Die Nutzung der Umwelt-DNA ist eine der grössten Revolutionen zur Erfassung der Biodiversität der letzten Jahrzehnte. Umwelt-DNA ermöglicht das Monitoring von Arten verschiedenster Organismengruppen, von Bakterien bis zu Wirbeltieren und viele Arbeitsschritte können automatisiert werden. Dieses Potenzial für die Monitoringprogramme sollte genutzt werden.
Der Originaltext von Florian Altermatt und Loïc Pellissier erschien im Magazin HOTSPOT 46, S. 22-23, des Forum Biodiversität Schweiz.
Umwelt-DNA (eDNA = environmental DNA) ist DNA, die aus einer Umweltprobe extrahiert wird, beispielsweise aus einer Wasser- oder Bodenprobe (Abbildung 1). Mit Hilfe von genetischen Methoden kann diese DNA isoliert, vervielfältigt und abgelesen werden (Abbildung 2). Die daraus gewonnenen Gen-Sequenzen erlauben eine Zuteilung zu bestimmten Organismen oder können direkt für das Verständnis der entsprechenden Genfunktionen genutzt werden.
Die wissenschaftliche Entwicklung der eDNA-Methoden erfolgte rasant. Fast zeitgleich wurden mögliche Anwendungsbereiche getestet und implementiert. Auf europäischer Ebene hat ein internationales Forschungsnetzwerk in Zusammenarbeit mit Forschenden aus der Schweiz im Rahmen der «DNAqua-COST Action» die Etablierung und Standardisierung von eDNA vor allem im Gewässerbereich vorangetrieben. Seitens BAFU bestehen mittlerweile schon Richtlinien für die Anwendung von eDNA-Methoden in biologischen Untersuchungen und für die Bewertung von aquatischen Ökosystemen. Nach einem Jahrzehnt an Forschung ist die Methode bereit für die Implementierung in Monitoringprogrammen und im Management. Auch die Erfassung der Biodiversität in Böden mit Hilfe von eDNA ist bald für ein reguläres Monitoring nutzbar. Beispielsweise könnte dadurch der Zustand und die Entwicklung der Bodenbiodiversität besser erfasst werden, was für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und eine nachhaltige Landwirtschaft relevant ist.
Von Wirbeltieren bis zu Bakterien
Ziel jedes Biodiversitätsmonitorings ist es, replizierbare, zuverlässige und breit abgestützte Aussagen über den Zustand und die Veränderung der Biodiversität zu generieren. Dies erfolgte bisher über ein kleines Set von Indikatorgruppen (beispielsweise terrestrische Gefässpflanzen, Brutvögel, Tagfalter oder einzelne Familien aquatischer Insekten). eDNA ermöglicht die Erfassung aller Organismen, zum Beispiel von Wirbeltieren (z. B. Fischen oder Amphibien), Insekten oder Mikroorganismen wie Protozoen, Nematoden oder Bakterien – und zwar mit einer einzigen Methode. Die Methode erlaubt auch die Erfassung von Pathogenen (z. B. PKD oder Sars-CoV-2) und das Monitoring von funktionellen Genen. Gerade im Kontext der Biodiversität im Boden oder in den Gewässern, welche die Grundlage für entscheidende Ökosystemfunktionen wie Kohlenstoffspeicherung oder Wasserreinigung bildet, kann die eDNA Bereiche abdecken, die bisherige Biodiversitätsmonitorings gar nicht oder nur sehr indirekt erfassen. Die Probenahme ist relativ einfach und kann in bestehende Programme integriert werden. Wichtig ist die Verwendung standardisierter Protokolle. Erst die Probenverarbeitung erfordert spezialisierte Laborinfrastruktur und -kenntnisse. Bisherige Anstrengungen galten vor allem der Frage, wie gut eDNA klassische Indikatorgruppen, beispielsweise gewisse Gewässerinsekten oder Fische, erfasst. Ein solcher Vergleich ist wichtig, um die Langfristigkeit bestehender Zeitreihen zu gewährleisten und weiterzuführen. Der Fokus sollte aber nicht nur auf der Vergleichbarkeit und dem Abgleich zu bestehenden Methoden liegen, sondern vor allem auf dem erweiterten Potenzial der eDNA-Ansätze. Es geht weniger darum, eine bestehende Methode zu ersetzen, sondern eher, neue Möglichkeiten zu nutzen. Damit dieses Potenzial nicht brachliegt, sollten kantonale wie nationale Monitoringprogramme mit eDNA-Modulen ergänzt werden.
