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Recycling von Photovoltaikanlagen in der Schweiz

Die Installation von Photovoltaikanlagen in der Schweiz nimmt stetig zu. Seit dem 1. Januar 2022 wird nun auch deren Recycling gesetzlich verordnet. Ein System zum Sammeln und Wiederverwerten besteht aber bereits längst.

Textteile von Dominic Hafer und Arthur Haarman im Artikel aus der Zürcher Umweltpraxis (ZUP, Ausgabe Nr. 101)

Die Photovoltaik (PV)-Technologie ist eine der vielversprechendsten Technologien zur Verbesserung der Energiesicherheit und zur Abschwächung des Klimawandels. Der PV-Markt wächst schnell, und es wird eine weitere Marktexpansion auf der ganzen Welt erwartet.

Wie sauber Photovoltaik ist

Neben ihrem positiven Einfluss auf die Energiesicherheit und den Klimawandel gehört die PV-Technologie auch zu den umweltfreundlichsten Technologien unter allen Energie- und Stromerzeugungstechnologien, wenn man sie aus der Lebenszyklusperspektive betrachtet, also von der Rohstoffproduktion bis zum Endof-Life-Management. Die Art und Weise, wie dieses End-of-Life-Management abläuft, hat jedoch Auswirkungen auf die Gesamtökobilanz. Ein angemessenes Photovoltaik-Recyclingmanagement ist daher ein unverzichtbares Thema für «saubere» Energietechnologien.

Wie viele Module aktuell in den Recyclingkreislauf gelangen

In der Schweiz werden PV-Module erst seit Anfang der 2010er Jahre in grossem Umfang installiert. Die überwiegende Mehrheit der seit damals installierten PV-Module ist bisher nicht ins Recycling gelangt. Die aktuellen Recyclingmengen sind daher gering – 100-mal geringer als die Verkaufsmengen – und hauptsächlich auf punktuelle und unvorhersehbare Ereignisse zurückzuführen. Das sind zum Beispiel Seriendefekte, Brand- oder Witterungsschäden oder eine Dachsanierung. In Zukunft werden als Folge normaler Abnutzung exponentiell steigende Mengen PV-Altmodule anfallen.

Um die künftig anfallenden PV-Altmodulmengen abzuschätzen, wurden Statistiken über die Entwicklung der installierten Leistung mit Informationen über die Lebensdauer von PV Modulen kombiniert (durchschnittlich 25 Jahre). Die in der Grafik Seite 17 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass die PV-Recyclingmengen bis 2030 um das Zehnfache ansteigen könnten. Solche Schätzungen der anfallenden Mengen sind von Natur aus unsicher, können aber hilfreich sein, um eine ungefähre Grössenordnung für die derzeitigen und künftigen Altmodulmengen anzugeben.

Theoretisch erzeugte und effektiv gesammelte PV-Altmodulmengen in der Schweiz

Die gesammelte Menge an PV-Altmodulen wird stark von unvorhersehbaren Ereignissen, wie z.B. einer Rückrufaktion bestimmter Module im Jahr 2017, beeinflusst. Einen weiteren Einfluss könnte eine längere durchschnittliche Lebensdauer der PV-Module, als bisher angenommen, haben. © AWEL

Wie das Recycling heute organisiert ist

Seit dem 1. Januar 2022 fallen PV-Module unter die Schweizer Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG). Diese regelt den Umgang mit ausgedienten Elektro und Elektronikgeräten. Händler und Händlerinnen sind verpflichtet, Altgeräte ihres Produktesortiments kostenlos zurückzunehmen und einem fachgerechten e-Recycling zuzuführen.

Der Branchenverband Swissolar arbeitet für das Recycling bereits seit 2014 mit der Stiftung SENS eRecycling zusammen. Letztere organisiert seither die Sammlung, den Transport und das Recycling ausgedienter PV-Module in der Schweiz. Der Stiftung sind die Hersteller und ein Grossteil der Installateure angeschlossen, weshalb die Finanzierung und die Abwicklung des Recyclings aus einer Hand erfolgen. Die Inverkehrbringer (Hersteller oder Importeure) bezahlen dafür bereits beim Kauf der Solarmodule eine vorgezogene Recyclinggebühr (vRG). SENS organsiert dafür eine kostenlose Rücknahme via Sammelstelle, bei grösseren Mengen werden die palettierten PV Module direkt vor Ort abgeholt. Die vRG-Tarife werden jedes Jahr von einer Kommission neu beurteilt, um sicherzustellen, dass nicht zu viel verrechnet wird. Alle Modulhersteller und Importeure können sich diesem, bereits seit beinahe zehn Jahren bestehenden und etablierten Recyclingsystem anschliessen.

