Wie ist der Zustand der Biotope von nationaler Bedeutung? Wie entwickeln sie sich über die Zeit? Hat sich ihre Qualität verändert? Diese Fragen beantwortet die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz. Vegetationsaufnahmen und Luftbildanalysen sind dabei eine wichtige Grundlage, um Veränderungen aufzuzeigen.
Der Originalartikel wurde in der botanischen Zeitschrift «FloraCH» (Ausgabe Nr. 9, 2019) von Info Flora veröffentlicht. Ein Artikel der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).
Wie steht es um den Mittleren Wasserschlauch (Utricularia intermedia), den Mittleren Sonnentau (Drosera intermedia), das Sumpf-Goldschlafmoos (Campyliadelphus elodes) und das Zierliche Wollgras (Eriophorum gracile) in Schweizer Mooren? Oder den Hanf-Würger (Orobanche ramosa), das Stachelige Kammgras (Cynosurus echinatus), das Krause Milchkraut (Leontodon crispus), die Klebrige Miere (Minuartia viscosa), das Fiederblättrige Veilchen (Viola pinnata) und den Niederliegenden Ehrenpreis (Veronica prostrata) in Steppen und Trockenwiesen? Konnte die Verbuschung von Mooren und Trockenwiesen gebremst werden? Werden Auen wieder dynamischer? In welchen Objekten von nationaler Bedeutung besteht akuter Handlungsbedarf für Massnahmen? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigt sich die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz.
Um wertvolle Lebensräume und die Artenvielfalt zu bewahren, hat die Schweiz seit Beginn der 1990er-Jahre rund 7000 Objekte von nationaler Bedeutung ausgewiesen. Dazu zählen Hoch- und Übergangsmoore, Flachmoore, Trockenwiesen und -weiden, Auen (inklusive alpine Schwemmebenen und Gletschervorfelder) und Amphibienlaichgebiete. Die Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz – ein 2011 vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL gestartetes Monitoringprogramm – untersucht mittels verschiedener Methoden, darunter Vegetationsaufnahmen und Luftbildanalysen, ob sich die Biotope von nationaler Bedeutung gemäss ihren Schutzzielen entwickeln und in ihrer Qualität erhalten bleiben. Es gilt negative Entwicklungen auf nationaler und regionaler Ebene möglichst früh zu erkennen und Gegenmassnahmen einzuleiten. Bewirtschaftungen oder Massnahmen, die zu positiven Entwicklungen geführt haben, lassen sich hingegen als Best-Practice-Beispiele auf andere Objekte mit Massnahmenbedarf übertragen.
Der Vergleich von Luftbildern sämtlicher Objekte von nationaler Bedeutung aus den 1990er-Jahren mit aktuellen Luftbildern zeigt neben gewissen positiven Entwicklungen, wie Dynamik in Flussauen auf der Alpennordflanke und verringerte Verbuschung in Mooren des Mittellands, auch weiterhin negative Veränderungen: Insbesondere in Bergregionen verbuschen Moore sowie Trockenwiesen infolge Nutzungsaufgabe oder noch immer intakter Entwässerungen. Solche Veränderungen werden mithilfe eines Online-Früherkennungssystems dem BAFU und den Kantonen mitgeteilt.
Neben Luftbildanalysen spielen Vegetationsaufnahmen eine zentrale Rolle. Haben Sie sich auf einem Spaziergang in den Sommermonaten schon einmal gewundert, wer da aus dem Schilfgürtel herausstapft oder in Naturschutzgebieten, umgeben von einer Vielzahl von Utensilien, suchend am Boden hockt – obwohl ein Schild darauf aufmerksam macht, dass das Betreten verboten ist? Dies wäre gut möglich, da von Mai bis August etwa 15 Botanikerinnen und Botaniker der Wirkungskontrolle Biotopschutz Schweiz in rund 800 Biotopen von nationaler Bedeutung in verschiedenen Höhenlagen und mit unterschiedlichen Vegetationstypen Gefässpflanzen (in Mooren auch Moose) auf jährlich etwa 1200 Daueruntersuchungsflächen erfassen. So können später der Zustand und die Entwicklung der Vegetation beurteilt werden. In Mooren und Trockenwiesen lassen sich bereits erste Trends erkennen.
Obwohl die Biotope von nationaler Bedeutung der Schweiz – im Vergleich zum Grossteil der Landschaft – relativ gut geschützt sind, nimmt die Lebensraumqualität weiter ab. In Mooren zeigte die Artenzusammensetzung der Vegetation eine Veränderung in Richtung trockenerer und schattigerer Bedingungen an. Vordringlichste Ziele in Mooren sollten also die Wiederherstellung des Wasserhaushalts durch Schliessen noch aktiver Entwässerungssysteme und die Entbuschung sein. In Trockenwiesen wurde die Vegetation in rund einem Jahrzehnt dichter und es wanderten Nährstoffe und Feuchtigkeit anzeigende Arten ein. Die Veränderungen der anhand der Artenzusammensetzung errechneten Nährstoff- und Feuchtigkeitswerte waren jedoch ausgeprägter in hohen als in tiefen Lagen, womöglich wegen Nutzungsaufgabe an hohen Standorten.
In beiden Biotopen ist eine Umkehr dieser Trends anzustreben. Sowohl Moore als auch Trockenwiesen beherbergen eine Vielzahl von seltenen, spezialisierten Arten (Habitat- spezialisten), die langsam verschwinden werden, wenn es nicht gelingt, diese Trends umzukehren.