«Ja, es ist möglich, eine angemessene und gesunde Ernährung für jeden Menschen bei weitgehend intakter Biosphäre bereitzustellen», sagen Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Es braucht aber eine technologische und soziokulturelle Kehrtwende. Fast fünfzig Prozent der derzeitigen Nahrungsmittelproduktion ist schädlich für unseren Planeten – sie führt zum Verlust biologischer Vielfalt, setzt den Ökosystemen zu und verschärft die Wasserknappheit.
Um eine Wende herbeizuführen braucht es etwa die konsequente Umsetzung ressourcenschonender landwirtschaftlicher Methoden, die Reduzierung von Lebensmittelverlusten und schließlich Änderungen im Speiseplan.
Laut Dieter Gerten, Leitautor vom PIK und Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin geschieht heutzutage fast die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion auf Kosten der planetaren Belastungsgrenzen der Erde. Zu viel Land wird für die Tierhaltung und Nutzpflanzen verwendet, es wird zu stark gedüngt und zu oft bewässert. Um dieses Problem angesichts einer noch immer wachsenden Weltbevölkerung zu lösen, muss die Produktion der Lebensmittel überdenkt werden. Resultate der Studie geben Hoffnung: Bei einer radikalen Transformation kann ausreichend Nahrung für bis zu 10 Milliarden Menschen bereitgestellt werden.
«Wenn man sich den Zustand des Planeten Erde und den Einfluss der aktuellen globalen Landwirtschaftspraxis auf ihn ansieht, gibt es viel Grund zur Sorge…»
Prof. Dr. Dieter Gerten, Humboldt-Universität zu Berlin
Mehr Ökologie in der Landwirtschaft
Die ForscherInnen stellen die Frage, wie viele Menschen unter Einhaltung eines strengen Standards ökologischer Nachhaltigkeit weltweit ernährt werden könnten. Diese Umweltkapazitäten werden in Form mehrerer planetarer Belastungsgrenzen definiert – wissenschaftlich definierter Höchstwerte für menschliche Eingriffe in zentrale Prozesse des Planeten. In der vorliegenden Studie werden vier der neun planetaren Grenzen erfasst, die für die Landwirtschaft relevant sind: die Integrität der Biosphäre (intakte Artenvielfalt und intakte Ökosysteme), die Veränderung der Landnutzung, die Süsswassernutzung und die Nutzung von Kunstdünger. Basierend auf einem ausgefeilten Computermodell werden die Auswirkungen der Nahrungsmittelproduktion auf diese Grenzen und auch auf den gesamten Planeten bezogen untersucht. Diese Analyse zeigt auf, wo und wie viele Grenzen durch die derzeitige Nahrungsmittelproduktion verletzt werden und auf welche Weise diese Entwicklung durch Einführung nachhaltigerer Formen der Landwirtschaft rückgängig gemacht werden könnte.
Weniger Wasser, Land und Dünger
Das ermutigende Ergebnis ist, dass theoretisch 10 Milliarden Menschen ernährt werden können, ohne das Erdsystem zu gefährden. Das führt zu sehr interessanten Schlussfolgerungen, wie Johan Rockström, Direktor des PIK, betont: „Wir stellen fest, dass die Landwirtschaft in vielen Regionen derzeit zu viel Wasser, Land oder Dünger verbraucht. Die Produktion in diesen Regionen sollte daher mit ökologischer Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden. In der Tat gibt es enorme Möglichkeiten, die landwirtschaftliche Produktion in diesen und anderen Regionen auf nachhaltige Weise zu steigern. Das gilt zum Beispiel für weite Teile Subsahara-Afrikas, wo ein effizienteres Wasser- und Nährstoffmanagement die Erträge stark verbessern könnte.»
«In der Tat gibt es enorme Möglichkeiten, die landwirtschaftliche Produktion […] auf nachhaltige Weise zu steigern.»
Prof. Dr. Johan Rockström, Leiter des PIK
Als positiver Nebeneffekt kann eine nachhaltigere Landwirtschaft die allgemeine Klimaresilienz erhöhen und gleichzeitig die globale Erwärmung begrenzen. An anderen Orten ist die Landwirtschaft jedoch so weit von den lokalen und planetaren Belastungsgrenzen entfernt, dass selbst nachhaltigere Systeme den Druck auf die Umwelt nicht vollständig ausgleichen könnten, wie etwa in Teilen des Nahen Ostens, Indonesiens und teilweise in Mitteleuropa.
Ernährungsumstellung ist notwendig
Auch die Seite der Konsumentinnen und Konsumenten ist nicht zu vergessen. Weitreichende Ernährungsumstellungen scheinen unumgänglich zu sein, um das Ernährungssystem wirklich nachhaltig zu machen. Beispielsweise müssten angesichts des steigenden Fleischkonsums in China Teile der tierischen Proteine durch mehr Hülsenfrüchte und anderes Gemüse ersetzt werden. «Veränderungen auf dem täglichen Speiseplan scheinen zunächst vielleicht schwer zu schlucken. Aber auf lange Sicht wird eine Ernährungsumstellung hin zu einem nachhaltigeren Mix auf dem Teller nicht nur dem Planeten, sondern auch der Gesundheit der Menschen zugutekommen», ergänzt Vera Heck vom PIK. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Reduzierung der Nahrungsmittelverluste. So baut die vorliegende Studie auf Zahlen, die auch der jüngste IPCC-Sonderbericht zur Landnutzung vorgelegt hat und wonach derzeit bis zu 30 Prozent aller produzierten Lebensmittel durch Verschwendung verloren gehen. «Diese Situation erfordert eindeutig entschlossene politische Maßnahmen, um Anreize sowohl auf Seiten der Produzentinnen als auch der Verbraucher zu setzen», so Heck weiter.