Noch fallen nur wenige PV-Altmodule an

SENS meldete bisher (vor 2022) eine jährliche Sammlung von etwa 300 Tonnen PV-Altmodule. Als Grössenvergleich dazu wurden allein im Jahr 2020 gemäss dem Bundesamt für Energie 19’410 Anlagen gebaut, mit einer Gesamtleistung von 476.4 MWp, bei durchschnittlichen 50 kg / kWp kommt man auf rund 25’000 Tonnen, die verbaut wurden. Im Vergleich zum präsentierten Modell sind die tatsächlich anfallenden Mengen kleiner als die prognostizierten.

Es ist davon auszugehen, dass dem SENS-Sammelsystem keine signifikanten Mengen an PV-Altmodulen entgehen. Die Entsorgung via SENS ist für den Abgeber kostenlos, bei allen anderen denkbaren Entsorgungswegen müsste für die Abgabe eine Gebühr bezahlt werden. Was die Möglichkeit des Exports von gebrauchten Modulen ausserhalb des SENS Sammelsystems zur Wiederverwendung im Ausland betrifft, so sinken die Marktpreise für neue Module seit Jahren, und der administrative Aufwand wäre zu gross, als dass dies nach Ansicht von Experten ein interessanter Absatzmarkt für ausgediente Schweizer PV-Altmodule wäre. Die kleineren Mengen sind im Endeffekt der guten Qualität der verbauten Module geschuldet, ihrem vorwiegenden Einsatzgebiet auf Dächern und der damit einhergehenden längeren Lebenszeit.

Wie es im Ausland geregelt ist

Bei den benachbarten EU-Ländern ist das Recycling von PV-Altmodulen bereits seit 2018 gesetzlich vorgeschrieben. In der sogenannten WEEE-Richtlinie, dem Pendant der VREG auf EU-Stufe, werden die PV-Module als eigenständige Kategorie gehandhabt. In diesen Richtlinien wird vorgeschrieben, dass unter anderem 80 Prozent der Altmodule recycelt werden müssen.

Recycling der Schweizer PV-Altmodule im Ausland

Die von der SENS gesammelten PV-Altmodule werden dem Recycling in Deutschland zugeführt, da die Schweiz
über keine eigenen Recyclingkapazitäten verfügt. Die kleinen Mengen und die geringe Rentabilität haben bisher eine Recyclinglösung im Inland verhindert.

In Deutschland

Kristalline Solarmodule, die etwa 99 Prozent aller in der Schweiz gesammelten PV-Altmodule ausmachen, werden zu Reiling, einem spezialisierten Recycler, in Deutschland geschickt. In einem ersten Behandlungsschritt werden die Elektrokabel, die Anschlussdose sowie der Metallrahmen entfernt. Die freigelegten Module werden zerkleinert
und mittels verschiedener mechanischer und optischer Trennverfahren in möglichst reine Endfraktionen sortiert. Den Hauptbestandteil (knapp 85 %) der zurückgewonnenen Fraktionen beim PV-Recycling macht Glas aus. Metalle, die etwa zehn Gewichtsprozent ausmachen, werden in Eisen- und Nichteisenmetalle getrennt und an Metallhütten geschickt. Kunststoffe (ca. 5 %) werden der thermischen Verwertung zugeführt, entweder in einer Kehrichtverbrennungsanlage oder als Ersatzbrennstoff in einem Zementwerk. Die Siliziumzellen, Kern der Module, machen weniger als ein Prozent des Modulgewichts aus. Die grösste Herausforderung momentan ist, das Silizium abzutrennen. Dieses landet zurzeit noch in der Glas- und in der Kunststofffraktion.

freie PV-Module
Nach dem ersten Behandlungsschritt des Recyclings liegen die PV Module frei. In nächsten Schritten werden sie noch vom Verkapselungsmaterial und dem Frontglas getrennt. © Reiling Glas Recycling GmbH & Co. KG

