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Es geistert im Wintergarten

Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler ist begeisterte Naturgärtnerin. Sie befasst sich als Journalistin vorwiegend mit Natur- und Umweltthemen und setzt sich an ihrem Wohnort für die heimische Flora und Fauna im Siedlungsraum ein. Fortbildung und Freude bieten ihr der eigene Naturgarten sowie Gemüse- und Beerenkulturen.

Im Garten herrscht zurzeit kein reger Betrieb, der zum Fotografieren reizt. Doch Spuren von Leben und schmucke Details sind allemal zu entdecken.

Die Neugier treibt mich hinaus: Vielleicht sind erste Spuren vom bevorstehenden Frühlingsaufbruch zu finden? Wie ein Trüffelhund stöbere ich durch den Garten, der auf 550 m ausserhalb der Stadt liegt und somit nicht allzu früh erwacht. Von einem Aufbruch ist noch nicht viel zu spüren. Anders als im letzten Jahr um diese Zeit schieben die Schneeglöcklein ihre Triebe erst zögerlich aus dem Boden. Aber vereinzelte Primeln, Massliebchen und Ehrenpreis blühen, und auch der Seidelbast öffnet die ersten Blüten. Seine bereits aufgebrochenen Knospen leuchten im graubraunen Umfeld wie Juwelen.

Kospen am Seidelbast.
Bereits öffnen sich die Knospen am Seidelbast. © Beatrix Mühlethaler

Für Schmetterlinge, die als Falter überwintern und bei warmem Wetter schon mal einen frühen Flug unternehmen, bietet der Seidelbast willkommenen Nektar. Vor allem Zitronenfalter und Kleiner Fuchs flattern jeweils am ersten Vorfrühlingstag durch unseren Garten. Bald schon blüht auch ein anderer Strauch, der für früh fliegende Insekten sehr wertvoll ist, die Kornellkirsche. Als zart gelber Blüher ist sie eine sehr empfehlenswerte Alternative zur knallgelben Forsythie, die keinem Tier auch nur das Kleinste nützt.

Gelbe Blüte der Kornellkirsche.
Die Blüten der Kornellkirsche bieten Nahrung für früh fliegende Insekten. © Beatrix Mühlethaler

Ein anderer Frühblüher, den jeweils Bienen und Hummeln umsummen, hält sich bei mir zurzeit noch bedeckt: die Salweide.

Knospen der Saalweide.
Die Saalweide hält ihre Blüten noch bedeckt. © Beatrix Mühlethaler

Etwas Besonderes bietet dem aufmerksamen Auge der Wollige Schneeball: Seine Blüten sind nicht wie bei den meisten Gehölzknospen durch Hüllen geschützt, sondern nur durch die behaarten jungen Blätter. Deshalb trägt dieser Strauch nicht wie die anderen mehr oder weniger pralle Knospen, sondern wollige Knäuel aus jungen Blättern.

Die Knospen des wolligen Schneeballs besteht aus dicht behaarten Blättern.
Die dicht behaarten Blätter des wolligen Schnellballs schützen seine nackten Blütenstände. © Beatrix Mühlethaler

Die Knospen bilden sich bereits im Sommer und müssen den Winter bestehen, bevor sie sich im Frühling öffnen. Nicht alle kommen durch. Denn als Energie- und Eiweissspender sind sie bei vielen Tieren beliebt. Gimpel beispielsweise picken neben den Kernen vom Futterbrett sehr gerne Knospen. Die meisten Knospen aber überleben. Die Zellen der im Inneren zusammengedrängten Triebe, Blätter und Blüten füllen sich im Frühling, wenn die Säfte wieder zirkulieren, mit Flüssigkeit. Prall gefüllt, brechen sie auf.

Eine einzelne Knospe spriesst aus einer Rose.
Aus dieser Rose spriesst eine einzelne Knospe fast wie die olympische Flamme. © Beatrix Mühlethaler

Wenn alles noch kahl ist, haben sonst häufig übersehene Erscheinungen ihren Auftritt: Rindenstrukturen, Moose und Flechten. Ein Holunder beispielsweise bietet mit seiner borkigen Rinde einen geeigneten Untergrund für Spontanbewuchs.

Am Holunderstamm wachsen bereits Moose und Flechten.
Der Holunderstamm bildet mit den Moosen und Flechten eine eigene ästhetische Welt. © Beatrix Mühlethaler

Auf Gehölzen können sowohl Moose als auch Flechten gedeihen. Flechten entstehen, indem sich Pilze mit Grünalgen und Cyanobakterien vermählen. Da diese ihre Nährstoffe aus der Luft und über Fotosynthese selbst beschaffen, können sie sich auf jedem Untergrund etablieren. Je nach Art bevorzugen sie aber saure oder basische Standorte. Der Holunderstamm beispielsweise bietet ein basisches Umfeld, die Birkenrinde ein saures.

