Der neuste Bericht von BirdLife International zeigt: Weltweit nimmt die Hälfte der Bestände aller Vogelarten ab. In der Schweiz ist die Situation noch besorgniserregender. Die Umsetzung griffiger Massnahmen ist dringend nötig.
Vögel sind Gradmesser für den Zustand der Biodiversität. Sie gehören zu den Artengruppen, die weltweit am besten untersucht sind, und kommen fast überall auf der Erde vor. Abnahmen von Vogelarten oder ganzen Artengruppen geben deshalb wichtige Hinweise auf Probleme in den einzelnen Ökosystemen. Der neuste wissenschaftliche Bericht «State of the World’s Birds 2022» von BirdLife International zeigt anhand der aktuellsten verfügbaren Daten aus aller Welt auf, wie es den Vögeln auf unserem Planeten geht.
Der Bericht über den Zustand der globalen Vogelwelt wird alle vier Jahre veröffentlicht. Im diesjährigen fünften Update sind die Zahlen gemäss den Autoren so besorgniserregend wie nie zuvor. Bei fast der Hälfte aller rund 11’000 Vogelarten auf unserem Globus wird ein Rückgang festgestellt, wobei viele Populationen bereits stark dezimiert sind. Nur 6 % der Arten haben steigende Tendenzen. Eine von acht Vogelarten (13 %) steht gemäss den strengen internationalen Richtlinien auf der globalen Roten Liste (Kategorien «gefährdet» bis «vom Aussterben bedroht»). Weitere 9 % stehen auf der Vorwarnliste (Kategorie «potenziell gefährdet»). 187 Arten sind bereits ausgestorben.
Schweizer Rote Liste noch länger
In der Schweiz ist die Situation noch dramatischer: Die nach denselben internationalen Kriterien erarbeitete Rote Liste der Brutvögel der Schweiz enthält einen rund drei Mal höheren Anteil der Arten – 40 % der 205 Brutvogel-Arten stehen auf der Roten Liste. Auch die Vorwarnliste ist länger (20 % versus 9 %). 17 Arten konnten seit 2010 in eine bessere Kategorie eingeteilt werden, während 25 in eine schlechtere kamen1. Besonders stark gefährdet sind die Arten des Agrarlandes und der Feuchtgebiete; im Wald geht es den Vögeln etwas besser, allerdings mit Ausnahmen.
Ein direkter Vergleich der Schweizer und der globalen Zahlen bringt zwar gewisse methodische Schwierigkeiten mit sich. Der Befund, dass es um die Vogelwelt und die Biodiversität in der Schweiz ganz besonders schlecht steht, wird jedoch durch zahlreiche weitere Studien und ergänzende Vergleiche klar bestätigt2.
Fünf Arten, die auf der globalen Vorwarnliste stehen, sind auch Brutvögel in der Schweiz: Steinhuhn, Moorente, Grosser Brachvogel (allerdings in der Schweiz funktionell ausgestorben), Bartgeier und Rotmilan. Hinzu kommen 14 Vogelarten, die auf der Europäischen Roten Liste oder Vorwarnliste stehen, darunter Kiebitz, Alpenschneehuhn, Wiesenpieper oder Turteltaube3. Für alle diese Arten hat die Schweiz aufgrund der weltweiten bzw. europäischen Gefährdung eine besondere Verantwortung.
Einige weitere wichtige Erkenntnisse aus dem Bericht:
- Allein in Nordamerika und der EU sind die Vogelbestände in den letzten 50 Jahren um 3 Milliarden Vögel geschrumpft. Dies entspricht einem Rückgang von 29 % in Nordamerika und ca. 18 % in der EU.
- In Europa zeigen sich in Bezug auf die Ökosysteme grosse Unterschiede: Während die Vogelpopulationen im Wald seit 1980 um 3 % zurückgegangen sind, gingen die Vögel im Agrarland um 57 % zurück. Bei den Bergvögeln beträgt der Rückgang innert nur 12 Jahren (2002–2014) 10 %.
- Die Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft ist laut dem Bericht die grösste Bedrohung für die Vögel der Welt, von der 73 % aller bedrohten Arten betroffen sind. Die zunehmende Mechanisierung, der Einsatz von Agrochemikalien und die Umwandlung von Grün- in Ackerland haben z. B. dazu geführt, dass die Zahl der Agrarland-Vögel in Europa seit 1980 um 57 % zurückgegangen ist.
- Nicht nachhaltige Abholzung und Waldbewirtschaftung sind weltweit ebenfalls ein grosses Problem: Der Verlust von über 7 Millionen Hektaren Wald pro Jahr (1,7mal die Fläche der Schweiz) hat Auswirkungen auf die Hälfte aller bedrohten Vogelarten.
