StartHintergrundWissenWarum tut denn niemand etwas gegen den Klimawandel?

Warum tut denn niemand etwas gegen den Klimawandel?

Der Klimawandel ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Doch oftmals überwiegt ein Gefühl der Machtlosigkeit. Es fühlt sich an, als wäre die Hoffnung sowieso schon verloren und jede Mühe umsonst. Wie können wir aus dieser Spirale ausbrechen und endlich vorwärts kommen?

Vor gut einem Jahr habe ich einen Vortrag der kanadischen Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe besucht. «Using Data to Change People’s Minds on Climate Change» war der Titel des Vortrags. Zu Deutsch: «Daten nutzen, um die Meinung von Menschen zum Klimawandel zu ändern». Doch der Inhalt war eigentlich ein ganz anderer: Es ging darum, warum es eben genau nicht sinnvoll ist, Menschen mit immer mehr Fakten zum Klimawandel zu bombardieren. Denn die Fakten, die sind den meisten bekannt. Und diese Fakten machen uns Angst, was sich oft in drei Verhaltensmustern zeigt: Hysterie, Schockstarre oder Leugnen.

Der Vortrag hat mich angestossen, mich tiefer mit dem Thema der Umweltpsychologie auseinanderzusetzen. Ich wollte verstehen, weshalb so viele Menschen scheinbar untätig bleiben können, während rund um uns die Welt unterzugehen scheint. Und wie wir sie motivieren können, aktiv zu werden und anders zu handeln. Doch auch für Menschen, denen die potenziell desaströsen Auswirkungen des Klimawandels bewusst sind, kann ein Einblick in die Umweltpsychologie hilfreich sein. Um eben nicht in eine Hysterie oder eine Schockstarre zu verfallen, sondern lösungsorientiert zu handeln.

Die Macht der Hoffnung

Katharine Hayhoe schreibt in ihrem Blog «We will not act if we feel like we have already lost» (wir werden nicht handeln, wenn wir denken, dass wir bereits verloren haben). Die Fakten über den Klimawandel und seine Auswirkungen werden bereits seit dem 19ten Jahrhundert kommuniziert, als Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und der Erdtemperatur berechneten. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in allen Ländern über den Klimawandel besorgt ist und sich mehr Massnahmen zur Bekämpfung wünscht. Doch weil wir nicht darüber sprechen, gehen wir davon aus, dass wir allein sind mit unseren Gefühlen und es allen anderen egal ist. Denn wir tendieren dazu, nicht über Dinge zu sprechen, die uns Sorgen oder Angst machen, speziell dann, wenn wir davon ausgehen, dass man sowieso nichts dagegen tun kann.

Tatsächlich zeigt psychologische Forschung, dass wir eher handeln, wenn wir dadurch etwas Positives erreichen, anstatt etwas Negatives vermeiden können. Vermittelt werden müssen positive Emotionen wie Hoffnung, anstatt in der Angst zu verharren. Doch wie kann diese Hoffnung aussehen?

Ein Blick zurück ist richtig und wichtig

Ein Ansatz ist es, den Fokus eher auf bereits erreichte Erfolge und mögliche Lösungen zu legen. Medien tendieren dazu, eher über Negatives zu berichten, da dies zu mehr Klicks führt. Das kann den Eindruck vermitteln, dass der Klimawandel ein unlösbares Problem ist und alles sowieso schon verloren ist. Dabei zeigt die Realität, dass wir bereits Fortschritte gemacht haben. Denn manchmal hilft es, den Blick nicht nur nach vorne, sondern auch nach hinten zu richten, um zu sehen, wo wir hergekommen sind.

Vor dem Pariser Klimaabkommen in 2015 waren wir auf dem besten Weg, am Ende des Jahrhunderts eine Erderwärmung von 4-5°C zu erreichen. Dank bereits umgesetzter Massnahmen sind wir mittlerweile auf dem Kurs zu 3°C. Das ist nicht genug, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Konkrete Lösungsansätze kommunizieren

Um Handeln zu fördern, ist es wichtig, konkrete, machbare Schritte zu kommunizieren. Zu denken, dass eine Einzelperson sowieso nichts ändern kann, ist eine gefährliche Falle, denn so hätte sich nie etwas auf der Welt geändert. Oder war es ein Präsident oder ein CEO der beschlossen hat, Sklaverei abzuschaffen oder Frauen das Wahlrecht zu erteilen? Nein, es war die Masse von vielen «normalen» Menschen, die Veränderung herbeigeführt hat. Der IPCC Bericht von 2018 sagt treffend: «Jede Handlung zählt. Jedes bisschen Erwärmung zählt. Jedes Jahr zählt. Jede Entscheidung zählt.» Denn wir sind die grösste Unsicherheit in jedem Klimaszenario.

Wir wissen, dass jedes bisschen CO2 in der Atmosphäre die Erde zusätzlich erwärmt. Ergo zählt auch jedes bisschen CO2, welches wir nicht in die Atmosphäre emittieren. Zweimal pro Woche kein Fleisch essen? Mit dem Zug anstatt dem Flieger nach London? Dabei helfen, eine neue Grünfläche im Quartier einzurichten? Alles zählt.

Vorsicht vor der Kompensationsfalle

Natürlich ist am Schluss auch ein systematisches Umdenken wichtig. Umweltfreundliche Optionen müssen die einfachste und günstigste Variante werden. So kann es helfen, wenn Speisekarten die vegetarischen Optionen zuerst führen oder wenn Fahrradfahren in Städten einfacher und schneller ist als das Autofahren. Trotzdem ist es wichtig, dass man selbst nicht in sogenannte «Kompensationsfallen» verfällt: «Weil ich kein Fleisch esse, kann ich ja übers Wochenende wegfliegen». Solche Argumente beruhigen das eigene Gewissen, tragen jedoch nicht zur Lösung bei.

Oft werden wir mit der Tatsache konfrontiert, dass wir das 1.5°C-Ziel höchstwahrscheinlich nicht erreichen werden. Dabei ist es wichtig im Kopf zu behalten, dass dies eine mehr oder weniger willkürlich gewählte Zahl ist. Jedes Zehntel Grad Erwärmung, das wir nicht erreichen, ist wichtig und lebensnotwendig für Millionen von Menschen. Es ist noch nicht zu spät, um Massnahmen zu ergreifen. Wenn wir gestern nicht angefangen haben zu handeln, dann ist heute der nächstbeste Zeitpunkt dazu.

Den Vortrag von Katharine Hayhoe zum nachschauen:
www.video.ethz.ch/events/2023/speed2zero.html

Weitere Informationen:
www.ourworldindata.org/climate-change-support
www.klimafakten.de/kommunikation/warum-unser-gehirn-darauf-programmiert-ist-den-klimawandel-zu-ignorieren
www.gogreen.ch/de/klimaangst-3-tipps-gegen-die-innere-laehmung/
www.srf.ch/wissen/nachhaltigkeit/umweltpsychologie-warum-wir-die-klimaerwaermung-verstehen-aber-trotzdem-nichts-tun

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte Kommentar eintragen
Bitte geben Sie ihren Namen hier ein

Newsletter Anmeldung

Erhalten Sie die neusten Jobs und News.

Dank Ihrer Hilfe können wir spannende Artikel aufbereiten, den Veranstaltungskalender pflegen und die Job-Platform betreuen.

TOP-NEWS