Die praktische Landwirtschaft tut sich nach wie vor schwer mit Themen wie Biodiversität und Klima. Das spiegelt sich auch in der klassischen Ausbildung wider, wo eine ökologische Landwirtschaft noch immer als Spezial- und nicht als Normalfall behandelt wird. Was braucht es, damit Themen wie der Klimawandel oder der Verlust an Artenvielfalt ebenso selbstverständlich Teil der Ausbildung werden wie Maschinenkunde und Betriebswirtschaft?
Artikel von Barbara Küttel, Kleinbauern-Vereinigung, Originalveröffentlichung im Magazin Agricultura (Nr. 4/21)
Nein, die Landwirtschaft steht nicht still, und auch die landwirtschaftliche Ausbildung nicht. Anstelle einer reinen Vermittlung von Fachwissen stehen heute Handlungskompetenzen im Vordergrund, und auch die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und Ökonomie – haben in der Grund- und Weiterbildung Eingang gefunden. Trotzdem: Schaut man genauer hin, ist die biologische Landwirtschaft in der Ausbildung noch immer der Sonderfall und der Klimawandel wird erst am Rande thematisiert.
Breite, aber klassische Ausrichtung
All das wurde in einem Beitrag der Rundschau bereits vor zwei Jahren kritisiert. Verschiedene Umweltorganisationen haben sich der Thematik angenommen und fordern eine Ausbildung, die ökologische Gesichtspunkte stärker berücksichtigt. Im Rundschaubeitrag kam der Eindruck auf, dass sich die Schulen bei diesen Themen vor allem in eine Abwehrhaltung begeben: Die Ausbildung müsse das Basiswissen abdecken und keine politischen Diskussionen aufwerfen. Das klingt auf den ersten Blick plausibel, da insbesondere in der Grundbildung die Stoffmenge schnell an Grenzen stösst. Dass man den Schülerinnen diese Themen gar nicht erst zumuten will, erweckt aber auch den Eindruck einer Ausrede. Die angehenden Bauern werden auf die grossen Herausforderungen in den Bereichen Klima und Ökologie nicht oder nur ungenügend vorbereitet.
Hört man sich bei Absolventen der Landwirtschaftslehre Niveau EFZ oder einer Weiterbildung im Landwirtschaftsbereich um, zeigt sich, dass die Eindrücke sehr unterschiedlich sind. Die Breite der Ausbildung macht die Lehre als Landwirtin einerseits aus, verhindert aber teilweise eine vertiefte Auseinandersetzung mit wichtigen Themen. Die Breite ist damit sowohl Stärke als auch Schwäche. Zudem dominieren die Kuh bzw. Milchwirtschaft die Ausbildung auch heute noch stark. Für angehende Landwirte, die ihre Zukunft in anderen Betriebszweigen sehen, ist das unbefriedigend.
Bio bleibt die Ausnahme
Bei der Grundbildung mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis EFZ kann ein Schwerpunkt auf den Biolandbau gelegt werden. Je nach Schule werden dazu separate Klassen geführt oder die Klassen sind gemischt. Eine Ausnahme sind die 120 Lektionen im dritten Jahr, die separat geführt werden müssen. Gleich gehandhabt wird dies auch bei den Spezialberufen wie Gemüsegärtner, Obstfachfrau, Winzerin oder Geflügelfachmann. Diese Wahlmöglichkeit ist wichtig. Zudem gibt es vereinzelte, spezialisierte Berufsschulen, wie die Bio-Schule Schwand im Kanton Bern, oder die biodynamische Ausbildung auf dem Gut Rheinau im Kanton Zürich. Diese Schwerpunktlogik setzt aber einen Grundentscheid der Lernenden für eine ökologische Ausrichtung voraus, die bisher nicht dem klassischen Weg entspricht. Die landwirtschaftliche Berufslehre bleibt damit schwergewichtig auf die konventionelle Landwirtschaft ausgerichtet.
