Füttern oder Nicht-Füttern, das ist die grosse Frage. Das Igelzentrum Zürich erhält immer wieder Anfragen, ob man Igel in freier Wildbahn füttern soll oder nicht – weil das Insektensterben ein grosses Ausmass angenommen hat oder weil der Sommer so trocken ist. Das Thema ist emotional aufgeladen und scheint in Zeiten der Pandemie noch an Bedeutung gewonnen zu haben. Dabei ist die Sachlage klar: Wildtiere sollten nur ausnahmsweise gefüttert werden; alles andere kann gar schädlich sein.
Text von Brigitta Javurek, Originalveröffentlichung in der Zeitschrift «Igel & Umwelt»
In den sozialen Medien wie Facebook und Instagram posten immer mehr Menschen begeistert Fotos von «ihrem» Wildtier. Denn freilebende Tiere mittels Futter anzulocken, funktioniert in vielen Fällen – so auch beim Igel. Die Zitate dazu finden sich in den sozialen Medien und gleichen sich: «Wir sind glücklich. Seit ein paar Tagen besucht uns jeden Tag ein Igel. Er frisst das Katzenfutter und macht einen gesunden Eindruck.» Auch das Igelzentrum Zürich erhält Anfragen wie folgende: «Ich lebe in einer naturnahen Siedlung, wo sich auch Igel aufhalten. Vor ein paar Jahren bin ich einer Facebook-Seite beigetreten, die sich für die Fütterung von Igeln starkmacht. Ich habe dann auch angefangen, die Igel zu füttern. Nun verkoten sie mir aber immer die Terrasse, und ihr Urin hinterlässt Flecken auf den Bodenplatten. Was soll ich nun tun? Weiter füttern oder nicht? Und wenn der Sommer wieder so trocken ist?»
Wildtiere in der nahen Umgebung zu beobachten, kann ein beglückendes Erlebnis sein, und wer Geduld hat, wird oft belohnt. Sei es draussen in der Natur, im eigenen Garten oder auch in der Stadtwohnung hinter dem Stubenfenster. Das gilt auch aktuell in Zeiten, in denen die sozialen Kontakte reduziert werden mussten. Wildtiere werden oft an Futterstellen beobachtet. Auch deswegen hat das Zufüttern von Vögeln im Winter wohl eine lange Tradition. Ähnlich verhält es sich mit dem Igel und dem meist unnötigen Futterbereitstellen von Frühling bis Herbst. Die Gründe, warum man Igel füttert, sind vielfältig. Die heissen Sommer, die Trockenheit werden genannt wie auch das Insektensterben oder das angebliche Fehlen eines reichhaltigen Futterangebots. Einzelne Tierschützende propagieren gar eine Dauerfütterung von Igeln. Was auf den ersten Blick logisch erscheint, ist in der Tat viel komplexer.
Mit Zufütterung das Insektensterben kompensieren?
Die Hauptnahrung des Igels besteht aus Insekten, und diese sind massiv bedroht: Nahezu die Hälfte der Insektenarten der Schweiz müssen heute zu den gefährdeten Arten zählen. Etliche sind bereits ganz verschwunden. Verdichtetes Bauen mit nur noch kleinen Grünflächen, die oft insektenfeindlich gestaltet sind, der Einsatz von Pestiziden und weitere Faktoren tragen dazu bei, dass das Insektentreiben in gewissen Gebieten fast zum Erliegen gekommen ist. Tierarten, die teilweise oder ganz auf Insekten als Nahrungsquelle angewiesen sind wie Igel, gewisse Vogelarten, Spitzmäuse, Fledermäuse, Amphibien, gewisse Reptilien- oder Fischarten, geraten mit dem Rückgang ihrer Beutetiere zusehends unter Druck.
