Eine internationale Studie unter Leitung der Universität Bern zeigt erstmals, dass biologische Invasionen Ökosysteme nicht auf einheitliche Weise verändern. Einige Effekte – insbesondere der Verlust einheimischer Pflanzenarten – halten über Jahre an und verschärfen sich mit der Zeit. Andere Effekte, wie etwa Bodenveränderungen, lassen mit zunehmendem Bestehen der Invasion nach. Die Ergebnisse könnten bei der Entscheidung helfen, wann schnell gehandelt werden sollte und wann eine kontinuierliche Überwachung sinnvoller ist.
Biologische Invasionen treten auf, wenn nicht heimische oder exotische Arten neue geografische Regionen besiedeln – oft zum Nachteil der einheimischen Pflanzen und Tiere. Heutzutage trägt der Mensch in erheblichem Masse zu Invasionsprozessen bei, indem er es Arten ermöglicht, grosse Entfernungen zu überbrücken und mit hoher Geschwindigkeit in neue Lebensräume vorzudringen. Daher wird es immer wichtiger, die Auswirkungen von Invasionen auf Ökosysteme besser zu verstehen.
Forschende der Universität Bern, der Universität Konstanz (Deutschland) und der Northeast Forestry University (China) haben nun gezeigt, wie sich die Auswirkungen verschiedener Arten von Invasionen im Laufe der Zeit verändern können. «Die Auswirkungen von Invasionen sind kein ökologisches Rauschen, sie haben einen zeitlichen Fingerabdruck», sagt Prof. Madhav P. Thakur vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern, Erstautor der kürzlich in Science veröffentlichten Studie. «Unsere Analyse zeigt, welche Effekte anhalten, welche sich abschwächen und wie das Alter einer Invasion die Prioritäten im Handeln bestimmen sollte».
Eine globale Synthese
Um über einfache Fallstudien hinauszugehen, führte das Team eine erstmalige globale Metaanalyse durch, die Pflanzen, Tiere, Mikroben und 15 Ökosystemeigenschaften umfasst. Die Analyse fasste über 2’000 Ergebnisse aus 775 Studien zusammen, die terrestrische Ökosysteme weltweit einschliessen. Sie zeigt auf, wie ökologische Zusammenhänge – Aufenthaltsdauer von Eindringlingen, einheimische und nicht einheimische Vielfalt, Breitengrad und Artenmerkmale – die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt sowie wichtige Ökosystemprozesse, einschliesslich von Treibhausgasemissionen, beeinflussen.
Das deutlichste Muster: Invasive Pflanzen verringern die Vielfalt der einheimischen Pflanzen, und dieser Verlust nimmt mit der Aufenthaltsdauer invasiver Arten zu. Im Gegensatz dazu schwächen sich verschiedene abiotische Auswirkungen – wie Veränderungen des organischen Kohlenstoffs und des Gesamtstickstoffs im Boden – oft nach etwa 6-10 Jahren ab. Die Synthese deutet auch darauf hin, dass invasive Pflanzen und Tiere oft mit höheren Bodenemissionen von Treibhausgasen (CO₂, N₂O und bei Pflanzen auch CH₄) verbunden sind, aber diese Erkenntnisse sind noch vorläufig. Die Forschenden fordern daher weitere langfristige Untersuchungen dazu, wie biologische Invasionen Emissionen verändern. «Wenn zukünftige Studien bestätigen, dass biologische Invasionen mit einer erhöhten Treibhausgasproduktion verbunden sind, könnte die Abwehr invasiver Arten uns im Kampf gegen den Klimawandel helfen», erklärt Prof. Mark van Kleunen von der Universität Konstanz.
Altbekanntes neu bewertet
Mehrere Ergebnisse der Metaanalyse hinterfragen gängige Meinungen. So konnte beispielsweise – entgegen der weit verbreiteten Annahme «biotischer Resistenz» – ein hoher Reichtum an einheimischen Pflanzen oder Tieren die Auswirkungen von invasiven Arten auf Ökosystemebene nicht durchgängig einschränken. Ebenso konnten Merkmale, die gemeinhin mit invasiven Pflanzen in Verbindung gebracht werden (z. B. die Blattdicke), weder das Ausmass noch die Richtung der Veränderungen im Ökosystem als Reaktion auf eine Invasion vorhersagen. Auch der Breitengrad zeigte wenig konsistente Signale.
«Diese Studie schliesst eine grosse Lücke zwischen der Vorhersage des Erfolgs einer Invasion und der Vorhersage ihrer Auswirkungen», erklärt Thakur. «Wir haben die wichtigsten Ideen verglichen und festgestellt, dass die Verweildauer einer invasiven Art die klassischen Prädiktoren wie den Breitengrad oder einfache Stellvertretereigenschaften übertrifft, wenn es darum geht, reale Ökosystemveränderungen zu erklären.» Die Analyse der Forschenden setzt somit einen neuen Massstab und könnte der weltweiten Forschungsgemeinschaft, die die Auswirkungen biologischer Invasionen untersucht, als Bezugspunkt dienen. «Das Institut für Ökologie und Evolution und das Institut für Pflanzenwissenschaften verfügen beide über langjährige Erfahrung in der Biodiversitäts- und Invasionsforschung, was eine starke Grundlage für dieses Projekt bereitstellte und es der Universität Bern ermöglicht, eine führende Rolle in der Invasionsbiologie einzunehmen», so Thakur.