Die Politik hat eine grosse Verantwortung
Die vielleicht sensibelste und herausforderndste Konsequenz der Studie betrifft das Landnutzung. «Alles, was mit dem Land zu tun hat, ist in der Praxis mitunter komplex und umstritten, weil die Lebensgrundlagen und Perspektiven der Menschen davon abhängen. Der Übergang zu einer nachhaltigeren Landnutzung und -bewirtschaftung ist daher eine anspruchsvolle Herausforderung für die Politik. Hierbei ist es entscheidend, dass die Menschen in den betroffenen Regionen klare Vorteile für sich erkennen können. Dann besteht eine echte Chance, dass die Unterstützung für diese Veränderungen schnell genug wächst, um das Erdsystem zu stabilisieren», sagt Wolfgang Lucht, Ko-Vorsitzender des Fachbereichs Erdsystemanalyse am PIK und Mitautor der Studie.
Quelle: Dieter Gerten, Vera Heck, Jonas Jägermeyr, Benjamin Leon Bodirsky, Ingo Fetzer, Mika Jalava, Matti Kummu, Wolfgang Lucht, Johan Rockström, Sibyll Schaphoff, Hans Joachim Schellnhuber (2020): Feeding ten billion people is possible within four terrestrial planetary boundaries. Nature Sustainability [DOI 10.1038/s41893-019-0465-1]
Man sollte schon gar nicht erst in Betracht ziehen, 10 Mia. Menschen ernähren zu müssen. Dringend nötig wäre dagegen endlich eine drastische Reduktion des Bevölkerungswachstums. Mit Essen allein ist es nicht getan, auch die Menschenwürde geht bei dieser Übervölkerung verloren. Ganz zu schweigen von der Natur, die sowieso gegenüber dem Menschen immer das Nachsehen hat.
Die globale Landwirtschaft aber auch die Schweizer Landwirtschaft verbraucht 80-90 % der vorhandenen landwirtschaftlichen Fläche ausschliesslich für die Produktion von Milch- und Fleischprodukten. Diese Fakten sind seit Jahren auf dem Tisch, aber trotzdem vielen Menschen unbekannt (siehe z. B. «Globale Landfläche und Biomasse nachhaltig und ressourcenschonend nutzen» vom deutschen Umwelt Bundesamt, oder «Livestock’s long shadow» von der FAO oder Zahlen vom Bundesamt für Statistik). Wenn die Schweizer nur schon ihren Milch und Fleischkonsum um 50 % reduzieren würden, wären die positiven Auswirkungen für die Natur gewaltig. Man könnte 20-30 % der vorhandenen Landwirtschaftsfläche als Wildnisgebiete erklären oder nur noch extensiv bewirtschaften. Dabei könnte man gleichzeitig auch einen substanziellen Beitrag für den Klimaschutz und den Gewässerschutz (Renaturierungen wären dann nicht mehr durch den Nutzungskonflikt mit der Landwirtschaft blokiert und Schadstoffe würde besser abgebaut) leisten.
Fazit: Wer die Fakten ernst nimmt und sich ernsthaft im Naturschutz engagieren möchte, sollte auf Grund seiner glaubwürdigkeit seinen Fleisch- und Milchkonsum reduzieren oder ganz darauf verzichten.
Die Nutzung des Planeten muss gerechter verteilt werden. Die Menschen auf der Nordhalbkugel verbrauchen viel mehr Ressourcen als diejenigen auf der Südhalbkugel. Wenn Menschen in armen Ländern bessere Lebensbedingungen haben, dann bekommen sie weniger Kinder und die Weltbevölkerung sinkt. Momentan nutzen die reichen Länder die Ressourcen der armen Länder zu ihrem Vorteil und schicken ihren Müll dorthin, wo korrupte Regierungen sich das gefallen lassen. Von Entwicklungshilfen profitieren oft die falschen oder die Maßnahmen versickern im Nichts.
Gut ausgebildete Menschen braucht es auf der ganzen Welt, wenn diese dann in der Lage sind, sich ihren Lebensunterhalt im eigenen Lande zu erarbeiten, zum Vorteil ihres Landes und nicht zum Vorteil irgendwelcher Investoren, wäre das ein erster Schritt zum Vorteil für die Menschheit.
Souiale Verantwortung weltweit ist gefragt, nicht Konkurrenz um die besten und billigsten Ressourcen.
Das Überleben der Menschheit auf unserem Planeten liegt im Interesse aller Menschen auf der Welt, also sollten sie auch alle gleichermaßen zur Lösung beitragen. Das erfordert vor allem eine neue Haltung, Umdenken, gegenseitigen Respekt, Festlegen der Prioritäten und Handeln.
Wenn wir das nicht erreichen, wird es immer mehr Kriege um die Ressourcen geben und die Menschheit geht unter. Für den Planeten nicht die schlechteste Lösung, aber für uns?