Bei der beruflichen Weiterbildung, zum Beispiel dem Betriebsleiterkurs als Voraussetzung für das Meisterdiplom, wird eine ökologische Ausrichtung gar noch stärker an den Rand gedrängt. Eine
ökologische Landwirtschaft wird hier ebenfalls nicht integriert, sondern separat in einzelnen Modulen wie der Bio-Milchviehhaltung und dem Bio-Obstbau gelehrt oder, wie bei der Biodiversität, aus einer stark wirtschaftlichen Optik vermittelt. Einzig beim Modul Gemüsebau ist der biologische Anbau Teil des Moduls.
Wer somit keinen bewussten Entscheid dafür fällt, kann ökologischen Themen in der Grund- und Weiterbildung grösstenteils ausweichen. Das ist angesichts der Vorurteile, die seitens der konventionellen Landwirtschaft gegenüber ökologischen Bewirtschaftungsweisen noch immer bestehen, und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum fortschreitenden Biodiversitätsverlust und Klimawandel mehr als bedenklich. Während die Grund- und Weiterbildung vorwiegend von der Branche bestimmt wird (siehe Box), haben Fach- und Hochschulen mehr Spielraum, um sich diesen drängenden Themen zu widmen und tun dies in der Regel auch eher.
Bildungsreform bis 2023
Aktuell wird die landwirtschaftliche Grundbildung reformiert. Die Verantwortliche Petra Sieghart von der Organisation der Arbeitswelt Oda AgriAliForm zeigte sich im Rundschaubeitrag zuversichtlich, dass Themen wie der Klimawandel vermehrt Eingang in den Unterricht finden werden. Die Kleinbauern-Vereinigung wird zur Reform Stellung nehmen und sich direkt bei der Oda AgriAliForm über den aktuellen Stand informieren. Ebenso wichtig wie die Verankerung in den Lehrplänen ist jedoch, dass eine ökologische Landwirtschaft auch seitens der Lehrer und Dozentinnen vermehrt als selbstverständlicher Teil der Ausbildung wahrgenommen wird. Denn was in den Köpfen hängen bleibt, ist oft das, was von überzeugenden und persönlich begeisterten Lehrpersonen unterrichtet wird.
Ein Umdenken muss also nicht nur in den Schulbüchern, sondern vor allem auch bei den ausbildenden Personen geschehen. Dazu beitragen kann auch die Politik mit entsprechenden Zielen und Vorgaben. Und mit Sicherheit werden das ausserdem jene Praktikerinnen tun, die sich bewusst für eine Ausbildung entscheiden, die Antworten auf die drängenden Fragen in den Bereichen Klima, Biodiversität etc. liefern kann.
Landwirtschaftliche Berufsbildung Schweiz
Die Berufsbildung in der Schweiz ist stark praxisorientiert und wird den nachgefragten Qualifikationen seitens Wirtschaft gerecht. Der Fokus auf Theorie und Praxis macht die Berufslehre attraktiv und einzigartig. Gleichzeitig ist das Schweizer Bildungssystem trotzdem durchlässig, da Grundbildung und Weiterbildungen bzw. höhere Fachschulen aufbauend funktionieren. Die starke Ausrichtung am Arbeitsmarkt ist ein grosser Vorteil, gleichzeitig aber auch der grösste Nachteil. Die Inhalte der Grundbildung wie auch der höheren Berufsbildung werden von der Wirtschaft festgelegt. Das birgt die Gefahr, dass die Allgemeinbildung oder auch gesellschaftlich zentrale Themen wie die Nachhaltigkeit sowie eine ganzheitliche Herangehensweise vernachlässigt werden.
Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI stellt zwar die Gleichwertigkeit und Qualität der verschiedenen Berufsbildungen sicher, nimmt aber nur sehr übergeordnet auf die Bildungsinhalte Einfluss. Die landwirtschaftliche Ausbildung wird koordiniert durch die Organisation der Arbeitswelt Oda AgriAliForm mit klarer Dominanz von vorwiegend konventionell ausgerichteten Verbänden: dem Schweizer Bauernverband SBV und seinem Pendant aus der Romandie AGORA, den Fachverbänden in den Bereichen Wein, Obst, Gemüse, Pferde, Geflügel sowie den Bäuerinnen und Landfrauen. Nur ein einziger Sitz von insgesamt neun ist von Bio Suisse und damit seitens einer ökologisch ausgerichteten Landwirtschaftsorganisation besetzt.
Weiterführende Informationen finden Sie im Magazin.