Die Nacht ist in der Schweiz schon lange nicht mehr Nacht. Seit über 25 Jahren gibt es keinen Quadratmeter völliger Dunkelheit mehr. Und doch gibt es keine landesweiten Massnahmen, es wird lieber auf freiwillige Eigeninitiative gesetzt. Einzelne Orte zeigen, wie’s gehen kann.
Sind Sie auch schon nachts nach Hause gelaufen und haben sich gefragt, wie viel Strom eigentlich durch die ganzen unnötig beleuchteten Schaufenster verschwendet wird? Der Bundesrat ging dieser Frage nach und hat vor kurzem einen Bericht mit dem Titel «Energieverschwendung beim Betrieb ohne Nutzen» gutgeheissen. Darin wird festgehalten, dass ein Drittel (1.25 Terrawattstunden) des unnötigen Stromverbrauchs auf die Beleuchtung zurückgeht. Das sind rund 2% des jährlichen Stromverbrauchs in der Schweiz! Fazit des Berichts: Massnahmen auf Bundesebene brauchen wir keine.
Dabei wurden ja während der Energiemangellage im Winter 2022/2023 von heute auf morgen allerlei Massnahmen getroffen. Vielerorts gab es keine oder nur reduzierte Weihnachtsbeleuchtung oder die Strassenbeleuchtung wurde in der Nacht ausgeschaltet. Plötzlich war es wieder dunkel um drei Uhr nachts. Diese Massnahmen waren im Frühling allerdings zum grössten Teil wieder vergessen. Dabei wird durch unnötig beleuchtete Schaufenster, Gärten und Strassen nicht nur Strom und Geld verschwendet — auch Tiere, Pflanzen und Menschen leiden unter der Lichtverschmutzung.
Die dunkle Seite des Lichts
In der Schweiz gibt es seit Mitte der 1990er-Jahre keinen Quadratkilometer völliger Dunkelheit mehr. Seither hat sich die Lichtverschmutzung mehr als verdoppelt. Global nimmt sie jährlich um circa 10% zu, in stark besiedelten Regionen wie Europa oder den USA sind mittlerweile über 99% der Bevölkerung von Lichtverschmutzung betroffen.
Störung des Biorhythmus
Praktisch die gesamte Umwelt hat sich durch die Evolution an den natürlichen 24-Stunden Rhythmus der Sonne gewöhnt. So wird der Biorhythmus von vielen Tieren und Pflanzen in Abhängigkeit des Lichts von Hormonen wie beispielsweise Melatonin gesteuert. Zu viel künstliches Licht stört die natürliche Ausschüttung von Melatonin, was bei Menschen zu Schlafstörungen und bei Pflanzen zu Änderungen in Wachstum, Wurzelbildung und Photosynthese führen kann. Laubbäume können im Herbst später ihre Blätter verlieren und so anfälliger für Frostschäden werden.
Auch Vögel verändern ihr Verhalten, wenn sie zu viel Kunstlicht ausgesetzt sind. Amseln fangen in Städten deutlich früher an zu singen als Ihre Artgenossen im Wald. Andere Arten wie die Blaumeise fangen früher an zu brüten. Dies kann für den Nachwuchs kritisch werden, da ihre Aufzucht möglicherweise nicht mehr mit dem Nahrungsangebot zusammenpasst.
Gefährdung von Vögeln und Fledermäusen
Für Zugvögel wird es vor allem dann gefährlich, wenn sie in städtische Gegenden mit dichtem Nebel oder Wolken einfliegen. Das Licht der Siedlungen wird von den Wassertröpfchen in der Luft reflektiert, wodurch ein sogenannter Lichtdom entsteht. Die Vögel haben Mühe, sich darin zu orientieren und fliegen unermüdlich umher, oft stundenlang. Sie verschwenden wertvolle Energie und sterben im schlimmsten Fall durch Erschöpfung oder Kollision.
Auch Fledermäuse leiden stark, denn die nächtliche Beleuchtung gefährdet ihre Verstecke, Flugkorridore und Jagdreviere. Sind ihre Tagesverstecke nachts angeleuchtet, fliegen sie später oder gar nicht aus, was zum Verlust des gesamten Reviers führen kann. Um zu ihren Jagdrevieren zu gelangen, sind sie auf unbeleuchtete Flugkorridore angewiesen. So müssen sie teils grosse Umwege auf sich nehmen, um jagen zu können. Besonders die stark bedrohten Arten wie Hufeisennase oder Mausohr sind schwer betroffen.
Der «beste Himmel der Welt»
Während die Schweizer Regierung auf Eigeninitiative setzt, zeigen Beispiele aus dem Ausland, wie es auch gehen kann. Im Rahmen eines Energiesparpakets dürfen in Frankreich seit 2013 ungenutzte Gebäude, Shoppingzentren, Schaufenster und Sehenswürdigkeiten nachts nicht mehr beleuchtet werden. Ausnahmen gelten beispielsweise für Paris, Diskotheken, Bars und Apotheken. Die Gemeinde Munster in Frankreich geht sogar noch einen Schritt weiter. So wird seit 2015 die Strassenbeleuchtung nachts komplett ausgeschaltet.

Auf der kanarischen Insel La Palma wurde 1988 das weltweit erste einschlägige Gesetz zum Schutz vor Lichtverschmutzung erlassen. Das Gesetz enthält unter anderem Regelungen zur öffentlichen, privaten und gewerblichen Aussenbeleuchtung. So dürfen Strassenlaternen kein Licht nach oben abstrahlen, dekoratives Licht muss nach Mitternacht ausgeschaltet werden und Strassenbeleuchtung muss in der Nacht um mindestens 50% gedimmt werden. Die Regulierungen helfen: Seit 2000 hat die Lichtverschmutzung praktisch nicht zugenommen und der Himmel über La Palma gilt als einer der besten für Sternenbeobachtungen. 2012 wurde La Palma als weltweit erstes UNESCO-Starlight Reserve zertifiziert.
