Heute kennen wir in der Schweiz 131 Ameisenarten, wovon 6 zur Gruppe der Waldameisen gehören. Diese Insekten spielen eine wichtige Rolle in unseren Wäldern und wurden deshalb in der Schweiz bereits 1966 – als erste Insektengruppe – unter Schutz gestellt. Befassen wir uns näher mit den Waldameisen, werden wir immer wieder überrascht.
Text von «Beratungsstelle Ameisenschutz beider Basel»
Eine Waldameise kommt selten allein
Ameisen sind als Einzeltiere nicht überlebensfähig, sondern bilden Staatengemeinschaften und leben in Ameisenhaufen. Das Leben in diesen Bauten ist straff organisiert, denn jedes Tier hat klare Aufgaben und Lebensbereiche. Im Waldameisenstaat gibt es drei verschiedene Kasten: die Königin, die Arbeiterinnen und die Männchen.
Die Arbeiterinnen bilden die Mehrheit im Ameisenstaat. Sie verrichten ausser dem Eierlegen alle Arbeiten, welche in einem Ameisenvolk anfallen: Sie bauen das Nest, füttern die Königinnen und die Brut, sammeln und jagen Nahrung und verteidigen das Nest. Junge Arbeiterinnen verrichten die Arbeiten im Nest, die älteren Tiere sind für den Nestbau und die Futterbeschaffung verantwortlich.
Männchen gibt es bei den Waldameisen nur im Frühjahr und Frühsommer. Sie sind grösser als die Arbeiterinnen, aber kleiner als die Königinnen, sind schwarz und tragen immer Flügel. Sie sterben unmittelbar nach der Begattung. Mit einigen wenigen Monaten ist ihre Lebenserwartung verglichen mit den Arbeiterinnen (2-3 Jahre) und der Königin (15-20 Jahre) entsprechend kurz.
Die Königin legt tief im Innern des Nests die Eier. Aus den befruchteten Eiern entstehen weibliche, aus den unbefruchteten männliche Tiere. Stirbt die Königin, ist der Nachwuchs im Nest nicht mehr gewährleistet und der Haufen geht zwangsläufig ein.
Das Waldameisennest
Der Lebensmittelpunkt der Waldameisen bildet das Waldameisennest. Das Nest wird häufig über einem alten Baumstrunk errichtet und besteht aus der oberirdischen Nestkuppel und dem unterirdischen Erdnest. Im Innern des Erdnests befinden sich die Kammern und Gänge, in denen die Brut gelagert und transportiert wird. Als Baustoffe für die Nestkuppel dienen verschiedenste Pflanzenmaterialien, vor allem Nadeln von Nadelbäumen, Zweigteilchen und Knospenschuppen. Wo vorhanden werden Harzteilchen eingearbeitet, die für bessere Wetterfestigkeit sorgen und zugleich eine gewisse antibakterielle Wirkung haben.
Die ökologische Bedeutung der Waldameise
Der Jagdradius der Waldameisen kann bis zu einer Hektare (1,4 Fussballfelder) gross sein. Innerhalb dieser Fläche haben die Waldameisen einen grossen, positiven Einfluss auf das Ökosystem Wald:
- Sie bekämpfen potenzielle Schädlinge, denn als Jägerinnen anderer Insekten wie Fliegen und Schmetterlingsraupen spielen sie eine bedeutende Rolle bei der Regulation von potenziellen Schädlingen. Millionen von Beutetieren werden jährlich an die Brut und die Königinnen verfüttert. Zudem fanden Forschende heraus, dass Waldameisen Zecken vertreiben können. Möglicherweise hat die Ameisensäure oder das räuberische Verhalten der Ameisen eine abweisende Wirkung auf die Zecken.
- Sie verbessern den Waldboden, denn ihre Aktivitäten führen zu einer physikalischen, chemischen und biologischen Veränderung des Bodens. Diese Veränderung verbessert das Klima für mineralisierende Pilze sowie Bakterien und fördert die Produktion von Früchten und Samen und deren erfolgreiche Keimung. Deshalb ist die Verjüngung von Bäumen in der näheren Umgebung von Ameisenhaufen oft besonders erfolgreich.
- Sie verteilen Pflanzensamen. Insbesondere Samen von Pflanzen welche über ein kleines Anhängsel, das Elaiosom verfügen. Das Elaiosom ist sehr reich an Nährstoffen und wird von den Ameisen gerne gefressen, während der eigentliche Same uninteressant ist. Während dem Futtertransport beissen die Ameisen das Elaiosom ab und verlieren den Samen auf dem Weg zum Nest. Dadurch werden die Samen verbreitet und es entsteht eine artenreiche Pflanzenzusammensetzung der Wälder.
- Sie sind eine Nahrungsquelle für andere Tiere. Vor allem Vögel und andere Wirbeltiere profitieren von Waldameisen. Grünspechte zum Beispiel ernähren sich bis zu 50% von Ameisen. Zudem nutzen Spechte oder Eichelhäher die Ameisensäure, um Parasiten im Gefieder zu bekämpfen.
Durch den Klimawandel geraten Wälder immer mehr unter Druck. Schädlinge können den angeschlagenen Wäldern zusätzlich zusetzen. Mit der Schädlingsregulierung und der Bodenverbesserung können Waldameisen das Ökosystem Wald stabilisieren und damit langfristig gesunde und robuste Waldökosysteme fördern, vorausgesetzt es kommen genügend vitale Waldameisen-Kolonien vor.
Umso wichtiger ist der Schutz der Waldameise. Die Beratungsstelle Ameisenschutz beider Basel dokumentiert zusammen mit vielen Freiwilligen das Vorkommen der Waldameisen in den beiden Kantonen und hat zum Ziel deren Population zu erhalten und zu fördern. Mehr zu dem Freiwilligen Projekt können Sie hier erfahren.
Quellen:
- Gösswald, K., 2012: Die Waldameise – Biologie, Ökologie und forstliche Nutzung. Wiebelsheim, AULA-Verlag. 630 S.
- Horstmann, K., 1976/77: Waldameisen (Formica polyctena Foerster) als Abundanzfaktoren für den Massenwechsel des Eichenwicklers Tortrix viridana L. Z. Ang. Entomol. 82: 421–435.
- Kaiser-Benz, M., 2018: Millionenvolk im Wald – Zur Biologie und Bedeutung der Roten Waldameisen. Amt für Wald und Naturgefahren, Faktenblatt 4 (vierte Auf- lage) 20 S.
- Ohashi, M.; Kilpeläinen, J.; Finér, L.; Risch, A.C.; Domisch, T.; Neuvonen, S.; Niemelä, P., 2007: The effect of red wood ant (Formica rufa group) mounds on root biomass, density, and nutrient concentrations in boreal managed forests. J. For. Res. 12: 113–119.