In Frankreich

In Frankreich gibt es zurzeit ebenfalls ein mechanisches Trennverfahren. Der Veolia-Konzern entfernt ähnlich wie in Deutschland zuerst den Metallrahmen, Kabel und Anschlussdosen. Anschliessend werden die PV-Zellen zerkleinert und gesiebt. Mit Hilfe eines Wirbelstromabscheiders werden die Metallteile vom Glas getrennt. Dadurch entstehen verschiedene Ausgangsprodukte. Diese zusätzliche Trennstufe erhöht den Arbeitsaufwand und führt zu Mehrkosten, weshalb die Firma eine höhere Gebühr verlangt.

Dünnschichtmodule werden teilweise entsorgt

Anders verhält es sich mit den in der Schweiz selten verbauten Dünnschichtmodulen (< 1 % der gesammelten Module), da sich diese wegen des hiesigen Klimas und der Topografie in der Schweiz kaum eignen. Sie werden ebenfalls von SENS gesammelt und recycelt. Module auf Basis der Cadmium-Tellurid (CdTe)-Technologie werden vom Marktführer First Solar selbst zurückgenommen und in einer firmeneigenen spezialisierten Recyclinganlage in Deutschland verarbeitet. Kupfer-Indium-Gallium-Selenid (CIGS)-Module hingegen werden aufgrund fehlender Recyclingkapazitäten in Europa in der Schweiz entsorgt. In den letzten Jahren wurde aber keines dieser schadstoffhaltigen Dünnschichtmodule bei SENS abgegeben.

Künftig mehr Altmodule und vorgeschriebene Quoten

Wie eingangs erwähnt, werden sich die in der Schweiz anfallenden Mengen an PV-Altmodulen ab 2030 voraussichtlich verzehnfachen. Ähnliche Steigerungen werden auch in anderen europäischen Ländern vorhergesagt und werden dann mit einem starken Anstieg der Recyclingkapazität einhergehen. Welchen Wandel die PV-Recycling-Technologien noch durchmachen werden, hängt einerseits von der Gesetzgebung und andererseits von der Wirtschaftlichkeit ab. In der EU wurde mit den WEEE-Richtlinien bereits ein erster Schritt gelegt und mit Recyclingquoten und deren stetigen Erhöhung einen Pfad vorgeschrieben. In der Schweiz wurde bei der Revision der VREG PV-Module nun auch miteinbezogen.

Verbesserungsansätze für das PV-Recycling

Das Recycling für PV-Module steht nach wie vor noch am Anfang und es gibt einige Verbesserungsansätze. Das Unternehmen Reiling in Deutschland unterstützt momentan diverse Forschungsvorhaben in Deutschland. Ziel dabei ist einerseits, die Siliziumfraktion aus den Modulen zurückzugewinnen, um die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Ein anderer Schwerpunkt ist, die Reinheit der Glasfraktion zu verbessern, sodass diese für höherwertige Produkte verwendet werden kann. Dafür muss der Anteil an Störstoffen, wie beispielsweise Metalle, reduziert werden.

Neben Deutschland, wo derzeit die Schweizer PV-Altmodule recycelt werden, lohnt sich auch ein Blick auf die Entwicklungen in Frankreich. Das dortige Rücknahmesystem für PV-Module – Soren – arbeitet mit unterschiedlichen Firmen daran, das Recycling zu verbessern. Hauptpunkt dabei ist eine bessere Trennung der PV-Zellen in Silizium und Silberdrähte. Diese Materialien machen einen grossen Teil der Herstellungskosten aus. Mit Hilfe von chemischen Prozessen soll das recycelte Silizium so rein werden, dass es wieder für neue PV-Zellen genutzt werden kann. Aber auch die Hersteller von PV-Modulen verbessern ihre Produkte stetig und entwickeln neue Verfahren, um die Produktionskosten zu senken. Gerade beim verwendeten Silber für die Leitbahnen ist man auf der Suche nach günstigeren Ersatzmaterialien.

