StartHintergrundFledermäuse zwischen Wärme, Hunger und Wandel

Fledermäuse zwischen Wärme, Hunger und Wandel

Zu verstehen, wie Arten auf den Klimawandel reagieren, ist zentral, um ihre Anfälligkeit richtig einzuschätzen und gezielte Schutzmassnahmen zu entwickeln. Aktuelle Studien zeigen deutlich, wie stark der Klimawandel bereits in das Leben dieser nachtaktiven Tiere eingreift und wie unterschiedlich einzelne Arten auf steigende Temperaturen reagieren. Sowohl das Verhalten während des Winterschlafs als auch die Entwicklung der Jungtiere und die zeitliche Aktivität im Jahresverlauf werden zunehmend durch wärmere Bedingungen beeinflusst.

Längerer Winterschlaf und doch kein Vorteil

In einer Langzeituntersuchung in Nordrhein-Westfalen analysierten Forschende die Winteraktivität von Wasserfledermäusen (Myotis daubentonii) und Fransenfledermäusen (Myotis nattereri) über einen Zeitraum von 13 Jahren. Dabei stellten sie fest, dass die Wasserfledermäuse heute rund einen Monat früher in den Winterschlaf gehen als noch vor einem Jahrzehnt, ihr Erwachen im Frühjahr aber nicht früher erfolgt. Damit verbringen sie deutlich mehr Zeit in Inaktivität.

Das klingt zunächst harmlos, birgt aber Risiken: Ein längerer Winterschlaf bedeutet auch einen höheren Energieverbrauch. Die Tiere leben in dieser Zeit ausschliesslich von ihren Fettreserven, die sie im Herbst anlegen. Wenn der Winterschlaf früher beginnt, bleibt weniger Zeit, um diese Reserven aufzufüllen. Besonders in milden Wintern mit unregelmässigen Kältephasen kann das gefährlich werden, da Unterbrechungen des Winterschlafs enorm an den Kräften der Tiere zehren. Umso erstaunlicher ist, dass die Forschenden berichten, dass die Fledermäuse ihre Fettreserven für den zusätzlichen Monat nicht erhöht haben.

Vermutlich beginnt die Wasserfledermaus ihren Winterschlaf früher, weil ihre Hauptnahrung – Insektenlarven – aufgrund steigender Wassertemperaturen früher schlüpft und im Herbst nicht mehr in ausreichender Menge verfügbar ist. Dadurch verlängert sich ihre Winterruhe im Gegensatz zu anderen Arten, die ihre Winterschlafdauer verkürzen, wie es bei der Fransenfledermaus beobachtet wurde. Die Forschenden warnen, dass diese Anpassungen langfristig die Überlebenschancen einzelner Populationen gefährden könnten, da ein Ungleichgewicht zwischen Energieverbrauch und Nahrungsverfügbarkeit entsteht.

Wärmere Quartiere lassen Jungtiere grösser werden

Eine Untersuchung der Universität Greifswald zeigt, dass auch die Körperentwicklung junger Fledermäuse auf steigende Temperaturen reagiert. In einem kontrollierten Experiment erhitzten die Forschenden die Sommerquartiere von Bechsteinfledermäusen (Myotis bechsteinii) während der Aufzuchtzeit leicht in einem Bereich, wie er durch wärmere Sommer realistischerweise zu erwarten ist. Das Ergebnis: Jungtiere aus den erwärmten Quartieren wuchsen schneller und wurden grösser als jene aus nicht erwärmten Quartieren.

Was zunächst positiv klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als zweischneidig. Grössere Fledermäuse benötigen mehr Energie und können in kälteren Perioden schlechter Reserven anlegen. Zudem zeigte sich, dass diese Tiere tendenziell kürzer leben als Artgenossen aus kühleren Quartieren.

Wärmere Sommer und häufigere Hitzewellen können zu Hitzestress, Dehydrierung und Stoffwechselbelastungen führen. Besonders Fledermäuse in warmen oder schlecht belüfteten Quartieren sind betroffen. Auch soziale Anpassungen wie das Zusammenrücken in Kolonien, um Energie zu sparen, könnten unter höheren Temperaturen reduziert werden, was wiederum die Überlebensfähigkeit der Tiere beeinflusst.

Damit könnte der Klimawandel langfristig nicht nur das Verhalten, sondern auch die Lebensdauer und Populationsstruktur vieler Fledermausarten beeinflussen. Zudem können solche klimatisch bedingten Belastungen die thermoregulatorischen Strategien, die Reproduktionsleistung und die Populationsstabilität nachhaltig verändern.

Arten, Geschlechter und ihre komplexen Wechselwirkungen

Fledermäuse reagieren unterschiedlich auf steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster. Einige Arten verkürzen oder verschieben ihre Fortpflanzungszyklen, während andere ihre Aktivitätszeiten anpassen, was zu phänologischen Verschiebungen zwischen Arten und Geschlechtern führt. Dabei können sich auch Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen: Männliche und weibliche Fledermäuse können beispielsweise Fortpflanzungs- oder Überwinterungsquartiere zu unterschiedlichen Zeiten erreichen, was die Reproduktion beeinträchtigen kann.

Gleichzeitig zeigt sich, dass der Einfluss anderer Arten auf die Populationsgrösse nicht zu unterschätzen ist. Einige Arten profitieren von der Anwesenheit anderer, etwa durch gemeinsame Nutzung von Quartieren, während andere verdrängt werden und in Konkurrenz um Ressourcen stehen. Hinzu kommen klimatische Faktoren: Extreme Wetterereignisse und veränderte Niederschlagsmuster können die Nahrungsverfügbarkeit stark beeinflussen. Starkregen reduziert das Insektenaufkommen und erschwert die Jagd, während moderate Temperaturanstiege in manchen Fällen die Aktivität und Fortpflanzung fördern.

Diese komplexen Wechselwirkungen zwischen Klima, Artengemeinschaften und Fortpflanzungsdynamik machen deutlich, wie fein abgestimmt das ökologische Gleichgewicht bei Fledermäusen ist und wie leicht es durch den Klimawandel ins Wanken geraten kann.

Zwei Seiten derselben Medaille und eine klare Botschaft

Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass klimatische Veränderungen nicht nur einzelne Verhaltensweisen oder Entwicklungsmerkmale betreffen, sondern die gesamte Ökologie der Fledermäuse beeinflussen. Arten- und geschlechtsspezifische Unterschiede, interspezifische Konkurrenz und physische Belastungen durch Temperaturanstieg können zusammen die Populationsdynamik nachhaltig verändern.

Besonders bedenklich ist, dass die Verfügbarkeit von Insekten, der Hauptnahrungsquelle der meisten Fledermäuse, gleichzeitig abnimmt. Steigende Temperaturen, Pestizideinsatz und Trockenperioden lassen viele Insektenpopulationen schrumpfen, mit direkten Folgen für den Energiehaushalt der Fledermäuse.

Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Quartiere zu schützen, naturnahe Lebensräume zu bewahren und langfristige Monitoringprogramme zu etablieren. Nur durch eine kontinuierliche Beobachtung und gezielte Schutzmaßnahmen lassen sich die komplexen Effekte des Klimawandels auf Fledermäuse erkennen und deren Überleben sichern – was letztlich auch den Erhalt stabiler Ökosysteme unterstützt.

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