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Ohne Mücke keine Schokolade

Fliegen als Detektive, Ratten als Mediziner und Mücken als Schokoladeproduzenten? Ja, auch diese bei uns eher unbeliebten Tiere tragen auf vielleicht überraschende Art und Weise zu unseren Leben bei. Wir werfen einen Blick auf die faszinierenden Funktionen dieser sogenannten «Plagegeister».

«Biodiversität, ja, aber Mücken braucht doch jetzt wirklich niemand.» Solche Gedanken sind Ihnen wahrscheinlich auch schon einmal durch den Kopf gegangen, als Sie sich nachts kratzten, während eine Mücke mit nervigem «bzzzz» um Ihren Kopf schwirrte. Ich gebe zu, auch ich habe mich schon mehrmals bei solchen Gedanken erwischt. Natürlich ist mir bewusst, dass jedes Insekt seinen Platz in der Nahrungskette hat und ein plötzliches Sterben aller Mücken gravierende ökologische Folgen mit sich ziehen würde. Und doch kommt die Frage nach dem Nutzen dieser Insekten immer wieder auf.

Wenn es um Tiere wie Mücken, Ratten oder Stubenfliegen geht, neigen wir schnell dazu, sie als lästig oder nutzlos zu bezeichnen. Doch in Wahrheit erfüllen auch diese Lebewesen wichtige ökologische und auch wissenschaftliche Funktionen — neben ihrer offensichtlich bedeutenden Funktion in der Nahrungskette. Mit Schokolade überzogene Erdbeeren? Nicht ohne Mücken und Fliegen.

Mücken: Winzige Helfer auf der Kakaoplantage

Es ist fast undenkbar, aber Schokolade, das Herzstück des Schweizer Patriotismus, gäbe es ohne Mücken kaum. Denn die Blüten der Kakaobäume sind so klein, dass sie nur von wenigen Insekten bestäubt werden können. Die beiden wichtigsten Bestäuberarten sind zwei Mückenarten: Gnitzen und Gallmücken. Während letztere uns Menschen kaum stören, gehören die Gnitzen zu den blutsaugenden Insekten, die auch Menschen stechen. Aufgrund ihrer geringen Grösse — sie sind nur 1-4 mm gross — sind sie jedoch in der Lage, die zarten Blüten der Kakaopflanzen zu bestäuben.

Nur winzig kleine Insekten können die Blüten von Kakaobäumen bestäuben. Bild: © Perry Stevens via Unsplash.

Ein Kakaobaum trägt pro Jahr Tausende von Blüten. Das klingt nach einer Menge Kakaoschoten, doch der Eindruck trübt. Gerade einmal 10-20% der Blüten erhalten genügend Pollen um Schoten zu bilden. Denn: Kakaobäume können sich nicht selbst bestäuben. Das heisst, dass Pollen eines anderen Kakaobaums von einem Insekt übertragen oder die Bäume in mühseliger Handarbeit bestäubt werden müssen. Dazu stehen sie auch noch unter Zeitdruck, denn Kakaoblüten sind meist nur 1-2 Tage für Pollen empfänglich. Ansonsten sterben die Blüten ab, ohne eine Kakaoschote zu produzieren. Ohne die Bestäubung der Mücken würden noch viel weniger der Blüten bestäubt werden und die globale Schokoladenproduktion stünde wohl vor einer ernsthaften Krise. Und die Schweiz wäre um eines ihrer Markenzeichen ärmer.

Ratten: Meister im Erschnüffeln

Ratten haben einen schlechten Ruf als Nahrungsmittelschädlinge und Krankheitsüberträger. Dabei hat nicht nur die Ratte Rémy aus Ratatouille eine feine Nase, auch seine Artgenossen können mit dieser Fähigkeit Leben retten. So werden speziell trainierte Ratten zum Erschnüffeln von Sprengstoff und zum Auffinden verschütteter Menschen in Katastrophengebieten eingesetzt. Mit einer kleinen Kamera auf dem Rücken sind sie in der Lage, unzugängliche Bereiche zu erkunden und Hinweise auf vermisste Personen zu liefern. Und damit nicht genug: Speziell trainierte Ratten sind in der Lage, Tuberkulose anhand des Geruchs von Speichelproben zu erkennen — eine Fähigkeit, die beispielsweise in Äthiopien eingesetzt wird, um die Krankheit frühzeitig bei Häftlingen zu diagnostizieren.

Stubenfliegen: Bestäuber und forensische Detektive

Auch die Stubenfliege, oft als unhygienisch und nervig wahrgenommen, hat ihre Bedeutung im Ökosystem — und der Wissenschaft! Sie spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei der Bestäubung von Erdbeeren und Brombeeren. Doch das ist nicht alles: So werden Fliegen aller Art in der «Forensischen Entomologie» eingesetzt und die Insektenkunde so zur Aufklärung von Mordfällen genutzt. Die Anzahl und Art der Larven in einer Leiche geben Aufschluss darüber, wie lange die Person bereits tot ist, ob der Körper möglicherweise bewegt wurde und ob die Person vor ihrem Tod Medikamente oder Gift eingenommen hat. Fliegen können diese nämlich nicht abbauen, anders als ein menschlicher Körper, bei dem allfällige Drogen nach einigen Stunden schon abgebaut sein können.

Die Forensische Entomologie ist ein bedeutendes Werkzeug für Rechtsmediziner, besonders wenn andere Methoden, wie die Bestimmung des Todeszeitpunkts anhand der Leichenstarre, nicht mehr anwendbar sind. Bereits aus dem 13. Jahrhundert sind Konzepte der Forensischen Entomologie bekannt. Erst in den letzten 30 Jahren wurde die Forensische Entomologie jedoch als hilfreiche Beweisquelle bei Ermittlungen in Strafverfahren systematisch erforscht. 

Fliegen sind bei uns unbeliebt und keinen zweiten Blick wert. Dabei sehen sie ziemlich faszinierend aus, wenn man sie einmal genauer anschaut. Bild: © Beverly Buckley via Pixabay.

Muss denn alles immer einen Nutzen haben?

Diese Beispiele zeigen, wie eingeschränkt unser Blick auf Lebewesen sein kann, wenn wir sie nur nach ihrem direkten Nutzen für uns beurteilen. Viele Arten erfüllen bedeutende Aufgaben, die das Gleichgewicht unserer Ökosysteme erhalten und dabei sogar die moderne Wissenschaft unterstützen. Mal ganz davon abgesehen, dass auch Lebewesen ohne direkten Nutzen für uns ihre Daseinsberechtigung haben. Ein Lobeslied auf unsere Stechmücken werde ich auch beim nächsten Stich nicht singen. Aber vielleicht lenkt ein Stückchen Schokolade vom Juckreiz ab.

Quellen und weitere Informationen:
www.nhm.ac.uk/discover/murder-maggots-forensic-entomology
www.geo.de/wissen/insekten-koennen-dabei-helfen–morde-aufzuklaeren
www.theyo.de/blogs/theyorie/muecken-schokolade

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