Was die Resultate für Vielfalt und Klimaschutz bedeuten
Die Botschaft der Studie für Naturschutz und Politik ist pragmatisch: «Handeln Sie frühzeitig, um invasive Pflanzen zu verhindern oder zu entfernen, wenn die einheimische Vielfalt gefährdet ist – Artenverluste häufen sich mit der Zeit an», sagt Thakur. Bei abiotischen Bodenveränderungen, die sich tendenziell abschwächen, sollte man eher auf eine adaptive Überwachung und gezielte Massnahmen setzen als auf pauschale Eingriffe. «Umweltmanagerinnen und -manager sollten nicht davon ausgehen, dass vielfältige Lebensräume oder resiliente Merkmale das Funktionieren von Ökosystemen sichern, sobald sich Invasionen durchsetzen», fügt Prof. Xuhui Zhou von der Northeast Forestry University hinzu. «Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass es wichtig ist, zu untersuchen, welche invasiven Arten bereits wie lange präsent sind und welche Ökosystemeigenschaften am empfindlichsten auf sie reagieren.»
Da die Evidenz für Tiere und Mikroorganismen, insbesondere ausserhalb des globalen Nordens, nach wie vor spärlich sind, fordern die Forschenden langfristige Experimente und eine breitere geografische Abdeckung. Die Beseitigung dieser blinden Flecken ist entscheidend für den Aufbau einer global relevanten Invasionswissenschaft: «Zeit ist die unterschätzte Achse der Auswirkungen von Invasionen», schliesst Thakur. «Wir müssen die einheimische Vielfalt frühzeitig schützen und auf Bodenveränderungen achten, die sich mit der Zeit stabilisieren können. Wenn wir dieses Tempo erkennen, kann die Invasionspolitik strategischer – und effektiver – werden.»
Thakur, M. P., Gu, Z., van Kleunen, M. & Zhou, X. (2025). Invasion impacts in terrestrial ecosystems: global patterns and predictors. Science.
DOI: 10.1126/science.adq3101
Begrifflichkeit und weiterführende Informationen zum Thema Neobiota
Neobiota: alle Arten, die in ein Gebiet eingeführt wurden, in dem sie ursprünglich nicht vorkommen.
Neophyten: gebietsfremde Pflanzenarten, die sich in einem neuen Gebiet etabliert haben.
Neozoen: gebietsfremde Tierarten, die sich in einem neuen Gebiet etabliert haben.
Invasive Art: eine Neobiota, die sich stark ausbreitet und einheimische Arten oder Ökosysteme negativ beeinflusst.
- Bundesamt für Umwelt (BAFU) – Themenseite «Invasive gebietsfremde Arten» mit Überblick, Daten und Publikationen.
Liste der invasiven Tier- und Pflanzenarten 2022 (PDF): Die Liste der Arten, die Schäden in der Umwelt verursachen, finden Sie ab Seite 56 - InfoSpecies – Schweizerisches Informationszentrum für Arten: Daten, Artinformationen, Verbreitungsnachweise zu Neobiota.
- InfoFlora – Fachstelle für die Schweizer Flora: Informationen zu Neophyten (gebietsfremde Pflanzen), Kriterien, Listen.
Funde melden: Online-Feldbuch invasive Neophyten - Nützliche Kontakte und Links: https://www.infoflora.ch/de/neophyten/kontakte.html





Allgemeine Schlussfolgerungen aus globalen Metastudien sind generell mit Vorsicht zu geniessen.
Im vorliegenden Fall werden fast 800 Studien aus allen Weltregionen mit extrem unterschiedlichen Ansätzen, Methoden und Zeitdauer und dann auch noch bezogen auf Bakterien, Pilze, Pflanzen und Tiere in einen Topf geworfen und dann «ausgewertet». Zudem zeigt nur schon die Begriffsverwendung wie «invasion» und «invader», dass hier eine vorurteilsbehaftete Intention vorliegt.
Mit dieser Studie wird der grundsätzliche Bias der meisten untersuchten Studien einer Verwechslung von Zustand, bzw. Ereignis und Prozess noch verstärkt.
Es ist mehr als ärgerlich, wenn sich Schweizer Naturschutzverbände lieber mit fremdenfeindlichem Vokabular dem Zeit-Ungeist angleichen, anstatt hierzulande ernsthaft die wirklichen Umweltprobleme anzugehen.
Hallo aus Mannheim
wir wohnen im Dorf Ilvresheim und bereits in den 1960er Jahren kämpfte meine Oma mit dem «stolzen Heinrich» – Goldrute in unserem grossen Garten. Er vernichtete alle einheimischen Pflanzen, indem er wuchs und wuchs und wuchs…..und immer wieder kam. Das prägte sich mir als kleines Mädchen so ein, dass ich ihn auch immer «vernichtete» , bis ich hörte, er sei wichtig für die Nieren, Blase ect. – ab da bekämpfte ich ihn nicht mehr…aber er war dann weg
Liebe Grüsse
Sonja Münch