Plastik ist überall. Kleinste Partikel scheinen bis in unsere Zellen vorzudringen. Der Forschungsbedarf ist riesig. Für Datenvergleich und Langzeitstudien fehlt es aber an standardisierten Methoden.
Originalartikel von Taladriz-Blanco, P. erschienen in OEKOSKOP, Fachzeitschrift der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AefU), 3/24, 15–18. Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Moritz Friedrich Häffner.
Kontakt: patricia.taladrizblanco@unifr.ch, www.ami.swiss
Die Begriffe Plastik und Polymere werden oft synonym verwendet, obwohl sie unterschiedliche Konzepte in der Materialwissenschaft und -technik beschreiben. Beide spielen zwar gleichermassen eine wichtige Rolle als alltäglichen Werkstoffe, dennoch ist eine klare Unterscheidung notwendig, um ihre Bedeutung vollständig zu verstehen. Dies ist besonders wichtig, wenn es um Umwelt- und Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Mikro- und Nanoplastik geht.
Definition des Unterschieds
Polymere sind grosse Moleküle (Makromoleküle), die sich aus wiederholenden Untereinheiten, den sogenannten Monomeren, zusammensetzen. Diese können entweder natürlich vorkommen oder synthetisch hergestellt sein. Die Grösse der Polymere kann von nur wenigen Monomeren bis hin zu hunderten oder gar tausenden variieren.
Plastik ist dabei eine spezifische Kategorie von Polymeren, mit der besonderen Eigenschaft, sich unter Anwendung von Hitze und Druck zu verformen. Zudem zeichnet sich Plastik dadurch aus, dass durch Beimischung von verschiedenen Zusatzstoffen, bestimmte Eigenschaften beeinflusst werden. Dadurch ist Plastik besonders vielseitig einsetzbar. Zu diesen Zusatzstoffen gehören Weichmacher, Stabilisatoren, Füll- und Farbstoffe, die zur Flexibilität und Haltbarkeit des Materials beitragen. Heutzutage ist Plastik in fast allen Lebensbereichen allgegenwärtig und wird für Verpackungen, Haushaltsgegenstände und bis hin für medizinische Geräte sowie Autoteile verwendet.1 Allerdings hat die weit verbreitete Nutzung von Plastik vor allem in den letzten Jahren zu wachsender Besorgnis hinsichtlich Umweltverschmutzung geführt, insbesondere im Zusammenhang mit Mikro- und Nanoplastik.
Grössenabhängig Klassifizierung
Die Klassifizierung von Plastikpartikeln anhand ihrer Grösse ist ein entscheidender Aspekt für das Verständnis ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Trotz anhaltendem Diskurs innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft hat sich ein allgemeiner Konsens über die Definitionen von Mikro- und Nanoplastik gebildet. Mikroplastik wird in der Regel als Plastikpartikel definiert, welche kleiner als 5 Millimeter (mm) und grösser als 1 Mikrometer (μm) sind. Innerhalb dieser Kategorie wird Mikroplastik weiter unterteilt in grosses Mikroplastik, d. h. Partikel mit einer Grösse von 5 mm bis 100 μm und kleines Mikroplastik, d. h. Partikel mit einer Grösse von 100 bis 1 μm. Nanoplastik wiederum ist definiert als Plastikpartikel, welche kleiner als 1 μm ist.
Diese sehr kleinen Nanoplastikpartikel stehen besonders im Fokus, da sie im Verdacht stehen, biologische Barrieren zu durchdringen und somit in Zellen eindringen zu können. Die Quellen von Mikro- und Nanoplastik sind vielfältig. Sie können primär sein, d. h. sie werden absichtlich in dieser Grösse hergestellt (z. B. Mikroperlen in Kosmetika) oder sekundär, d. h. sie entstehen bei der Zersetzung grösserer Plastikteile durch Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung oder Prozesse wie mechanischer Abrieb und biologische Zersetzung.2
Exposition des Menschen
Die Exposition des Menschen gegenüber Mikro- und Nanoplastik ist ein vielschichtiges Problem. Es gibt mehrere Wege, über welche diese Partikel in den Körper gelangen können. Mikro- und Nanoplastik können Lebensmittel und Wasserquellen verunreinigen, wodurch sie leicht aufgenommen werden. In verschiedenen Studien wurde Mikroplastik in einer Reihe von Lebensmitteln nachgewiesen, darunter Meeresfrüchte, Salz, Honig sowie in Trinkwasser. Des Weiteren gibt es Hinweise, dass in der Luft befindliches Mikro- und Nanoplastik eingeatmet werden kann. Und trotz der allgemein wirksamen Hautbarriere scheint Mikro- und Nanoplastik unter bestimmten Bedingungen die Haut durchdringen zu können. Diese potenziellen Expositionswege sind bisher wenig erforscht und es sind weitere Studien erforderlich. Etwa um festzustellen, inwieweit die Absorption über die Haut zur Gesamtexposition gegenüber Plastikpartikeln beiträgt.3
Herausfordernde Bewertung des potenziellen Toxizität
Die genaue Bewertung der mit Mikro- und Nanokunststoffen verbundenen Gesundheitsrisiken ist eine komplexe Aufgabe. Sie wird durch mehrere wissenschaftliche und technische Herausforderungen beeinflusst. So ist der Nachweis und die Quantifizierung von Mikro- und Nanoplastik in Umwelt- und biologischen Proben aufgrund ihrer geringen Grösse und der enormen Vielfalt von Plastikarten schwierig. Darüber hinaus ist die Unterscheidung von Mikro- und Nanoplastik von anderen natürlichen organischen Stoffen aufgrund ihrer ähnlichen chemischen Zusammensetzung und physikalischen Eigenschaften eine Herausforderung. Ausserdem sind Mikro- und Nanoplastik sehr polydispers, d. h. sie variieren stark in Grösse, Form und chemischer Struktur. Diese Heterogenität erschwert ihre Charakterisierung und die Interpretation von Toxizitätsdaten.