Hauptfokus Gewässer und Böden
Aus unserer Sicht bietet die eDNA-Methode vor allem ein grosses Potenzial zur Erfassung der Biodiversität in Gewässern und in Böden – beides Lebensräume, deren Biodiversität in der Schweiz nur schlecht erfasst ist. In Gewässern wird DNA sowohl entlang des Gewässers wie auch zwischen Land und Wasser transportiert. Dies erlaubt es, das eDNA-Signal mit Blick auf das Einzugsgebiet zu interpretieren. Mit einer lokal gesammelten eDNA-Probe können also Aussagen zur Biodiversität von Teileinzugsgebieten gemacht werden. Am besten etabliert ist die Nutzung von eDNA für die Erfassung von Amphibien, Fischen und Kieselalgen. Bei den aquatischen Invertebraten kann mit eDNA vor allem ein breiteres Spektrum an taxonomischen Gruppen abgedeckt werden. In Böden erlaubt die eDNA erstmalig eine einfache und standardisierte Erfassung biologisch wichtiger Organismengruppen und deren Integration in Nahrungsnetzen.
In Monitoringprogramme integrieren
Für diese Nutzungen der eDNA ist schon genügend Wissen vorhanden, sodass allgemeine Rahmenbedingungen sowie grundsätzliche Prinzipien zum Sammeln und Interpretieren der Daten auch langfristige Vergleiche der Daten ermöglichen. Neuere Forschungsschwerpunkte liegen in der Nutzung der eDNA im Grundwasser, der Rekonstruktion von Interaktionsnetzwerken und der Extraktion von DNA aus der Luft. Diese Arbeit steckt teilweise noch in den Kinderschuhen. Es soll erwähnt sein, dass auch eDNA – wie alle Monitoringmethoden – Grenzen hat. Dies sind insbesondere grosse Unsicherheiten bei der Abschätzung von Populationsgrössen/Abundanzen sowie die Unmöglichkeit, Eigenschaften von Individuen zu erfassen (z. B. Grösse oder Geschlecht). Die Weiterentwicklung von Biodiversitätsmonitorings anhand der eDNA hat viele Hoffnungen geschürt, gerade im Bereich der Optimierung, der Effizienzsteigerung und der höheren taxonomischen und räumlichen Auflösung. Viele davon konnten oder können erfüllt werden. Es ist darum wichtig, die eDNA-Methode rasch in bestehende Biodiversitäts-Monitoringprogramme zu integrieren und das Potenzial zu nutzen. Dabei ist es zentral, dass keine Sachzwänge bestehender Methoden übernommen werden, beispielsweise die Erfassung nur weniger Familien aquatischer Insekten. Insgesamt betrachtet sind die Möglichkeiten der eDNA-Methode sehr gross. Schon jetzt sehen wir – sprichwörtlich – das Glas Wasser mit dem DNA-Signal mehr als halb voll als Beitrag für die Biodiversitätsmonitorings. Die Integration von eDNA in Biodiversitätsmonitoring-Programme sollte rasch umgesetzt werden.
Quelle Artikel: Altermatt F. & Pellissier L. (2022): Mit Umwelt-DNA Biodiversität erfassen. In: Forum Biodiversität Schweiz (Hrsg.) (2022): Biodiversität überwachen. HOTSPOT 46. Seiten 22-23.