StartHintergrundWissenVon welchen Tieren ernährt sich der Igel?

Von welchen Tieren ernährt sich der Igel?

Im vergangenen heissen und trockenen Sommer las man immer wieder, dass man die Igel zufüttern müsse, weil sie keine Nahrung fänden. Jemand erklärte das auch: Man sähe überhaupt keine Regenwürmer und Schnecken!

Artikel von Pro Igel e.V. und M. Neumeier aus: Igel-Bulletin Ausg. 60/2018

Um es vorweg zu nehmen: In jedem Sommer spielen diese beiden Weichtierarten bei der Igelnahrung nur eine unbedeutende Rolle. Sie werden nämlich vorwiegend im Frühjahr und im Herbst verzehrt. Aus dem Diagramm „Anteil jedes Nahrungstyps der täglichen Energieaufnahme im Durchschnitt jedes Monats“ (siehe Abbildung unten), das der Dissertation von A.J. Wroot (1984) entnommen ist, geht hervor, wann welche Nahrungstiere für die Igel zur Verfügung stehen. Diese Forschungsarbeit stammt aus Grossbritannien, wo das Klima durch die Insellage und den Golfstrom geprägt ist. Die Winter sind im Allgemeinen wärmer als in Deutschland und bieten daher einen etwas höheren Anteil an Nahrungstieren als bei uns.

Die Nahrungstiere des Igels
Anteil jedes Nahrungstyps der täglichen Energieaufnahme im Durchschnitt jedes Monats © Wort, Andrew Jeremy; Feeding Ecology of the European Hedgehog, London, Univ., Disk., 1984

Beschäftigt man sich näher mit den Nahrungstieren der Igel, entdeckt man schnell, dass diese ihren eigenen biologischen Rhythmus und ihre speziellen Bedürfnisse haben. Im Sommer finden – und fressen – Igel in Deutschland vorwiegend Käfer (Coleoptera), wobei die Hauptbeute die am häufigsten vorkommenden Laufkäfer (Carabidae) sind. Diese und weitere Beutetiere, die Forscher in den Mägen überfahrener Igel fanden, sind im Diagramm „Nahrungstiere des Igels“ aufgeführt. Nicht berücksichtigt sind Fliegen, Schnakenlarven, Spinnen, Heuschrecken, Ameisen, Käferlarven, Asseln, Wespen und Bienen, wobei letztere meist nur in totem Zustand gefressen werden. Da Igel nachtaktiv sind, verwundert es nicht, dass die meisten ihrer Beutetiere den gleichen Biorhythmus haben.

Wie sind nun die so wichtigen Käfer über den letzten Sommer gekommen? Käfer, viele weitere Insekten und Weichtiere sind „wechselwarm“ (poikilotherm), d.h. ihre Körpertemperatur hängt von der jeweiligen Umgebungstemperatur ab. Sie brauchen die Wärme ihrer Umgebung, damit sie überhaupt in Schwung kommen. Die „Betriebstemperatur“, wissenschaftlich „Vorzugstemperatur“ genannt, zeigt bei vielen Insekten einen relativ hohen Wert von 25 – 40°C. Konrad Herter, der uns vor allem als Igel-Wissenschaftler bekannt ist, publizierte auch über den „Temperatursinn“ der Insekten bzw. der Tiere (1953 bzw. 1962). In letzterem Buch ist auch Carabus granulatus aufgeführt, einer der Laufkäfer, die oft von Igeln verspeist werden. Dieser Käfer hat eine Vorzugstemperatur von ca. 30°C. Die nächtlichen Durchschnittstemperaturen in diesem Sommer waren ihm – wie vielen seiner Artgenossen – sehr angenehm!

Tabelle Nahrungstiere
Tabelle: Nahrungstiere der Igel (nach Wroot 1984) © M. Neumeier

Dazu ein Beispiel:

In Köln-Stammheim wurden von „wetterkontor.de“ in den acht Wochen vom 30.06. bis zum 24.08.2018 im Durchschnitt eine nächtliche Tiefsttemperatur von 16,61°C (11,4 – 22,5°C) und eine Höchsttemperatur am Tag von 29,26°C (19,2 – 38,2 °C) gemessen. Dass der heiße Sommer vielen Insekten willkommen war, zeigen auch diverse Zeitungsmeldungen: So schreibt der „Weserkurier“ am 04.08.2018: „Wespen und Heuschrecken vermehren sich in einem heissen Sommer wie diesem stärker, auch Nachtfalter und Libellen sind jetzt viel zu sehen.“ Die „Frankfurter Allgemeine“ meldet am 11.08.2018: „Den Wespen geht es dieses Jahr gut…“. Die „Neue Westfälische“ titelt am 31.07.2018: „Warmes Wetter sorgt für viele Insekten“ und bemerkt dazu: „Viele Krabbeltiere lieben die trockene Hitze. Weil die Temperaturen ideale Brutbedingungen liefern, gibt es in diesem Jahr besonders viele Tiere“, und der Biologe Philipp Unterweger urteilt: „Die Überlebensrate des Insekten-Nachwuchses ist viel höher als gewöhnlich“, – wovon leider auch die Borkenkäfer profitierten, die statt einer Generation in diesem Jahr drei bis vier Käfer-Generationen hervorbrachten, wie die „Schwäbische Zeitung“ berichtete.

Laufkäfer
Blauvioletter Waldlaufkäfer © Tortuosa [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Müssen Käfer auch trinken? Diese riesige Familie innerhalb des Insektenreichs ernährt sich ganz unterschiedlich. Laufkäfer z.B. sind räuberisch, sie fressen andere Insekten, aber auch Würmer, Schnecken, Raupen. Etliche Arten können das Wasser zur Deckung ihres Feuchtigkeitsbedarfs aus ihrer Nahrung entnehmen, andere wiederum können fliegen und so eine Wasserstelle finden. Weitere Käferarten leben von teils frischen, teils verrottenden Pflanzen, von Totholz, Aas oder Kot, die ebenfalls wasserhaltig sind. Selbst Käfer, die in Wüsten leben, können ihren Flüssigkeitsbedarf stillen, indem sie z.B. Kondenswasser an den Füssen auffangen.

„Sommerhitze lässt Wasserverbrauch kräftig steigen“ titelte am 26.07.2018 z.B. die Westdeutsche Zeitung, und teilt weiter mit: „An durchschnittlichen Sommertagen liegt der Pro-Kopf-Verbrauch bei rund 150 Litern, derzeit sind es bis zu 200 Liter“. Das Plus von 50 Litern wurde sicherlich nicht nur getrunken oder zum Duschen verwendet, sondern auch, um Balkonpflanzen oder den Garten zu bewässern. Die Städtischen Bauhöfe oder Stadtgärtnereien sorgten sich ebenfalls um Bäume und Blumenschmuck, und schickten entsprechende Fahrzeuge los. Diese Wassergaben kamen natürlich auch vielen Insekten zugute.

Warum berichten dann aber Igelstationen von besonders vielen Funden verwaister Igelsäuglinge oder Jungigel in diesem Sommer und Herbst? An der Nahrung für die Igelmütter kann es nicht gelegen haben, vielleicht aber am Wassermangel. Dieser könnte evtl. zur Folge gehabt haben, dass einige Stoffwechselprozesse über einen längeren Zeitraum nicht richtig ablaufen konnten und die Tiere deshalb besonders geschwächt waren. Auch wenn Igel tagelang ohne Wasser auskommen können, so sind sie doch von offenen Wasserstellen in ihren Lebensräumen abhängig.

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