Den Absichtserklärungen müssen Taten folgen
«Die Vögel geben uns Aufschluss über den Zustand unserer natürlichen Umwelt», sagt Patricia Zurita, CEO von BirdLife International. «Wir Menschen aber ignorieren ihre Botschaften.» Sie ergänzt: «Während die Covid-Pandemie und weitere Krisen die Aufmerksamkeit von der Umweltagenda abgelenkt haben, muss sich die Weltgesellschaft nun wieder auf die Krise der biologischen Vielfalt konzentrieren.»
Auch für Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz, ist klar, dass der globalen Biodiversitätskrise noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird – gerade in der Schweiz. «Die Klima- und die Biodiversitätskrisen müssen gemeinsam gelöst werden. Wir befinden uns in der sechsten globalen Aussterbewelle und müssen nun entschieden dagegen ankämpfen.» Eine der dringendsten Massnahmen ist die Sicherung der wichtigsten Flächen, die es für die Erhaltung der Biodiversität und der Vögel braucht. In der Schweiz ist es zentral, rasch eine funktionierende Ökologische Infrastruktur aufzubauen: ein landesweiter Verbund von wertvollen Flächen, auf welchen die Biodiversität wirksam geschützt und gefördert wird. «Dabei ist es wichtig, dass sich alle Sektoralpolitiken des grossen Handlungsbedarfs bewusst werden und Hand bieten, die Herausforderungen gemeinsam anzugehen, sodass endlich die nötigen Massnahmen zum Schutz unserer Lebensgrundlage umgesetzt werden können», sagt Raffael Ayé.
Weitere dringende Massnahmen sind im globalen Kontext:
- Anpassungen in der Agrarpolitik zugunsten einer nachhaltigen Landwirtschaft
- Bekämpfung der Abholzung der Wälder
- Rasche Bekämpfung der Klimakrise mit echten natur-basierten Lösungen
- Bekämpfung der Wilderei und bessere Jagdgesetze
- konkrete Fördermassnahmen für gefährdete Arten
- Verstärkte Massnahmen gegen die weltweite Ausbreitung standortfremder invasiver Tier- und Pflanzenarten.
- Eine nachhaltige Fischerei und die Reduktion des Beifangs.
Die Wende ist möglich
Schliesslich geben uns die Vögel aber auch Grund zur Hoffnung: Sie zeigen, dass mit wirksamen Massnahmen Arten gerettet werden können und sich die Natur erholen kann. Über 450 Important Bird and Biodiversity Areas (IBAs) konnten durch die Bemühungen der BirdLife-Partner bisher als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Und seit 2013 haben 726 weltweit bedrohte Vogelarten direkt von den Massnahmen der BirdLife-Partnerschaft profitiert. BirdLife Schweiz erzielt mit seinen Projekten für Steinkauz, Kiebitz, Uferschwalbe und andere Arten ebenfalls einen starken positiven Einfluss auf deren Bestände. Raffael Ayé bilanziert: «Wenn Politik, Behörden, Wirtschaft und Gesellschaft endlich ernsthaft in den Schutz der Biodiversität in der Schweiz investieren, dann ist eine starke Verbesserung möglich!»
Den gesamten Bericht finden sie hier.
1 https://www.birdlife.ch/sites/default/files/documents/Orn1_36-38_RoteListe.pdf
2 https://www.birdlife.ch/de/content/neuer-bericht-zeigt-biodiversitaet-schwindet-bund-schaut-zu
https://www.birdlife.ch/de/content/biodiversitaet-wo-steht-die-schweiz
3 Vogelarten auf der Europäischen Roten Liste, die in der Schweiz brüten: Eiderente, Tafelente, Kiebitz, Grosser Brachvogel (in CH ausgestorben), Bartgeier, Eisvogel, Turteltaube, Raubwürger (in CH ausgestorben). Arten, die auf der Europäischen Vorwarnliste stehen: Mittelsäger, Blässhuhn, Rotmilan, Alpenschneehuhn, Wiesenpieper, Steinhuhn
Auch die Massentierhaltung gefährdet die Artenvielfalt der Vögel! Man hat ja gesehen wie die Schweizerbevölkerung mit dem NEIN zu dieser Initiative stand. Der Bundesrat subventioniert Maisfelder (Rinder/Schweinemast) die der Biodiversität schaden! Man sieht nur noch Maisfelder soweit man schaut. Ganz zu schweigen von dem Gift das hier von den Bauern versprüht wird. Ich denke da sollte man mal ansetzten!
Doch wer interessiert das schon? Hauptsache die Kasse stimmt. Wir werden uns in naher Zukunft selbst vernichten nicht nur die Vögel!!