StartHintergrundWissenSchlangen von Pilzseuche bedroht

Schlangen von Pilzseuche bedroht

Nach dem Chytridpilz, der seit den 1980er Jahren fast hundert Amphibienarten ausgelöscht hat, ist nun ein Pilz aufgetaucht, der Reptilien befällt. Seit 2006 werden in der USA immer wieder Infektionen vermeldet. Inzwischen treibt der Pilz auch in der Schweiz sein Unwesen.

Eine Barrenringelnatter war Ende September 2017 das erste Opfer in der Schweiz, wie die Tessiner Zeitung berichtete. Das geschwächte Tier wurde im Tessin entdeckt und zur Pflege in Obhut eines Schlangenspezialisten gegeben. Dieser hat nicht erahnt, dass es sich um eine Pilzinfektion handelt. Als sich aber der Gesundheitszustand der Schlange weiter verschlechterte und die Verkrustungen auf der Haut auch nach Wochen nicht verheilte, schwante dem Spezialisten Böses. Er schickte Hautprobe des kranken Tieres zur Untersuchung ein. Diagnose: Snake Fungal Disease, kurz SFD. Wenig später wurden im Tessin weitere Schlangen mit denselben Symptomen entdeckt. Darunter gelbgrüne Zornnattern und Würfelnattern. Von der Krankheit sind nicht nur wildlebende, sondern auch Schlangen in Gefangenschaft betroffen.

Snake Fungal Disease

Die auf den Namen Snake Fungal Disease getaufte Seuche führt zu Verkrustungen und Geschwüren auf der Schlangenhaut. Ausgelöst wird sie durch den Erreger Ophidiomyces ophiodiicola, einem keratinophilen Pilz. Keratinophile Pilze leben und vermehren sich in der Hornsubstanz von Nägel, Haaren und Haut. Im besten Fall beschränkt sich die Infektion nur auf die äusserste Hautschicht der Schlange und verschwindet bei der nächsten Häutung von alleine. Im schlechtesten Fall bilden sich Knötchen und Geschwüre am gesamten Körper des Tieres, schreitet über die Nasenhöhle fort und führt zu einer Augen- oder gar Lungenentzündung. Aktuell ist keine Behandlungsmöglichkeit bekannt und die Übertragungsweise ist weitgehend unerforscht. Man geht aber davon aus, dass der Pilz über den direkten Hautkontakt übertragen wird.

Woher kommt der Pilz?

Auch bei der Herkunft von Ophidiomyces ophiodiicola herrscht grösstenteils Unwissen. Erste Forschungen deuten darauf hin, dass der Pilz in vielen Ökosystemen natürlicherweise vorkommt und mit den verändernden Umweltbedingungen immer problematischer wird. Insbesondere höhere und feuchtere Bedingungen begünstigen den Pilz in seiner Verbreitung. Obschon nicht bekannt ist, ob der Pilz nur geschwächte Tiere befällt, ist ein Zusammenhang von Gesundheit und Anfälligkeit für SFD nicht auszuschliessen. Faktoren wie die fortschreitende Zerstörung von Lebensraum, Stress durch menschliche Eingriffe, Unwetter oder Umweltverschmutzung haben einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Reptilien.

Von Amphibien zu Reptilien

Was Pilzinfektionen anrichten können, wurde ab den 1980er Jahren deutlich. Der Chytridpilz löschte seither fast hundert Amphibienarten aus und ist für Bestandesrückgänge von weiteren 500 Arten verantwortlich. Auch der Chytridpilz greift die Haut der Tiere an und beeinträchtigt bei einer grossflächigen Infektion die überlebenswichtigen Hautfunktionen der Amphibien (Stoffwechsel und Wasserhaushalt). Erstmals entdeckt wurde die von dem Pilz ausgelöste Krankheit Chytridiomykose in Australien und Zentralamerika, wo sie zu Massensterben von tropischen Fröschen geführt hat. Kurze Zeit später wurde der Erreger auch in Europa nachgewiesen. In Spanien und Sardinien hat die Krankheit ebenfalls zu einem drastischen Verlust einiger Amphibienarten geführt. Europäische Amphibien scheinen aber insgesamt weniger anfällig für eine Infektion mit der Krankheit zu sein.

Entwicklung in der Schweiz

Bis anhin wurde der Pilz in der Schweiz ausschliesslich im Tessin nachgewiesen. Aktuell laufen Tests, die sein Vorkommen nördlich der Alpen untersuchen. Es wird erforscht, wie viele Schlangen Antikörper gegen den Erreger gebildet haben, also bereits mit dem Pilz in Kontakt gekommen sind, die Infektion jedoch unbeschadet überstanden haben. Zudem wird geprüft, ob es sich bei SFD wirklich um eine aus Amerika eingeschleppte Krankheit handelt. Es könnte nämlich auch sein, dass die Seuche bisher schlichtweg übersehen wurde. Gemäss Sylvain Ursenbacher von der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) werden für Ende 2022 nächste Ergebnisse erwartet.

Was tun bei einem Fund?

Falls sie in der Schweiz einer Schlange mit verdächtigen Symptomen begegnen, können sie den Fund bei der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) melden. Fassen Sie die Schlange keinesfalls an und versuchen Sie nicht, das Tier einzufangen.

Quellen

Karch. (o.J.). Krankheiten von Reptilien

Koechlin, Simon. (30. Oktober 2021). Der Pilz, der Schlangen tötet., in NZZ am Sonntag

Weiss, Ruedi. (25. Juni 2021). Immer mehr Arten von der Krankheit betroffen., in Tessiner Zeitung

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