Unser Garten am Stadtrand von Zürich ist ein vielfältig strukturiertes «Schutzgebiet» mit einem reichen Angebot an Kleinstrukturen und einheimischen Pflanzen. Der «Hotspot Naturgarten» eben! Natürlich dient das Ganze neben der Artenförderung auch der persönlichen Freude durch eine interessante, sinnvolle und gleichzeitig sinnliche Freizeitbeschäftigung – uns ist das Anreiz genug.
Der Garten ist nur klein, (etwa 300 m2 humusierte Fläche), aber trotzdem konnte ich in den letzten Jahren knapp 500 verschiedene Tierarten darin feststellen: 76 Schmetterlingsarten, 74 Käferarten, 64 Wildbienenarten, 44 Zweiflüglerarten, 41 Wespenarten, 37 Vogelarten, 36 Spinnenarten, 31 Wanzenarten, 13 Libellenarten, 7 Heuschreckenarten, 7 Säugetierarten, 7 Schneckenarten, 6 Ameisenarten, 5 Amphibien-Reptilienarten usw. Mit entsprechendem Zeitaufwand und der Hilfe von weiteren ExpertInnen gäbe es wahrscheinlich problemlos weitere 1000 Arten zum Bestimmen. Aber schon jetzt ist dieser Garten laut GSZ der am besten dokumentierte Garten in Zürich.
Gärten können der Vernetzung mit natürlichen Lebensräumen dienen, und je stärker ein Garten mit diesen verbunden ist, desto mehr Pflanzen und Tiere können einwandern oder den Garten als Teil ihres Lebensraums nutzen. In der weiteren Umgebung unseres Gartens gibt es noch grössere zusammenhängende Naturflächen, das erklärt neben der naturnahen Gestaltung des Gartens auch die vielfältigen Besucher. Und: diese sind sehr willkommen!
Von den knapp 9200 ha Fläche, Wald und See inbegriffen, hat die Stadt Zürich eine humusierte Fläche von ca 3070 ha, 1/3 der Gesamtfläche also, oder Hunderttausendmal unser Garten. Ein ungeheures Potential, Artenvielfalt zu fördern!
Jahr für Jahr bezahlt der Bund 200 Millionen Franken für ökologische Ausgleichsflächen. Die Bauern bekommen also viel Geld von der Allgemeinheit (also von uns Steuerzahlern), damit die Artenvielfalt auf Wiesen und Äckern nicht weiter zurückgeht. Besonders erfolgreich scheint dieses Anreizsystem allerdings nicht zu sein, der Abwärtstrend hält an. Und dies offenbar, weil die Qualität der ausgeschiedenen Flächen laut dem Agrarökologen Markus Jenny grossmehrheitlich ungenügend ist. Die Ausgleichsflächen müssten also folgerichtig an ihren Resultaten gemessen werden.
Zurück zu den Gärten: phantasielos und bieder muten die Mehrheit der Gärten an, mit Herbizid- und Laubbläsereinsatz verseuchte, blümchenlose, auf Sauberkeit getrimmte Rasenflächen……. Hip in neuen Gärten ist Geröll mit exotischen Grasbüscheln, pflegeleicht und billig, wie die öden und ökologisch wertlosen Kirschlorbeer- und Tujahecken.
Wie schafft nun die öffentliche Hand Anreize für einen privaten Gartenbesitzer, seinen Garten ökologisch aufzuwerten? Ein paar Millionen von den 200 Mio müssten da doch drinliegen?
Meine Vorschläge:
Primär soll eine Stadt/Gemeinde durch Vorbildfunktion auf ihren öffentlichen Flächen und um ihre städtischen Liegenschaften das tun, wozu sie die Privaten ermuntert. Damit gibt sie den naturnahen Grünflächen einen WERT. An geeigneten Orten weisen Informationstafeln darauf hin. Es gibt viele gute Beispiele solcher Infos (Tafeln im Wehrenbachtobel, Tafeln vom Naturnetz Pfannenstil usw.)
Bei Neubauten, welche über das Baubewilligungsverfahren bei der Stadt/Gemeinde bekannt werden, soll in jedem Fall eine fachkundige Beratung angeboten werden mit Empfehlungen, wie das Umgebungsgrün attraktiv gestaltet werden kann.
Für alle Leute, welche ihren Garten ökologischer bewirtschaften möchten, soll ein niederschwelliges und unkompliziertes Beratungsangebot durch die Stadt/Gemeinde eingerichtet werden.
Die Stadt/Gemeinde soll Projekte ausschreiben für Private, welche die Natur in der Stadt/Gemeinde fördern wollen, und diese bezahlen. Das gibt es bereits in Genf.
Man soll ein Label von der Stadt/Gemeinde erwerben können – es können aber auch bestehende Labels sein (Garten-Charta, Natur und Wirtschaft), welche die Stadt aktiv fördert und bekannt macht.
Liegenschaftsbesitzer und –Verwalter, Hauseigentümerverbände, Gartenzentren, Grossverteiler – einfach ALLE müssen mit einem jährlichen Versand (zusammen mit einem andern an alle Haushalte verschickten Blatt wie z.B. dem Entsorgungskalender) auf dieses Angebot der Stadt/Gemeinde hingewiesen werden.
