Was können Planerinnen und Ingenieure dazu beitragen, die Auswirkungen der Klimakrise auf die Stadt der Zukunft zu verringern und die Städte lebenswert zu halten? Die Schaffung einer blau-grünen Infrastruktur, die sich an natürlichen Kreisläufen anlehnt, ist ein wichtiger Weg dazu.
Text von Prof. Tobias Baur und Monika Schirmer-Abegg im Artikel aus der Zürcher Umweltpraxis (ZUP, Ausgabe Nr. 108)
Die Meldungen über Hochwasser und Hitzerekorde häufen sich. Die Hitze führt nicht nur zu Unbehagen und sinkender Arbeitsleistung, sondern auch zu einer steigenden Zahl an Hitzetoten.
Gleichzeitig verursacht Hochwasser jährlich durchschnittliche Schäden von rund 270 Millionen Franken pro Jahr, wie die 2022 erschienene Publikation von BAFU und ARE «Regenwasser im Siedlungsraum: Starkniederschlag und Regenwasserbewirtschaftung in der klimaangepassten Siedlungsentwicklung» angibt. Der Oberflächenabfluss macht etwa die Hälfte der Schadensfälle und über ein Viertel der Schadenssumme aus. Etwa die Hälfte dieser Fälle sind in den bisher veröffentlichten Hochwasser-Gefahrenkarten dem gefahrenfreien, also dem weissen Gefahrengebiet, zugeordnet (BAFU / ARE 2022).
Die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesellschaft haben also enorm zugenommen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Planerinnen und Ingenieure diesen Herausforderungen bei der Planung und Umgestaltung für Städte und Siedlungen begegnen können.
Umdenken in der Planung der Städte notwendig
Klimasimulationen zeigen, wie sich das Wetter in den kommenden Jahren in Bezug auf Niederschlag und Hitze entwickeln wird. Erwartet werden eine Zunahme von Trockenperioden, Starkregenereignissen sowie vermehrte Hitzetage und Tropennächte. Kritisch ist dies vor allem im dicht besiedelten Gebiet. Hier werden besonders grosse Anpassungen an den Klimawandel nötig sein.
Eine optimierte Planung der Städte kann dazu entscheidend beitragen. So müssen die künftige Rolle von Grünflächen sowie der Umgang mit Regenwasser in urbanen Gebieten überdacht werden. Ziel ist, dass sich die Strukturen der Städte stärker an natürlichen Prozessen — allen voran dem natürlichen Wasserkreislauf — orientieren. Leider geschieht dies noch zu wenig. Ein möglicher Schlüssel, die Herausforderungen des Klimawandels in städtischen Gebieten zu bewältigen, ist die Entwicklung sogenannter «Schwammstädte».
Was Städte von der Natur lernen können
Die Umwandlung einer Stadt in eine Schwammstadt erfordert die Integration sogenannt «Blau-grüner Infrastruktur». Blau steht für den Wasserkreislauf beziehungsweise den Umgang mit dem Regenwasser, grün für die Vegetation, ganz besonders den Bäumen als zentrale Elemente einer naturnahen Stadt.
Schwammstädte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Wasser aufnehmen, versickern, im Untergrund speichern und für Pflanzen zur Verfügung stellen (Visualisierung oben). Gleichzeitig bewirken blau-grüne Elemente Kühlung (durch das Verdunsten der Vegetation), die Reinigung der Luft sowie Schatten. Zudem werden Oberflächenwasser gereinigt und der Abfluss auf ein Minimum reduziert — abgeleitet wird Wasser nur im Überlastfall. So ermöglicht Blaue Infrastruktur bereits vorbeugend, geeignet auf Starkregenereignisse zu reagieren.
Durch das Zurückhalten des Wassers in der Stadt werden zudem Hitze und Trockenheit gemildert. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist: Menschen können diese hitzereduzierten Räume besser nutzen und fühlen sich umgeben von Grün wohl.
Schwammstädte brauchen gut geplanten Raum
Die Frage nach dem benötigten Raum für derartige Veränderungen ist entscheidend. So muss über Nutzungsansprüche diskutiert werden, Flächen für grüne sowie für blaue Massnahmen müssen bei der Planung berücksichtigt werden. Freiräume sollen multifunktional gestaltet sein, beispielsweise mit Rückhaltefunktionen für Wasser bei Starkregen. So könnten zum Beispiel Parks temporär eingestaut werden und damit einen Teil des zerstörerischen oberflächlich abfliessenden Wassers aufnehmen. Aber auch kleinere Massnahmen wie ein Skateplatz, welcher temporär Wasser aufnehmen kann, sind denkbar. Gut geplant und umgesetzt dient das Konzept der Schwammstadt direkt dem Menschen, aber darüber hinaus auch der Biodiversität.
Kosten-Nutzen-Erwägung von Schwammstädten
Obwohl die Umsetzung solcher Konzepte monetär anspruchsvoll ist, stehen höhere Kosten einem höheren Nutzen gegenüber. Nicht nur sind Gesundheit und Biodiversität von unschätzbarem Wert. Für die Stadt Kopenhagen beispielsweise gibt es auch eine ökonomische Bewertung der Kosten durch die «European Climate Adaption Platform, Climate-ADAPT» aus dem Jahr 2014). Die Schlussfolgerung — «Nichts tun» ist langfristig teurer, da Starkregen in einer konservativ gebauten Stadt erhebliche Schäden verursacht — gilt auch für andere Städte. Das Konzept der Schwammstadt kann helfen, derartige Schäden zu reduzieren. Am besten bereits in der Planung oder Umgestaltung ganzer Quartiere und Areale.
Schwammstadtkonzept bereits Teil der Ausbildung
Der planerische Ansatz der Schwammstadt muss bereits in der Ausbildung ein essenzieller Bestandteil sein. Der Studiengang Landschaftsarchitektur an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) legt daher fächerübergreifend besonderen Wert auf die Gestaltung klimaangepasster Freiräume. Dabei werden Themen wir Hitzereduktion, der Umgang mit Starkregenereignissen, der Verlust der Biodiversität sowie die Schaffung lebenswerter Freiräume behandelt. Die Aspekte werden im Konzept der Schwammstadt zusammengeführt und weiterentwickelt. Gleichzeitig ist es wichtig, bei der interdisziplinären Planung und Gestaltung von multifunktionalen Räumen anzusetzen.
Studierende am Institut für Landschaft und Freiraum an der OST (Riedo, Spescha, Zindel, 2023) haben die Idee der Schwammstadt in einer Projektarbeit folgendermassen in Worte gefasst: Das Wasser im Schwammstadtkonzept zieht sich «wie ein blauer Faden als zentrales Element sichtbar und erlebbar durch den gesamten Perimeter. Ein feinmaschiges Netz aus Wasser und Grünflächen schafft vielfältige Synergien zwischen Menschen und Umwelt. Das Konzept bringt keinen Park in die Stadt, sondern ist eine Stadt in einem Park.»
Blau-grüne, lebenswerte Städte zur Norm machen
Die Entwicklung von Schwammstädten ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Bauherrschaften, Verwaltung und Planende tragen gemeinsam die Verantwortung und sind gefordert, die Städte der Zukunft zu entwickeln.
Es sollte zur Norm werden, «Farbe zu bekennen» und Städte blau-grün zu gestalten. Der bewusste Umgang und die gezielte Nutzung des Regenwassers in Anlehnung an einen natürlichen Wasserhaushalt muss Standard werden. Und die Integration von möglichst viel Grün sollte selbstverständlich werden.