Auf dem Speiseplan des Igels stehen zwar auch noch andere Tiere wie Regenwürmer, Tausendfüsser oder Schnecken, trotzdem sind die Insekten als Beutebestandteil aber essenziell: Im Sommer frisst der Igel gerne Laufkäfer. Bei vielen Igelfreunden besteht deshalb der Wunsch, zu knapp vorhandene natürliche Nahrung durch dauerhaft und breitflächig angebotenes Katzenfutter oder käufliches Igelfutter zu ersetzen oder zumindest in grösserem Mass zu ergänzen. Was gut gemeint ist, kann für die Igel aber äusserst problematisch werden.
Wenn wir Menschen massiv eingreifen, indem wir dauerhaft Ersatzfutter anbieten, um möglichst allen gerade im Gebiet vorhandenen Igeln das längerfristige Überleben zu sichern, kann Folgendes geschehen:
Die Population bleibt zunächst grösser, als es die Menge an natürlichem Futter zulassen würde. Und da auch die eigentlich überzähligen schwachen, aber dank der Ersatzfütterung immer noch vorhandenen Tiere einen gefundenen Käfer oder Regenwurm trotz allabendlichem Besuch am Futternapf nicht verschmähen werden, nimmt die natürliche Nahrung noch weiter ab. Und irgendwann sind auch die vitaleren Igel des Gebiets auf die zusätzliche Ersatznahrung angewiesen. Hält der Zustand dieser «Überbevölkerung» für längere Zeit an, kann das Ganze darin enden, dass sich die Igel eines Gebiets hauptsächlich und während der ganzen Saison mit für sie im Prinzip ungeeignetem Futter ernähren müssen.
Anstelle einer kleinen, dafür aber gesunden Igelpopulation ist durch das Einwirken der Menschen ein Gebiet mit zuerst zwar noch vielen, aber durch Krankheiten geschwächten Tieren entstanden. Dies sind Krankheiten, an denen ein grosser Teil dieser Tiere in der Folge sterben wird. Und auch wenn es nicht sofort mit dem Tod endet, sind solch kranke Tiere doch geschwächt. Die Männchen sind z.B. nicht mehr in der Lage, sich auf die Suche nach paarungsbereiten Partnerinnen zu machen, und die wenigen Weibchen, die sich noch verpaaren konnten, eventuell nicht mehr fit genug, um die Jungen aufzuziehen.
Das traurige Ende: Die Igelpopulation im betreffenden Gebiet bricht vollständig und für lange, eventuell sogar für immer, in sich zusammen!
Gesunde Igel nicht füttern
Das Wichtigste zuerst: Der Igel ist ein Wildtier und als solches gewohnt, sein Futter selber zu suchen. Eine Zufütterung von Igeln durch Menschen sollte daher immer nur punktuell und zeitlich begrenzt erfolgen. Das heisst: gezielt nur das einzelne Tier füttern und, sobald es die Situation wieder zulässt respektive das Nahrungsangebot wieder vorhanden ist, die Zusatzfütterung beenden. Dies aus den folgenden Gründen: Das oft verwendete Katzenfeuchtfutter als Ersatz ist, salopp gesagt, Junkfood für die Igel. Der Rohproteingehalt ist meist zu tief, der Anteil an Kohlenhydraten zu hoch. Noch ungeeigneter ist über längere Zeit angebotenes Katzentrockenfutter. Verdauungsstörungen, Lebererkrankungen, Nierenschäden oder Blasensteine sind mögliche Folgen.