Eine Gelbflechte wächst auf dem Stamm.
Die gewöhnliche Gelbflechte ist eine der häufigen Flechtenarten. © Beatrix Mühlethaler

Für Flechten ist sehr wichtig, wie die Luft beschaffen ist. Seit Schwefelemissionen eingedämmt wurden, können sich viele wieder besser entwickeln. Die gewöhnliche Gelbflechte beispielsweise breitet sich stark aus und ist auch in meinem Garten sehr präsent. Trotzdem ist die Luft, wo die gelbe Flechte wächst, nicht unbedingt sauber. Vielmehr weist ihr gutes Gedeihen auf einen hohen Stickstoffgehalt in der Luft hin. Anderen Lebensgemeinschaften wie den Magerwiesen und den Mooren aber schadet genau diese allgegenwärtige, durch Landwirtschaft und Verkehr erzeugte Düngerzufuhr aus der Luft.

Flechten auf Ästen. Sie schaden ihrem Wirt nicht.
Flechten entziehen ihrem Wirt keine Nährstoffe. © Beatrix Mühlethaler

Flechten schaden ihren Wirtsgehölzen nicht, da sie ihnen keine Nährstoffe entziehen. Trotzdem gibt es in der Gartenliteratur Empfehlungen, sie mit einer Bürste oder sogar mit Chemie zu entfernen. Grund: In ihrem Geflecht könnten sich Schädlinge entwickeln. Dabei wird glatt verschwiegen, dass bei Bekämpfungsmassnahmen auch Nützlinge zugrunde gehen. Oder anders gesagt, nämlich nicht aus Gärtneroptik: Man vernichtet einen Teil der Insektenvielfalt im Garten. Hemmend können Flechten an Beerensträuchern wirken, wenn sie an den Zweigen die Knospen überwuchern. Werden die Beerensträucher mit einem Schnitt jedes Jahr verjüngt, kommt es aber nie soweit.

Wie so viele Flechtenarten ist diese silbrig-grau gefärbt.
Etliche Flechtenarten sind silbrig bis grau gefärbt. © Beatrix Mühlethaler

Etwas enttäuschend verlief mein winterliches Schnüffeln im Garten, was das Tierleben anbelangt. Am Seidelbast entdeckte ich diese kleine Larve, weil ich die Knospe fotografierte.

Eine Larve direkt neben einer Knopse des Seidelbasts.
In Farbe und Form einander angepasst: Knospe und Larve. © Beatrix Mühlethaler

Am Schwarzdorn suchte ich intensiv die Zweige ab. Meine Suche galt den Eiern des Birkenzipfelfalters oder Nierenflecks, wie er auch genannt wird. Dieser Schmetterling ist selten zu sehen, weil er im Sommer in Baumkronen lebt. Im Herbst legt er seine Eier auf Schlehenzweige, wo sie überwintern. Doch kein Ei war zu finden. Nur die Haut eines ausgeschlüpften oder verzehrten Insekts fiel mir auf.

Die leere Hülle eines Insekts auf dem Schwarzdorn.
Hülle ohne Inhalt. © Beatrix Mühlethaler

Allerdings erfordert es auch eine intensive Suche und gute Augen, um im Gewirr von Zweigen das winzige Ei eines Schmetterlings zu entdecken. Christine Dobler Gross ist in ihrem Garten fündig geworden und hat mir Fotos zur Verfügung gestellt.

Kleine weisse Schmetterlingseier auf dem Ast.
Die kleinen an Zweige gehefteten Schmetterlingseier sind schwer zu entdecken. © Christine Dobler Gross

Schmetterlingseier haben trotz ihrer Kleinheit spezifische Formen und Farben. Wer sich gut auskennt, kann sie aufgrund des Fundorts, des Fundzeitpunkts und des Aussehens oft einer Art zuordnen. Die Makrofotografie mit ihren Details kann dabei helfen.

Ein Ei des Schmetterlings Nierenfleck.
Das Ei des Nierenflecks zeigt sich in der Vergrösserung als vollendete Schönheit. © Christine Dobler Gross

Wie zu jeder Jahreszeit lassen sich auch im winterlichen Garten Spuren von Lebewesen finden, die rätselhaft sind, sich aber vielleicht später erklären lassen. Das macht einen Garten mit einheimischer Flora und Fauna so spannend. So werde ich dieses Jahr auch öfter die Eibe unter die Lupe nehmen, die jetzt voller Körbchen ist, in denen sich wohl etwas verbirgt.

An einer Eibe haben sich die Nadeln zu einem Körbchen zusammengeschlossen.
Körbchen mit unbekanntem Inhalt. © Beatrix Mühlethaler

3 Kommentare

  1. Ja, ist schon spannend, das Leben. Und die Komplexität der Natur ist immer wieder faszinierend. Diese vollendete Schönheit, einfach nur zum Staunen. Schon ein winziges Schmetterlingsei schlägt jede moderne Architektur um Längen.

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