivation von Verbraucher:innen.

Die Autoren begründen die nachteiligen Auswirkungen des Zertifikatehandels mit dem sogenannten «Wasserbetteffekt»: Wenn moralisch motivierte Menschen ihre Emissionen freiwillig reduzieren, indem sie etwa in private Solarstromanlagen investieren oder kurze Strecken mit der Bahn statt mit dem Flugzeug zurücklegen, können sie dadurch die staatlicherseits festgelegte Gesamtmenge der Emissionen nicht verringern. Freiwillige Massnahmen zur Reduktion der Emissionen bewirken lediglich, dass der Preis für Emissionsrechte sinkt – was andere Marktteilnehmer wiederum zum Kauf dieser Rechte motiviert und ihnen zusätzliche CO₂-Emissionen ermöglicht. Die grundsätzlich zum Verzicht bereiten Verbraucher:innen sind sich des Zusammenhangs zwischen der Obergrenze der Emissionsrechte und deren Preis bewusst und werden trotz moralischer Bedenken ihren Verbrauch nicht einschränken. Umgekehrt verhält es sich, wenn die Emissionen besteuert werden. In diesem Fall wissen die Verbraucher:innen, dass sie die Gesamtmenge der Emissionen individuell beeinflussen können, und ihre moralische Motivation setzt sich durch – zum Vorteil für den Klimaschutz.

Ökosteuer bewirkt gerechtere Lastenverteilung

Die Kosten für CO₂-Emissionen über eine Besteuerung statt über einen Zertifikatehandel zu regulieren, ist nicht nur in ökologischer Hinsicht effektiver, sondern verdient auch im Hinblick auf eine gerechte Lastenverteilung den Vorzug. Dies zeigen Berechnungen, die zwischen einer reichen und einer armen Gruppe von Verbraucher:innen unterscheidet. «Werden die CO₂-Emissionen durch einen Zertifikatehandel reguliert, dann schränken nur finanzschwache Haushalte ihren klimaschädlichen Konsum ein. Finanzstarke Haushalte verringern ihren Konsum nicht, sondern kaufen Zertifikate, um ihren hohen Konsum zu ‹kompensieren› und so den individuellen klimatischen Fussabdruck zu reduzieren. Die Regierung sieht diese erhöhte Nachfrage nach Zertifikaten voraus und gibt, um deren Preis niedrig zu halten, mehr Zertifikate aus. Dagegen setzt eine Ökosteuer für beide Verbrauchergruppen ähnlich starke Anreize, zur Senkung von Emissionen beizutragen. Diese Zusammenhänge sollten seitens der Politik künftig stärker beachtet werden», sagt Herweg.

Einflüsse der Verbraucher:innen auf Wirtschaft und Politik

Die Studie berücksichtigt auch die Tatsache, dass Verbraucher:innen die Entscheidungen von Unternehmen und Regierungen zunehmend beeinflussen. So wollen heute zahlreiche Unternehmen klimaneutral werden – zum Beispiel weil sie ihre Attraktivität für klimabewusste Verbraucher:innen und Mitarbeiter:innen steigern wollen oder weil sie im Besitz klimabewusster Investor:innen sind. Politisch Verantwortliche reagieren auf Forderungen aus ihrer Wählerschaft und fördern Investitionen in «grüne» Technologien zur Energiegewinnung. Die Autoren zeigen, dass nur die Bepreisung von Emissionen durch eine Ökosteuer, nicht aber eine Regulierung der Emissionen durch Zertifikatehandel, den Klimaschutz signifikant voranbringen.

Die Originalpublikation finden Sie hier. Sie erschien im The Economic Journal.

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