Und leider sind auch die käuflichen Igelfutter mehrheitlich überhaupt nicht geeignet. Oft entsprechen sie in der Zusammensetzung nur qualitativ minderem Katzenfutter. Unter «Weiterführende Informationen» am Schluss des Artikels finden Sie dazu den Link zur Publikation «Industrielles Igelfutter – für Igel geeignet?». Ein weiterer Grund, warum gesunde Igel nicht gefüttert werden sollten: Futterstellen können zum Infektionsherd werden. Da jede Futterstelle weitere Igel anzieht, besteht die Gefahr, dass sich dort ansteckende Krankheiten von Igel zu Igel übertragen. Ausserdem verursachen Futterstellen mit mehreren gleichzeitigen Igelgästen Stress bei den Tieren, wie Kameraaufnahmen gezeigt haben. Der Einzelgänger Igel kommt mit Konkurrenz am Futtertrog nicht klar, und es kann zu recht massiven Rangeleien kommen. Auch kann das dauernde Futterangebot das Verhalten von jungen Igeln stören. Wenn sie nicht gelernt haben, sich ihr Futter selber zu suchen, werden sie längerfristig nicht überleben. Und Igel, die bis in den Spätherbst hinein gefüttert werden, gehen teilweise gar nicht in den Winterschlaf, da dessen Sinn darin besteht, die futterlosen Monate zu überbrücken. Der Winterschlaf ist aber ein wichtiger Teil des Jahreszyklus unserer Braunbrustigel. Zum Schluss muss noch erwähnt werden, dass Futterstellen auch Füchse, Marder, Ratten und Mäuse anziehen. Und wer will das schon?
– wenn ein Jungigel im Spätherbst das winterschlafnotwendige Gewicht von 500 g noch nicht aufweist.
– wenn im Spätwinter ein Igel zu früh aus dem Winterschlaf erwacht und der Boden noch gefroren ist oder über längere Zeit sehr tiefe Temperaturen herrschen und demzufolge noch kaum Futtertiere vorhanden sind.
Bevor Sie einen Igel füttern, lesen Sie bitte auf igelzentrum.ch das Kapitel «Fütterung»:
Denn wenn zugefüttert wird, muss dies auf sachgerechte Art erfolgen: Es ist nicht damit getan, einfach Katzenfutter in den Garten zu stellen.
Wichtig: Jede Zufütterung muss so bald als möglich wieder beendet werden: auch wenn das den zufütternden Menschen manchmal äusserst schwerfällt, weil der Igel pünktlich am Futternapf erscheint …
Was tun bei grosser Trockenheit?
2018 war ein extrem trockener und heisser Sommer. Das Bereitstellen von Wasserquellen half vielen Tieren in dieser Zeit. Ein durchschnittlich heisser Sommer stellt aber für Igel kein Problem dar. Auch mit einer Trockenphase kommen Igel ganz gut zurecht; sie müssen für die Futtersuche einfach mehr Aufwand betreiben. Dauert die Trockenheit allerdings Wochen oder gar Monate, kann es für Jungigel, säugende Igelmütter und magere Igel tatsächlich schwierig werden.
Aber es gilt auch zu beachten: Trockenphasen gehen häufig mit relativ hohen Temperaturen einher, und diese wiederum haben einen günstigen Einfluss auf die primären Futtertiere der Igel: die Insekten. So wurde festgestellt, dass ein generell wärmeres Klima für die Insektenwelt eine Bereicherung darstellt. Gewisse Käferarten brauchen aufgrund der wärmeren Witterung weniger lange für die Entwicklung vom Ei zum Käfer, das bedeutet, dass sich die Käfer schneller und öfter vermehren als früher. Die im Vergleich zu früher veränderten Klima- und Wetterbedingungen können also für die Erreichbarkeit des natürlichen Igelfutters sowohl negative wie positive Einflüsse haben. Aber was, werden sich viele Igelfreunde und -freundinnen fragen, kann ich denn tun?
Wer die Natur schützt, schützt auch den Igel
Am meisten gedient ist den Igeln und anderen Wildtieren im Siedlungsraum mit einem naturnahen Garten. Ein solcher wird mit insektenfreundlichen Blumen, Stauden, Sträuchern und Bäumen bepflanzt. Dass Pestizide im Garten nichts zu suchen haben, versteht sich von selbst.