Die Entwicklung standardisierter Methoden zur Probenentnahme von Mikro- und Nanoplastik aus verschiedenen Umgebungen, einschliesslich Wasser, Luft, Boden und biologischen Proben, ist daher eine wichtige Aufgabe.
Zu diesen Umgebungen gehören vor allem Süsswasser, Meerwasser, Atmosphäre und terrestrische Systeme. Aktuelle Methoden leiden häufig unter Kontaminationsproblemen und erfassen möglicherweise nicht die gesamte Grössenverteilung der vorhandenen Partikel. Die in der Umwelt zu erwartenden Konzentrationen von Mikro- und Nanokunststoffen reichen von Milligramm pro Liter (mg/l) bis zu Nanogramm pro Liter (ng/l).
Es fehlt jedoch an Methoden mit erforderlicher Empfindlichkeit, um diese niedrigen Konzentrationen genau zu bestimmen. Zudem enthalten Kunststoffe eine Vielzahl von Zusatzstoffen, darunter Weichmacher, Flammschutzmittel und Pigmente, die mit der Zeit austreten und zur Toxizität des Materials beitragen können. Die Bewertung der gesundheitlichen Auswirkungen dieser Zusatzstoffe ist ein weiterer komplexer Aspekt. Darüber hinaus können Alterungsprozesse in der Umwelt, wie beispielsweise UV-Zersetzung und Oxidation, die chemische Zusammensetzung von Kunststoffen verändern, was sich ebenfalls auf ihre Toxizität auswirken könnte.4
Aktueller Diskurs in der Mikro- und Nanoplastikforschung
Die wissenschaftliche Gemeinschaft diskutiert weiterhin über mögliche gesundheitliche Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik. Eine der drängendsten Fragen ist, ob Mikro- und Nanoplastik aus dem Magen-Darm-Trakt oder der Lunge in andere Organe gelangen und so im Körper akkumuliert werden könnten. Die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen einer chronischen Exposition gegenüber Mikro- und Nanoplastik sind noch weitgehend unbekannt. Studien zur akuten Toxizität geben zwar einen gewissen Einblick, erfassen aber oft nicht die unscheinbaren, langfristigen Auswirkungen, die sich aus einer geringen, aber chronischen Exposition ergeben könnten.
Zudem wächst die Besorgnis, dass Mikro- und Nanoplastik toxische Wirkungen auf zellulärer Ebene haben könnten. Denn es gibt Hinweise, dass sie Immunreaktionen, Entzündungen und möglicherweise sogar allergische Reaktionen auslösen könnten. Die spezifischen Mechanismen, die dem zugrunde liegen, sind jedoch nur unzureichend bekannt. Es braucht weitere Forschung, um die beteiligten Stoffwechselvorgänge im Detail zu verstehen. Die geringe Datengrundlage und der Mangel an langfristigen epidemiologischen Studien erschweren somit die Festlegung sicherer Expositionswerte für Mikro- und Nanoplastik. Dies ist auch der Grund, warum die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen noch keine spezifischen Grenzwerte für die Exposition gegenüber Mikro- und Nanoplastik enthalten. Das unterstreicht den Bedarf an weiterer Forschung für die politische Entscheidungsfindung.
Bedarf and standardisierten Methoden
Die primären Expositionswege von Mikro- und Nanoplastik für den Menschen, sei es durch Nahrungsaufnahme, Inhalation oder dermale Absorption, sind noch nicht im Detail verstanden. Wichtig wäre ebenfalls die Bestimmung der relativen Beiträge der verschiedenen Expositionswege an die Gesamtexposition. Zu untersuchen ist auch, inwieweit Mikro- und Nanoplastik das Potenzial haben, genetische Mutationen oder Krebs zu verursachen. Um diese Fragen zu beantworten, wird es vor allem Langzeitstudien brauchen.
