Forschende unter der Leitung der University of Oxford und mit Beteiligung der Universität Bern bemängeln in einer im Fachmagazin Nature publizierten Studie, dass die natürliche CO2-Entfernung aus der Atmosphäre durch Wälder oder Ozeane häufig in die Netto-Null-Bilanz von Klimaschutzmassnahmen einfliesst. Die Forschenden rufen Länder und Unternehmen dazu auf, dies anzupassen, da andernfalls die Erderwärmung nicht gestoppt würde.
Natürliche CO2-Senken wie Wälder, Böden und Ozeane spielen in der Abschwächung des Klimawandels eine wichtige Rolle. Seit der Industrialisierung haben sie rund die Hälfte des von Menschen ausgestossenen Kohlendioxids aus der Atmosphäre entfernt.
Häufig werden diese natürlichen Senkleistungen in Klimaschutzmassnahmen von Ländern und Unternehmen miteinberechnet, um eigene Emissionen zu kompensieren. Dies sei jedoch nicht zielführend, schreiben Forschende unter der Leitung der University of Oxford und mit Beteiligung des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern in einer im Fachmagazin Nature publizierten Studie.
Geologisches Netto-Null entscheidend
«Wälder und Ozeane haben bereits Teile unserer vergangenen Emissionen aufgenommen. Wir können nicht erwarten, dass sie auch unsere zukünftigen Emissionen aufnehmen», sagt Studienleiter Prof. Myles Allen von der University of Oxford.
Die Kompensation von Emissionen durch natürliche CO2-Senken könne keine permanente CO2-Entfernung im Gestein ersetzen, wo das Treibhausgas dauerhaft chemisch an Mineralien gebunden werden kann. «Mitte dieses Jahrhunderts muss jeglicher aus dem Boden stammender Kohlenstoff, der dann noch ausgestossen wird, wieder in den Boden zurück. Das ist Geologisches Netto-Null», erklärt Allen. Da die Kosten und technischen Herausforderungen für die langfristige CO2-Entfernung im Gestein aber noch immer hoch seien, könne Geologisches Netto-Null nur mit substanziellen Emissionsreduktionen erreicht werden.
Kompensationen müssen exakt deklariert werden
Dies gelte insbesondere für Industrienationen mit grossen historischen Emissionen, die sich lange auf natürliche Kohlenstoffsenken verlassen haben. Sie hätten eine besondere Verantwortung dafür zu sorgen, dass die natürlichen Senken geschützt werden und ihre Leistung aufrechterhalten können.
Es sei darum wichtig, klar zwischen natürlichen und menschlichen Senken zu unterscheiden. «Ansonsten könnte ein Land den Anschein erwecken, Netto-Null erreicht zu haben, während es immer noch zur fortschreitenden Erwärmung beiträgt», erklärt Studienmitautor Prof. Thomas Stocker vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung an der Universität Bern. Stocker war bis 2015 Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe für die wissenschaftlichen Grundlagen des Weltklimarats IPCC und in dieser Rolle auch massgeblich für die Entscheidungsgrundlagen des Pariser Abkommens von 2015 mitverantwortlich. «Unser IPCC Sachstandsbericht von 2013, der von allen Ländern im Konsens verabschiedet wurde, verknüpfte das Temperatur-Ziel mit Netto-Null. Dank dem Pariser Abkommen, das diese Temperatur festlegte, ist heute das Netto-Null-Ziel im Fokus. Doch es ist wichtig, dass wir dabei dasselbe meinen — Netto-Null ist eben nicht gleich Netto-Null. In der aktuellen Studie sprechen wir deshalb vom Geologischen Netto-Null», so Stocker.
Die Forschenden rufen Regierungen und Unternehmen nun dazu auf, klarzustellen, wie sehr sie auf natürliche Kohlenstoffsenken setzen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Dies sei vor allem im Hinblick auf die Klimaverhandlungen, wie der aktuell laufenden UN-Klimakonferenz in Baku, entscheidend.
Zur Originalpublikation:
Myles Allen et al. (2024). Geological Net Zero and the need for disaggregated accounting for carbon sinks, Nature,
doi: 10.1038/s41586-024-08326-8