Die Menschheit steht vor einer «neuen Realität»: Wir haben den ersten von vielen Kipppunkten – die sogenannten Tipping-Points – des Erdsystems erreicht: In manchen Regionen sind die Korallen wohl nicht mehr zu retten. Ein neuer Bericht, der University of Exeter, gemeinsam mit dem WWF und weiteren Partnern, belegt die Gefahr der Kipppunkte eindrücklich. Doch Veränderung kann auch ins Gute kippen. Das belegen «positive Kipppunkte» beispielsweise im Bereich der Solartechnologie.
Der zweite Global Tipping Points Report zeigt, dass Warmwasser-Korallenriffe, ihren Kipppunkt vermutlich überschritten haben. Ein Massensterben der Korallen ist im Gang. Gleichzeitig stehen wir am Rand weiterer Kipppunkte: das Schmelzen der Eisschilde in Grönland und der Westantarktis, der Zusammenbruch wichtiger Meeresströmungen und der Kollaps des Regenwalds in Teilen der Amazonasregion.
Der Bericht, der von 160 Wissenschaftler:innen aus 87 Institutionen in 23 Ländern verfasst wurde, zeigt aber auch: geeignete Massnahmen können «positive Kipppunkte» auslösen und zu einer sicheren und nachhaltigeren Zukunft beitragen. Das Ziel bleibt, die Erderhitzung bei +1,5°C zu stoppen. Sollten wir diese Marke vorübergehend überschreiten (sogenannter «Overshoot»), ist entscheidend: Je geringer die Überschreitung und je kürzer die Dauer, desto kleiner das Risiko katastrophaler Kipppunkte.
Positiven Kipppunkte
Folgende positiven Kipppunkte sind bereits ausgelöst und bieten Chancen für eine nachhaltige Transformation:
Energie und Mobilität
Photovoltaik, Windkraft und Elektrofahrzeuge haben positive Kipppunkte bereits überschritten. Diese Technologien sind billiger und besser als ihre Vorgänger – ein Zurück ist unwahrscheinlich.
Wiederherstellung der Natur
Nachhaltigere Konsum- und Produktionsmuster können Kipppunkte in Lieferketten auslösen, die Entwaldung beenden.
Gesellschaftlicher Wandel
Die Sorge um den Klimawandel wächst weltweit. Selbst kleine engagierte Gruppen können gesellschaftliche Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit beschleunigen.
COP30 als Beschleuniger
Die Klimakonferenz in Belém soll positive Kipppunkte gezielt fördern – mit einer «Action Agenda» für alle Sektoren von Landwirtschaft bis Energie, von Wäldern bis zu Städten.
Die drei grössten Risiken
Korallenriffe: Bei der aktuellen Erderwärmung von etwa 1,4°C bleichen Korallenriffe wiederholt aus und können sich nicht mehr erholen – ein Massensterben ist die Folge. Selbst bei Stabilisierung auf 1,5°C werden sie grossteils verloren gehen, sofern die Temperatur nicht wieder sinkt.
Amazonas: Der Schwelle für ein Massensterben in dieses einzigartig-vielfältigen Ökosystems liegt niedriger als bisher angenommen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass bereits eine Erwärmung von knapp 1,5°C dazu führen könnte. Die voranschreitende Abholzung erhöht zudem die Gefahr einer Versteppung grosser Regionen im Amazonas-Gebiet. Über hundert Millionen Menschen sind direkt auf den Amazonaswald angewiesen. Sei dies für Nahrung, Wasser, Medizin, kulturelle Identität oder ein stabiles Klima.
Meeresströmungen: Die Atlantische Umwälzströmung (AMOC) könnte schon zusammenbrechen bevor eine Erwärmung von +2°C erreicht ist – mit drastischen Folgen für Klima, Monsunregen und die globale Ernährungssicherheit. Zum Beispiel würden Teile Europas im Winter deutlich kälter als heute.
Professor Lenton sagt dazu: «Nur mit einer Kombination aus entschlossenem politischem Handeln und zivilgesellschaftlichem Engagement können wir die die Welt noch weg von den existenz-bedrohenden Kippunkten hin zu den Chancen der positiven Tipping Points lenken.»