Als erster Schritt dafür gilt es, standardisierte und leicht zugängliche Methoden für die Detektion und Quantifizierung von Mikro- und Nanoplastik zu etablieren. Dies umfasst sowohl die Probennahme, verbesserte Analysemethoden und die Herstellung von Referenzproben. Dadurch können Studien wesentlich einfacher miteinander verglichen und gleichzeitig die menschliche Mikro- und Nanoplastikexposition genauer bestimmt werden. Darüber hinaus sollten sich Richtlinien auf die Reduzierung von Plastikmüll, die Verbesserung des Plastikrecyclings und die Entwicklung von Techniken zur Entfernung von Plastikmüll aus der Umwelt — einschliesslich Mikro- und Nanoplastik — konzentrieren.5
Aktuelle Bedenken und zukünftige Forschung
Die weitverbreitete Präsenz von Mikro- und Nanoplastik in der Umwelt und im menschlichen Körper ist ein wachsendes Problem mit potenziellen Auswirkungen auf Ökosysteme, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Es sind jedoch noch erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die Nachweismethoden zu verbessern, potenzielle gesundheitliche Auswirkungen zu verstehen und die vielen wissenschaftlichen Unsicherheiten in diesem Bereich zu klären. Um die Erkennung und Quantifizierung von Mikro- und Nanoplastik zu verbessern, braucht es vor allem Fortschritte bei analytischen Techniken. Dazu gehört die Entwicklung von Methoden mit höherer Sensitivität und Spezifität sowie die Weiterentwicklung bestehender Instrumente, um Grösse, Form und chemische Zusammensetzung dieser Partikel besser charakterisieren zu können.
Weitere Forschung ist erforderlich, um die toxikologischen Mechanismen aufzuklären, die den potenziellen gesundheitlichen Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastikmzugrunde liegen. Dazu gehört die Untersuchung, wie diese Partikel auf molekularer und zellulärer Ebene mit biologischen Systemen interagieren, sowie die Untersuchung potenzieller Bioakkumulation und langfristige Auswirkungen bei chronischer Exposition. Weiterhin ist es wichtig hervorzuheben, dass hinsichtlich der Quellen, des Lebenszyklus und den Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik noch erhebliche Wissenslücken bestehen. Künftige Forschung sollten sich darauf konzentrieren, die Umweltpfade dieser Partikel zu verstehen, wichtige Expositionsquellen zu ermitteln und ihre Konzentrationen in verschiedenen Umweltbereichen zu quantifizieren.
Wissensbedarf bei Umweltpfad und Wechselwirkungen
Darüber hinaus ist Forschung erforderlich, um die Wirksamkeit aktueller Plastikvermeidungsstrategien zu bewerten und neue Ansätze zur Reduzierung der Mikro- und Nanoplastikverschmutzung zu entwickeln. Schliesslich bestehen trotz der zunehmenden Forschung zu Mikro- und Nanoplastik weiterhin viele wissenschaftliche Unsicherheiten. Daher sind erhebliche Investitionen in die Forschung erforderlich, um die Quellen, den Verbleib und die Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik zu verstehen. Dazu gehört die Untersuchung der Umweltpfade, über die diese Partikel entstehen, transportiert und abgelagert werden, sowie die Untersuchung ihrer Wechselwirkungen mit anderen Schadstoffen wie Schwermetallen und organischen Schadstoffen. Nicht zuletzt sollte sich die Forschung auf das Verständnis der toxikologischen Mechanismen konzentrieren, die durch Mikro- und Nanoplastik verursacht werden könnten, sowie auf die Identifizierung von Biomarkern spezifisch für Plastikexposition.
Übersetzung: Moritz Friedrich Häffner
Über die Autorin
Dr. Patricia Taladriz-Blanco ist Chemikerin und Gruppenleiterin am Adolphe Merkle Institute der Université de Fribourg. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Analysestrategien zum Nachweis von Mikro- und Nanoplastik.
patricia.taladrizblanco@unifr.ch, www.ami.swiss
Anmerkungen:
1ISO/TR 21960:2020. Plastics – Environmental aspects – State of knowledge and methodologies; IUPAC. Compendium of Chemical Terminology, 2nd ed. (the «Gold Book»); Science for Environment Policy (2023) Nanoplastics.
2Science for Environment Policy (2023) Nanoplastics.
3Environmental Science and Technology, 2019, 53, 1748; NanoImpact, 2023, 29, 100441.
4Chemosphere, 2022, 293, 133514; Chemical Reviews, 2021, 121, 11886; Analytical and Bioanalytical Chemistry, 2023, 415, 3007.
5NanoImpact, 2023, 29, 100441.