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Das bleibt nach dem idealen Recycling einer Solarzelle übrig: (v.l.) verzinntes Kupfer/Aluminium, Silizium (bisher nur im Rahmen eines Forschungsprojektes recycelt) und Glas. © Reiling Glas Recycling GmbH & Co. KG

Aufbau und Funktion eines PV-Moduls

Solarzellen bestehen aus verschiedenen Halbleitermaterialien. Halbleiter sind Stoffe, die unter Zufuhr von Licht oder Wärme elektrisch leitfähig werden, während sie bei tiefen Temperaturen isolierend wirken. Ein idealer Halbleiter ist Silizium, da es in Quarzsand vorkommt, dadurch preiswert und in grossen Mengen erhältlich ist. Damit die positiven und negativen Ladungsträger richtig geleitet werden, wird das Halbleitermaterial «dotiert». Damit ist das definierte Einbringen von Kleinstmengen an chemischen Elementen (z.B. Bor oder Phosphor) gemeint, mit denen man entweder einen positiven Ladungsträgerüberschuss (p-leitende Halbleiterschicht mittels Bor-Atomen) oder einen negativen Ladungsträgerüberschuss (n-leitende Halbleiterschicht mittels Phosphor-Atomen) im Halbleitermaterial erzielen kann. Werden zwei unterschiedlich dotierte Halbleiterschichten gebildet, entsteht an der Grenzschicht ein sogenannter p-n-Übergang. An diesem Übergang baut sich ein inneres elektrisches Feld auf, das zu einer Ladungstrennung der bei Lichteinfall freigesetzten Ladungsträger führt. Die Ladungen werden dann via einer Leitbahn aus Silber zu Metallkontakten auf der Seite des PV-Moduls transportiert. Über diese Metallkontakte kann eine elektrische Spannung abgegriffen werden. Wird der äussere Kreis geschlossen, das heisst ein elektrischer Verbraucher angeschlossen, fliesst ein Gleichstrom.
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Funktionsweise einer Solarzelle. © Christof Bucher, Photovoltaikanlagen, Faktor Verlag

Typen von PV-Zellen

Monokristalline PV-Module besitzen mit bis zu 20 Prozent die bislang höchsten Wirkungsgrade. Sie werden in aufwendigen Verfahren aus dem Halbleitermaterial Silizium gefertigt, indem einkristalline Stäbe aus geschmolzenem Silizium gezogen werden (Siliziumschmelze). Die Stäbe (Einkristalle) werden zu Scheibchen zersägt, den monokristallinen Zellen.
Polykristalline Solarmodule sind einfacher und günstiger als monokristalline herzustellen. Die Siliziumschmelze wird in Blöcke gegossen, die dann zu Zellen gesägt werden. Beim Abkühlen bilden sich zahlreiche kleine Silizium-kristalle verschiedener Grössen. Der Siliziumanteil ist deshalb insgesamt geringer und ihr Wirkungsgrad mit Werten zwischen 12 und 16 Prozent kleiner als derjenige von monokristallinen Modulen.
Für Dünnschicht-PV-Module (amorphe bzw. flexible Module) wird ein Trägermaterial (häufig eine Kunststofffolie) mit einer dünnen Schicht aus amorphem oder kristallinem Silizium bedampft oder besprüht. Alternativ zum Silizium können als Leitermaterialien Cadmium-Tellurid/CdTe oder Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid/CIGS verwendet werden. Dünnschichtmodule können daher Schadstoffe beinhalten, z.B. Kupfer und Selen, die es im Recycling zu entfernen gilt. Die Wirkungsgrade von Dünnschicht-Modulen liegen bei 14 bis 18 Prozent.

PV-Module leben länger

Das PV-Labor der Berner Fachhochschule misst seit 1993 über 20 PV-Anlagen verschiedener Technologien. Untersucht werden drei identische monokristalline PV-Module (marktdominierende Technologie) in sehr unterschiedlichen Situationen: in der Fassade des hochalpinen Forschungsinstituts auf dem Jungfraujoch, dem PV-Laborgebäude in Burgdorf und der PV-Freiflächenanlage auf dem Mont Soleil. Die Messungen zeigen, dass die PV-Module länger leben als geplant. Die Leistungsreduktion ist geringer als bisher angenommen. Gleiches wird für polykristalline PV-Module beobachtet. Die Lebensdauer der PV-Module ist umso länger, wenn das Klima nicht zu heiss und feucht ist. Die Schweiz mit ihrem moderaten kühlen Klima ist damit speziell geeignet für lange Lebensdauern von PV-Modulen. Das PV-Labor hält eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren für realistisch.

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