Schlendert man im Frühling durch den Wald, ist mancherorts das stetige Trommeln des Spechts zu vernehmen. Aber wie hält er das aus, macht sich das ständige Hämmern nicht auch im Kopf des Spechtes bemerkbar?
Kurz gesagt, nein. Obschon Kopfschmerzen nicht wissenschaftlich untersucht und ausgeschlossen worden sind. Gesunder Menschenverstand lässt aber vermuten, dass der Specht sein unaufhaltsames Hämmern stoppen würde, wenn er aufgrund dessen unter Dauer-Kopfschmerzen litte.
Kopfschmerzen sind ausgeschlossen, aber wieso?
Ja warum nur trägt der Specht keine bleibenden Schäden davon? Denn sein Kopf muss ganz schön viel aushalten. Ganze 12’000 Mal hämmert er pro Tag auf hartes Holz, womit er zu Futter kommt, Geschlechtspartner anlockt oder sein Territorium verteidigt. Unsereins würde nach solch einem Tag über Kopfschmerzen oder gar eine Gehirnerschütterung klagen. Denn die beständige Erschütterung und das wiederholte Aufschlagen des Gehirns auf den Schädel kann unser Rechenzentrum zum Absturz bringen – was sich bei uns als Blackout mit anschliessender Gehirnerschütterung bemerkbar macht.
Wissenschaftler aus Peking und Hongkong sind dieser Frage nachgegangen, wie ZME Science berichtet. Mit einer Hochgeschwindigkeitskamera haben sie den Buntspecht bei seiner täglichen Hack-Prozedur gefilmt und simultan seine «Hack-Stärke» mit Sensoren am Augenlid, an der Schnabelspitze und am Unterleib gemessen. Genaue Untersuchungen der Schädelknochen sollten zudem Aufschluss über mögliche einzigartige, anatomische Strukturen geben.
Schädelstruktur und Überbiss verhindern das Hämmern im Kopf
Die Untersuchungen zeigten, dass der Buntspecht spezielle schwammartige und plattenförmige Knochenstrukturen im Schädel besitzt. Diese sind besonders stabil und an den Stellen vorzufinden, die gemässs der Sensoren sehr hohem «Hack-Stress» ausgesetzt sind.
Unser Gehirn «schwimmt» mehr oder weniger lose in einer Flüssigkeit im Schädelinneren. Bei Spechten hingegen besteht kaum ein leerer Raum zwischen Gehirn und Schädelwand, alles ist sozusagen dicht gepackt. Weiter besitzt der Specht ein stark ausgebildetes Zungenbein, – ein Knochen, der sich bei uns zwischen Zunge und «Gurgeli» versteckt – das den Schädel umfasst und die Rolle eines Sicherheitsgurtes übernimmt. Dadurch wird der Aufprall des Gehirns auf den Schädel verhindert, die Hauptursache von Gehirnerschütterungen beim Menschen.
Was bei uns eine ungewollte und weniger ästhetische Abänderung der Kieferanatomie ist, stellt für den Specht ein wichtiges Mittel zur Verteilung der Aufprallkräfte dar: ein «Überbiss». Das Gewebe des oberen Schnabelteils überragt den unteren Schnabel. Damit werden die Kräfte beim Aufprall nicht direkt auf das Hirn übertragen, sondern auf den unteren Schnabel und die untere Schädelhälfte umgeleitet.
Mit Hilfe seiner Anpassungen kann der Specht 99.7 Prozent der Energie, die beim Aufprall auf einen Baum entsteht mit seinem Körper abfangen, lediglich die restlichen 0.3 Prozent werden vom Gehirn absorbiert. Somit ist auf ausführliche Art und Weise geklärt, wieso ein Specht keine Kopfschmerzen oder gar eine Gehirnerschütterung erleidet.
Nickhaut: der Sicherheitsgurt der Augen
Der Specht ist aber nicht nur bedacht seinen Kopf mit Sicherheitsgurten zu schützen, sondern auch seine Augen. Dabei handelt es sich um eine dicke Hautschicht, die Nickhaut, die im Moment des Aufpralls über das Auge gezogen wird und im schlimmsten Fall einen Riss in der Retina und das Austreten der Augen verhindert. Ausserdem dient die Nickhaut dem Schutz vor herumfliegenden Spänen.
Die komplette Studie «Why Do Woodpeckers Resist Head Impact Injury: A Biomechanical Investigation» von Wang et al. ist auf PLoS ONE verfügbar.
Sehr interessanter Artikel, danke dafür 🙂
Toll, wie die Natur Lösungen findet. Wer interesse hat der lernt immer. Danke für den Artikel.