StartHintergrundMeinungSinn und Unsinn von Unterschriftenlisten

Sinn und Unsinn von Unterschriftenlisten

Ob für Mensch, Tier, Natur oder sonst ein Anliegen: Hunderte von Online-Petitionen werden täglich gestartet und generieren innerhalb von Minuten eine Vielzahl von Anhängern. Schwieriger ist es bei Volksinitiativen, für die es Unterschriften auf Papier braucht. Allgemein stellt sich dabei die Frage: Wie wirkungs- und sinnvoll sind solche endlos langen Listen mit Unterschriften wirklich?

Via Internet ist es mittlerweile ganz leicht, eine Petition zu starten und virtuelle Unterschriften zu sammeln. Online sind schnell einige Tausend Personen gefunden, die ein politisches Anliegen unterstützen. Diesen Trend haben sich verschiedene Internet-Plattformen zu Nutze gemacht. Auf Seiten wie change.org oder avaaz.org kann jedermann auf unkomplizierte Art und Weise seine eigene Petition lancieren. Auf change.org werden so von Nutzern aus nahezu allen Ländern der Welt pro Monat rund 20’000 Petitionen ins Netz gestellt. Auch in der Schweiz ist eine leichte Zunahme von eingereichten Petitionen an das Schweizer Parlament seit 1985 zu erkennen, wie die «Tageswoche» berichtet.

Dass Petitionen, vor allem im Internet, immer beliebter werden, lässt sich durch den geringen Aufwand erklären, der sich dadurch ergibt. Dank Online-Petitionen ist heutzutage das Verkünden eines Statements oder der politische Protest auf zeitsparende und einfache Art und Weise möglich. Dies stellt aber genau den oft genannten Kritikpunkt an solchen Polit-Aktionen dar: Wie glaubwürdig ist eine innerhalb von wenigen Sekunden platzierte Eintragung in eine Petitions-Liste? Kann der Beweggrund der Petition als tiefgründiges Problem der Gesellschaft verstanden werden, wenn es den Unterzeichnern lediglich ein paar Sekunden Wert ist, dafür zu «kämpfen»? Ein Mensch, der seine Freizeit opfert um aktiv seine Meinung zu vertreten, ist doch eher ernst zu nehmen und präsenter als ein Like oder eine Unterschrift im Internet.

Ist also die Teilnahme an einer Online-Petition nichts anderes als eine mühelose Form der Gewissenberuhigung? Dann würde dies allerdings nicht nur für Online-Petitionen sondern auch für Unterschriftslisten im Allgemeinen gelten. Allzu oft wird damit lediglich das schlechte Gewissen auf bequeme Art beruhigt: Seinen Namen unter einen Protestbrief gegen Massentierhaltung oder für den Landschaftsschutz zu setzen ist halt doch viel angenehmer, als auf Fleisch zu verzichten oder in einem Naturschutzprojekt selber Hand anzulegen.

Trotzdem: Eine Unterschrift ist doch wenigstens mehr wert, als gar nichts zu tun? Oder sollte man lieber gleich ganz darauf verzichten, seinen Namen auf solche Unterschriftenlisten zu setzen um wenigstens konsequent gegenüber sich selber zu bleiben? Natürlich kann man sich fragen, ob ein Klick im Internet oder eine Unterschrift auf Papier das Engagement in der Offline-Welt ersetzt. Jen Dulski, CEO von change.org antwortet darauf im Gespräch mit der NZZ: «Unser Ziel ist, Engagement zu erleichtern und ein Bewusstsein für Probleme zu schaffen. Natürlich kann eine Petition oftmals nur ein Anfang sein.»

Manchmal ist dieser Startschuss genau das, was es braucht, um etwas Grosses ins Rollen zu bringen. Einerseits werden Mitmenschen und Interessierte mobilisiert und informiert, was ohne solche Petitionen niemals in einem solchen Ausmass möglich wäre. Bei einem genug polarisierenden Thema kommen dann doch eine ganze Menge Unterschriften zusammen. Somit steigt auch der Druck auf Politiker und Verantwortliche, welche bestenfalls tatsächlich eine Reaktion auf die Petition zeigen. Wie wirkungsvoll ihr Handeln dann wirklich ist, bleibt manchmal etwas umstritten. Doch es können durchaus auch Erfolge erzielt werden. So erklärt change.org, dass auf ihrer Seite beinahe stündlich eine ihrer Petitionen zum Erfolg führt: 15’067 bisher.

Dies gilt neben den Petitionen ebenfalls für Schweizer Volksinitiativen und Referenden. Obwohl auch dort viele Unterschriften-Aktionen nicht zum Ziel führen, gab es in den vergangenen Jahren erfolgreiche Durchbrüche wie zum Beispiel die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», welche 2005 angenommen wurde oder jene «zum Schutze des Alpengebietes vor dem Transitverkehr» von 1994. Dies wäre nicht möglich gewesen, hätten nicht genug Leute ihre Unterstützung durch «nur» eine Unterschrift kundgetan. Mit dem eigenen Namen für eine Überzeugung einzustehen, lohnt sich also definitiv.

Hintergrundwissen Schweizer Unterschriftenlisten:

Volksinitiativen

Volksinitiativen gehen nicht von der Regierung aus, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern. Stimmberechtigte können einen Volksentscheid über eine von ihnen gewünschte Änderung der Bundesverfassung verlangen. Damit eine Initiative zustande kommt, braucht es innert einer Sammelfrist von 18 Monaten die Unterschriften von 100 000 Stimmberechtigten. Die Volksinitiative kann als allgemeine Anregung oder als fertig ausgearbeiteter Text formuliert sein , dessen Wortlaut Parlament und Bundesrat nicht mehr verändern können.

Fakultatives Referendum

Die meisten Gesetze und Vorlagen, die das Schweizer Parlament beschliesst, treten oppositionslos in Kraft. Wenn Sie aber gegen einen Erlass sind, können Sie Widerstand leisten und das Referendum dagegen ergreifen. Man spricht von «fakultativem Referendum», weil die Möglichkeit, ein Referendum zu ergreifen, zwar besteht, aber nicht immer genutzt wird. Kommt das Referendum zustande, so wird das betreffende Gesetz – oder ein anderer von der Verfassung vorgesehener Erlass – dem Volk zur Abstimmung unterbreitet. Der betreffende Erlass tritt dennoch in Kraft, wenn das Referendum abgelehnt wird. Für die Ablehnung reicht das Volksmehr (einfaches Mehr).

Obligatorisches Referendum

Gewisse Erlasse des Parlaments, insbesondere Änderungen der Bundesverfassung, müssen zwingend dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden. Man nennt dies «obligatorisches Referendum». Für die Annahme einer Verfassungsänderung braucht es das Mehr von Volk und Ständen (doppeltes Mehr).

Petitionen

Alle urteilsfähigen Personen – also nicht allein Stimmberechtigte – haben das Recht, schriftlich Bitten und Anregungen an Behörden zu richten. Eine Petition kann an fast alle politischen Organe gerichtet werden: Kantonsregierungen, Bundesrat, Parlamente. Gegenstand der Eingabe kann jede staatliche Tätigkeit sein. Die Behörden sind verpflichtet, solche Petitionen zur Kenntnis zu nehmen; eine Antwort darauf ist allerdings nicht vorgeschrieben, doch wird in der Praxis jede Petition behandelt und beantwortet.

Quelle: Schweizerische Eidgenossenschaft

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