StartNewsForschungAuch zwergwüchsige Männchen können sich erfolgreich Fortpflanzen

Auch zwergwüchsige Männchen können sich erfolgreich Fortpflanzen

Bei in leeren Schneckenhäusern brütenden Buntbarschen gibt es zwei verschieden grosse Männchentypen: winzige und riesige. Forschende der Universität Bern und der Universität Graz haben nun die Genome der weiblichen und männlichen Buntbarsche analysiert und fanden heraus, wie die Grössen im Zusammenhang mit dem Geschlecht der Fische genetisch festgelegt werden.

Unterschiedliche Körpergrössen zwischen Männchen und Weibchen sind ein weit verbreitetes Phänomen im Tierreich. Ein extremes Beispiel hierfür ist der Schneckenhaus-brütende Buntbarsch Lamprologus callipterus aus dem Tanganjikasee, bei dem die Männchen 12-mal grösser und schwerer sind als die Weibchen. Dies ist sinnvoll, weil die grossen Männchen leere Schneckenhäuser zu Nestern anhäufen, in denen die kleinen Weibchen Schutz finden und ihre Brut aufziehen. Das Besondere bei dieser Art ist jedoch ein zweiter Männchentyp, der sich auf Grund von extremem Zwergwuchs in die Schneckenhäuser der Riesen einschleichen kann, um die Eier der Weibchen zu befruchten. Die kleinen Buntbarschmännchen haben damit eine alternative Strategie entwickelt, um als ungebetene Gäste des Revierbesitzers erfolgreich Nachwuchs zu erzeugen.

Bisher war bekannt, dass aus Zwergmännchen nur Zwergmännchen hervorgehen und aus Riesen nur Riesen, während die von beiden Männchentypen erzeugten Weibchen etwa gleich gross sind. Die Männchengrösse wird also geschlechtsspezifisch vom jeweiligen Vater weitergegeben. Forschende aus der Universität Bern und Universität Graz fanden heraus, wie alternative Grössen und Geschlecht bei den Buntbarschen genetisch festgelegt werden.

Genetischer Mechanismus zu einem einzigartigen Reproduktionssystem

Für die Studie analysierte das Forschungsteam die Genome von männlichen und weiblichen Buntbarschen von L. callipterus, um den genetischen Mechanismus und Evolutionsweg zu deren einzigartigem Reproduktionssystem mit zwei verschieden grossen Männchentypen zu klären. Sie konnten nun aufklären, wie es kommt, dass beide Männchentypen ihre jeweilige Grösse an die nächste Männchengeneration vererben, ohne die Körpergrösse der weiblichen Nachkommen zu beeinflussen.

«Dafür mussten wir erst die geschlechtsbestimmenden Regionen im Genom dieser Art identifizieren, da diesen Buntbarschen gut unterscheidbare Geschlechtschromosomen, wie sie zum Beispiel der Mensch hat, fehlen», erklärt Pooja Singh, Erstautorin der Studie. Darin sei aber auch der Reiz gelegen, da man so auch den Weg nachzeichnen könne, wie verstreute, geschlechtsbestimmende Gen-Positionen im Chromosom zu einem komplexen zentralen Geschlechtschromosom, wie dem Y-Chromosom des Menschen, evolvieren können, meint Singh. Die Forschenden fanden im Genom der Buntbarsche eine sehr kleine, Y-artige Region, die sich zwischen Männchen und Weibchen unterschied. «Obwohl die Riesen und Zwerge den gleichen Männlichkeitsfaktor haben, unterscheidet sich diese Region im Detail: Als wir in die Region hineinzoomten, fanden wir dort das Schalter-Gen GHRHR, das schon von Säugetieren her bekannt ist. Es dient als Wachstumshormon-Regulator, und Mutationen davon führen auch beim Menschen und anderen Säugern zu Zwergenwuchs», sagt Co-Autorin Catherine Peichel. Da dieses Zwergen-Gen nun auch bei Fischen nachgewiesen ist, muss es laut dem Forschungsteam mehr als 440 Millionen Jahre alt sein und damit vor die Eroberung des Festlandes durch die Landwirbeltiere zurückreichen. Ein altes Grössen-Gen verknüpft sich im Fall der Buntbarsche also mit einem neu entstehenden Geschlechtschromosom.

Wer kam zuerst: Die Riesen oder die Zwerge?

Die Resultate zeigen, dass ein sexueller Konflikt bezüglich der für die Fortpflanzung wichtigen Körpergrösse die Evolution eines Geschlechtschromosoms begleitet. Die Frage ist nun, welcher der beiden Männchentypen zuerst da war. «Wir vermuten, dass es die Riesen waren, da ja das ganze Reproduktionssystem auf der Fähigkeit des Nestbaus durch die Sammlung und Anhäufung leerer Schneckenhäuser – und deren Verteidigung – basiert. Die Zwerge konnten dann durch eine punktuelle Mutation des Schalter-Gens entstehen und sich durch ihre parasitische Fortpflanzungstaktik erfolgreich etablieren», sagt Co-Autor Michael Taborsky.

Die Studie erschien im Journal Molecular Ecology und finden Sie hier.

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