Interessant wäre zu wissen, was es in den Gemeinden bereits gibt und erfolgreich umgesetzt werden konnte. Ich hoffe, eine Diskussion anzustossen über diese Vorschläge bei euch LeserInnen, und wünsche einen schönen Gartenfrühling mit hoffnungsvoller Experimentierfreude!
Danke, Christine Dobler Gross, für den wieder super geschriebenen und informativen Beitrag mit den tollen Gedanken!
Leider, leider lesen ihn die falschen Leute!
Tolle Sache! In Österreich gibt es dazu das Naturgarten-Netzwerk http://www.naturgarten-netzwerk.at und in Deutschland den Naturgarten e.V. http://www.naturgarten.org
Jeder m² naturnah gestaltet ist wichtig, jeder Artikel, jede Diskussion. Und es bewegt sich schon was, das Thema war noch nie so in den Medien wie jetzt. Wir geben einfach nicht auf!
Das sind tolle Anregungen, die eigentlich Teil des Aktionsplans Biodiversität sein müssten. Dieser ist aber leider immer noch nicht lanciert. Im Kanton Zürich, wahrscheinlich auch in anderen Kantonen, können die Gemeinden gemäss Planungs- und Baugesetz zumindest bei Gestaltungsplänen und Arealüberbauungen Auflagen für die Umgebungsgestaltung machen. Wo die Gemeinden das nicht zu Gunsten naturnaher Räume nutzen, sollten die lokalen Naturschutzvereine intervenieren!
Danke, lieber Ernst Sonderegger, für das schöne Lob. Wenn jeder von den Bloglesern ein paar «richtige» Leute kennt und den Blog an diese weiterleitet, kommen die Gedanken doch noch zu denen, die sonst nicht naturschutz.ch lesen. Ich fang mal mit ein paar «Richtigen»hier in Zürich an 🙂
Ja, das sind alles sinnvolle Anregungen. Natürlich steht die Politik in der Pflicht. Biodiversität lässt sich politisch aber einfach schwer «verkaufen». Und diejenigen, die Biodiversität direkt und einfach fördern könnten, also die Gartenbesitzer, setzen naturnahe Gärten vielfach immer noch mit Unordnung/Dschungel usw. gleich. Da könnte beispielsweise Umweltbildung über die Kinder etwas bewegen. Wichtig sind auch die Grossverteiler, Gartencenter und Gärtnereien. Wird da nämlich vermehrt einheimische, naturnahe Bepflanzung angeboten und entsprechend beraten, ist ein wichtiger Schritt getan. Denn die Leute kaufen, was im Angebot ist.
Schöne Bilder, gute Vorschläge.
Es verhält sich in der Stadt ähnlich wie auf dem Land, der Naturvielfalt wird dort etwas Raum gegeben, wo etwas anderes kaum rentiert, wo es den Verkehr nicht stört, vor allem nicht den Räumfahrzeugverkehr. Die Städte dürfen sich nicht damit begnügen, Bekenntnisse zur Artenvielfalt abzulegen; sie müssen den Tatbeweis erbringen: indem sie nicht bloss Studien erstellen lassen, sondern die eingekauften Erkenntnisse und Ratschläge auch konsequent umsetzen. Und wir alle können mit offenen Augen durch die Stadt zu gehen, und nicht über die fortschreitende Verödung hinwegsehen.
Vielen Dank für die vielen tollen Beiträge.
Leider sind sonst Beiträge über Naturgärten ziemlich rar.
Um nicht nur zusehen zu müssen, wie Pflanzen- und Tierarten immer mehr verschwinden, habe ich eine Homepage zum Thema Naturgarten geschrieben. Die Besucher und Besucherinnen finden darin Grundlagen über Naturgärten, viele Bilder von Tieren und Pflanzen im Naturgarten sowie Links zu Büchern, Fachbetrieben, Organisationen etc.
Vielleichts hilt’s jemandem, seinen Garten allmählich umzugestalten oder sich für einen neuen Naturgarten zu entscheiden.
Ich wünsche viel Vergnügen beim Durchblättern.
Liebe Margrit Gähler
Gerne würde ich Ihren Blog zum Thema Naturgarten durchblättern, geben Sie doch bitte den Link dazu an, ich kann ihn über Google nicht finden.
Habe den Link zu Margrit Gählers homepage gefunden: lohnt sich sehr, da durchzublättern!
http://www.naturimgarten.ch/index.html
Wänn Frösch-Blindschleiche -Eidächse-Igel im Garte häsch Und Hünd mit em Igel schmused. Han en schöne wilde Garte für Eus alli!
Liebe Christine:
Immerhin konnte ich in der Stadt Zürich mit einer Motion (verbindlicher Auftrag an den Stadtrat) ein fünfjähriges Förderprogramm Biodiversität mit einem Anreizsystem für private Gartenbesitzer anstossen, das seit Januar 2016 läuft (siehe http://www.gemeinderat-zuerich.ch/geschaefte/detailansicht-geschaeft?gId=32890648-8860-47d5-90fe-d841fb0e524a). Herzliche Grüsse Ueli