Und die Schweiz?
In der Schweiz sind wir weit weg von solchen Gesetzen. Auf Städte- oder Gemeindeebene gibt es vereinzelte Massnahmen gegen Lichtverschmutzung. Empfehlungen gibt es allerdings auch vom Bund. So gibt es beispielsweise einen 7-Punkte Plan zur Begrenzung von Lichtemissionen, der beim Bewilligungsverfahren von Lichtinstallationen aber auch von Privatpersonen eingesetzt werden kann. Betonung auf kann. Einige Orte gehen immerhin mit gutem Beispiel voran:
- Val de Ruz (Neuenburg): Val de Ruz ist die grösste Schweizer Gemeinde, in der nachts die öffentliche Beleuchtung ausgeschaltet wird. Seit 2019 wird diese Massnahme umgesetzt. Da Zebrastreifen per Gesetz beleuchtet werden müssen, wurden an einigen Zebrastreifen Strassenlaternen eingerichtet, die entweder per Knopfdruck oder Bewegungssensor aktiv werden. Bei Strassensanierungen soll diese Massnahme ausgeweitet werden.
- Coldrerio (Tessin): Coldrerio hat als erste Schweizer Gemeinde 2007 ein Gesetz gegen Lichtverschmutzung erlassen. Ein Grossteil der Beleuchtungen und Strassenreklamen werden seit dann um Mitternacht gelöscht. Nur da, wo es zwingend Licht braucht, darf dieses weiterhin brennen. Aussenbeleuchtungen von Neu- oder Umbauten müssen genehmigt werden.
- Wallisellen (Zürich): In Wallisellen machten 2018 einige Einzelpersonen den ersten Schritt und reichten die Initiative «Mehr Nacht für Wallisellen» ein. 2020 wurde diese an der Gemeindeversammlung angenommen. Bis heute wurde rund 65% der Strassenbeleuchtung durch intelligente LEDs ersetzt, die ihre Helligkeit auf circa 50% dimmen, wenn keine Bewegung auf der Strasse stattfindet. Privatperson wurden angeschrieben und gebeten, ihre Beleuchtung nachts auszuschalten — meist erfolgreich.
- Sternenpark Gantrisch (Bern / Freiburg): Seit 2024 ist ein Teil des Naturpark Gantrisch als einziger Ort in der Schweiz als DarkSky Landschaft klassifiziert. Im Sternenpark ist der Himmel nur circa 0.3- bis maximal 2.5-fach erhellt. Zum Vergleich: In der Stadt Bern ist der Himmel ungefähr 40-fach erhellt.
Mehr Beispiele gibt es im Artikel «Dunkelheit für nachtaktive Arten».
Ja aber die Sicherheit!
Die Beispiele aus der Schweiz und dem Ausland zeigen, dass es viele Möglichkeiten zur Eindämmung der Lichtverschmutzung gibt — oft auch von der Bevölkerung ausgehend. Ein Anfang wäre es beispielsweise, schweizweit die Schaufenster und Leuchtreklamen nachts auszuschalten. Doch sobald es um das Abschalten von Beleuchtung geht, schreit aus irgendeiner Ecke jemand das Stichwort «Sicherheit!». Und vorbei ist’s mit den guten Vorsätzen.
Dabei kann zu viel Beleuchtung auch zu weniger Sicherheit führen — versinkt doch die Umgebung in komplettem Dunkel. LED-Lampen könnten entsprechend stark gedimmt werden, um Passanten ein Gefühl von Sicherheit zu geben und trotzdem die Nacht Nacht sein zu lassen. Wie die Gemeinden Munster FR und Val de Ruz demonstrieren, führt auch komplettes Ausschalten der Beleuchtung nicht zu mehr Kriminalität: An beiden Orten wurde eine Zunahme der nächtlichen Kriminalität befürchtet. Eingetreten ist dies nicht, in Munster hat sie sogar abgenommen.
Es ist möglich, mit einfachen Massnahmen Energie zu sparen, die Umwelt zu schützen und dennoch die Sicherheit zu gewährleisten. Von einer besseren Umsetzung der nächtlichen Beleuchtung profitieren Tiere, Pflanzen und auch wir Menschen. Doch dafür bräuchte es endlich schweizweite Massnahmen.
Was können Einzelpersonen tun?
- Nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich beleuchten.
- Lampen mit präziser Lichtlenkung oder Abschirmungen benutzen. Abstrahlungen in den Himmel vermeiden.
- Mit Zeitschaltuhr die Beleuchtung zwischen 22 Uhr und 6 Uhr automatisch ausschalten.
- Eine Initiative innerhalb der Stadt / Gemeinde auf die Beine stellen. In den letzten Jahren sind einige Projekte und Richtlinien auf Initiative von einzelnen Bürger:innen, Gemeinden, Regionen und Organisationen wie DarkSky Switzerland entstanden.
Weitere Informationen und Quellen:
DarkSky Switzerland
Bundesrat: Bericht «Energieverschwendung beim Betrieb ohne Nutzen»
Bundesamt für Umwelt BAFU: Massnahmen gegen Lichtverschmutzung
Bundesamt für Umwelt BAFU: Auswirkungen von Lichtemissionen in der Nacht