Was oft vergessen geht: Totholz bietet Nisthilfe für verschiedene Insekten. Wer gegen das Insektensterben angehen will, darf seinen Garten nicht zu sehr aufräumen, sondern muss möglichst vielen Arten ein Zuhause bieten. Diversität im Garten ist das Zauberwort, und ein insektenfreundlicher Garten nützt und schützt ebenso Igel und Co. Das gilt auch für den urbanen Raum und die Begrünung von Sitzplätzen, Balkonen und Dachzinnen. Tipps und Anregungen zu einem naturnahen Garten finden sich auf der Website des Igelzentrums im Kapitel «Igelfreundlicher Garten».
Ebenfalls auf dem Speiseplan stehen: Schnecken, Tausendfüsser, Heuschrecken und weitere Insekten, Aas, Eier von bodenbrütenden Vögeln.
Gar nicht verwerten kann er pflanzliche Kost, auch wenn er ab und zu davon nascht, weil er den süssen Geschmack gewisser Früchte mag.
Fazit
Wer dazu beitragen möchte, dass Igel und andere Wildtiere eine Zukunft haben, der kann mit seinem Verhalten dazu beitragen. Aber bitte füttern Sie das Wildtier Igel grundsätzlich nicht! Kein Ersatzfutter kann seine natürlichen Futtertiere ersetzen. Der Rückgang an natürlicher Nahrung kann nicht durch dauerhafte Zufütterung kompensiert werden. Wer gerne Wildtiere beobachten will, schaffe sich einen guten Feldstecher an und wappne sich mit Geduld. Sie werden belohnt werden.
Erstmals bekannt wurde das Insektensterben 2017 mit der «Krefelder Studie».
Zahlreiche ehrenamtliche Insektenkundler hatten wissenschaftliche Daten zwischen 1989 und 2015 an über 60 Standorten in Deutschland gesammelt. Das Ergebnis ist erschreckend: Mehr als 75 Prozent Verlust an Biomasse bei Fluginsekten. Das passt zu den Erfahrungen, dass auf der Windschutzscheibe eines Autos heutzutage nur noch wenige Insekten aufklatschen. Die Folgen dieses Insektenrückgangs auf die Igel und andere insektenfressende Tiere sind noch kaum erforscht, lassen aber nichts Gutes erahnen.
Weiterführende Informationen:
www.igelzentrum.ch > Fütterung
www.igelzentrum.ch > Igelfreundlicher Garten
www.pro-igel.de > Industrielles Igelfutter – für Igel geeignet? Futtermischungen auf dem Prüfstand
«Die Nahrungstiere des Igels»
Wasser für Igel bei Trockenheit:
«Schlechte Tischmanieren am Igelfutternapf»:
«Kleiner Fuchs will ans Igelfutter»:
Sie haben überhaupt keine Ahnung, Sie wissen nicht das Regenwürmer und Schnecken Parasiten haben, und das die Insekten zu 80%zurück gegangen sind, und deshalb sollte man Igel zufuettern, wo haben Sie Ihr Wissen herschule
Auch wenn Igel Schnecken und Regenwürmer besser nicht essen sollten, tun sie es halt doch. Gesunde Igel zufüttern ist aus verschiedenen Gründen kontraproduktiv und ungesund. Ist ein Igel krank oder zu mager, gehört er in professionelle Hände und sollte, bzw. darf nicht nach Social Media-Anleitungen und eigenem Gutdünken selbst behandelt werden.
Der Artikel macht mich sprachlos. Spätestens ab dem Punkt, dass Regenwürmer und Schnecken auf dem Speiseplan des Igels stehen, kann man davon ausgehen, dass auch der Rest des Artikels nicht gut recherchiert ist.
Inzwischen sollte jeder, der sich mit Igel beschäftigt (oder Artikel schreibt und dazu recherchieren sollte) wissen, warum/wann Igel Regenwürmer und Schnecken frisst und wie krank ihn das machen kann.