StartHintergrundWissen5 Gründe für ein doppeltes JA zu den Agrar-Initiativen

5 Gründe für ein doppeltes JA zu den Agrar-Initiativen

Zurzeit tobt ein millionenschwerer Abstimmungskampf um die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft. Denn die beiden Agrar-Initiativen fordern bedeutsame Reformen für die landwirtschaftliche Praxis. Wir fassen zusammen: Fünf Gründe, warum ein doppeltes JA am 13. Juni wegweisend für eine nachhaltige Landwirtschaft und einen sorgsamen Umgang mit Boden, Wasser und Gesundheit ist.

Überdüngung, Pestizidrückstände in Lebensmitteln und im Trinkwasser, steigende Antibiotikaresistenzen, Insektensterben, Biodiversitätskrise, Klimawandel – das sind einige Stichworte zum Thema Nachhaltigkeit der Schweizer Landwirtschaft. Um die Weichen für einen sorgsamen Umgang mit Boden, Wasser und Gesundheit zu stellen, fordern die beiden Agrar-Initiativen «Schweiz ohne synthetische Pestizide» und «Initiative für sauberes Trinkwasser» auf unterschiedlichen Wegen eine Reform der landwirtschaftlichen Praxis. Darunter vor allem eine starke Reduktion des Pestizideinsatzes. Die Trinkwasserinitiative verlangt, dass wir unsere Subventionen zukünftig nachhaltig einsetzen, also nur für eine pestizidfreie Landwirtschaft, in der Antibiotika nicht prophylaktisch eingesetzt wird und die Tiere mit einheimischem Futter ernährt werden können. Die Initiative «Schweiz ohne synthetische Pestizide» möchte die Verwendung von synthetischen Pestiziden in der Schweiz und zudem den Import von Lebensmitteln, die mit synthetischen Pestiziden produziert wurden, verbieten. Die Umweltverbände empfehlen 2XJA für sauberes Wasser, fruchtbare Böden, die Erholung der Artenvielfalt statt Insektensterben und für gesunde Lebensmittel ohne Pestizidrückstände und Antibiotikaresistenzen. Und zwar aus folgenden Gründen:

1. Landwirtschaft ohne synthetische Pestizide ist dringend notwendig

Die Erhaltung der Artenvielfalt und unserer Gesundheit kann nicht mit synthetischen Pestiziden einhergehen. Während die Herstellung von chemisch-synthetischen Pestiziden die Nahrungsmittelproduktion massiv gesteigert und vereinfacht hat, so werden mittlerweile die Schattenseiten dieser Wirkstoffe immer klarer. Denn die Pestizide verteilen sich durch Wind, Wasser und in der Nahrungskette überall – auch in unserem Körper. Zahlreiche Krankheiten haben einen Zusammenhang mit Pestiziden, weshalb in den letzten zehn Jahren viele Pestizide verboten wurden. Rückstände von diesen finden sich jedoch noch immer in unseren Böden und in unseren Lebensmittel. Beispielsweise wure Profenofos, ein starkes Nervengift, dass die Gehirnentwicklung von Kindern beeinträchtigen und das Nervensystem überstimulieren kann, in importierten Lebensmittelproben nachgewiesen, obwohl es seit Langem verboten ist. Langfristige Auswirkungen sind besonders gefährlich für Personengruppen, die den Pestiziden alltäglich ausgesetzt sind – also Bäuerinnen und Bauern. In Frankreich ist Parkinson bereits seit 2012 als Berufskrankheit für Landwirt*innen anerkannt. Die chemisch-synthetischen Wirkstoffe wirken sich ausserdem negativ auf die Natur aus und tragen massiv zum Insektensterben bei.

Obwohl die Richtwerte für Pestizide in der Schweiz nach strengen Regeln festelegt werden, sind Pflanzenschutzmittelrückstände auch in den Schweizer Böden weit verbreitet. Die Resultate einer Agroscope-Studie zeigen, dass die Rückstände jahrzehntelang im Boden verbleiben und einen klar negativen Einfluss auf nützliche Bodenorganismen haben. Besonders bemerkenswert ist, dass die Pflanzenschutzmittelrückstände unabhängig von der Art der Bewirtschaftung in den Böden vorhanden sind. Sogar auf Bio-Feldern, die bereits über 20 Jahre biologisch bewirtschaftet wurden, fanden die Forschenden Rückstände von bis zu 16 verschiedenen Wirkstoffen. Diese stammen entweder aus einer Zeit, als die Wirkstoffe noch erlaubt waren, oder wurden durch Wind oder Wasser aus benachbarten Feldern eingetragen. Das bedeutet: solange wir die Verwendung von Pestiziden in der Schweiz unterstützen, wird es in unseren Böden (und auch in unseren Lebensmitteln) sein – ob wir nun Bio kaufen oder nicht.

…und möglich!

Die Angst, dass die Lebensmittelproduktion in der Schweiz ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden sinken würde, ist ein grosser Argumentationspunkt der Gegner der beiden Initiativen. Beispielsweise meint der Schweizer Bauernverband, dass die Trinkwasserinitiative die einheimische Produktion praktisch verunmöglichen würde. Diese Behauptung basiert auf einer HAFL-Studie (die vom Schweizer Bauernverband in Auftrag gegeben wurde), welche die Auswirkungen der Trinkwasserinitiative auf Landwirtschaftsbetriebe untersucht hat. Die Studie ist jedoch auf der Annahme aufgebaut, dass ein vollständiger Verzicht auf alle Pflanzenschutzmittel und Biozide in der landwirtschaftlichen Produktion gefordert ist – was gar nicht die Forderung der Initiative ist! Der Initiativtext sagt ausdrücklich: «Unter einer «pestizidfreie Produktion» versteht die Initiative eine Lebensmittelproduktion ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel. Die im Biolandbau eingesetzten Stoffe sind von der Initiative nicht betroffen (siehe Gutachten des SFV/VSA).» – somit sind die Resultate der HAFL-Studie ungültig für eine Simulierung der Annahme der Initiative. Dass Landwirtschaft auch ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel funktioniert, zeigen die über 7’000 Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz, die nach den Richtlinien von Bio Suisse produzieren und rentabel funktionieren. In der 8- und 10-jährigen Übergangsfrist haben wir ausserdem genügend Zeit, die geforderten Anpassungen vorzunehmen und bereits vorhandene Lösungen weiter zu verbessern.

2. Nachhaltige Landwirtschaft subventionieren

Zurzeit werden umwelt- und gesundheitsschädliche Landwirtschaftsformen durch unsere Steuern subventioniert. Die Trinkwasserinitiative möchte die Subventionierung so lenken, dass wir stattdessen eine pestizidfreie Lebensmittelproduktion und eine Tierhaltung, die aus eigenem Boden und ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz funktioniert, fördern. Damit stellen wir die Weichen für eine nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz und sorgen dafür, dass nur noch eine zukunftsfähige Landwirtschaft mit Direktzahlungen unterstützt wird.

3. «Wasser ist Leben»

Pestizide sind nicht nur in den Schweizer Böden weitverbreitet, sondern gelangen auch in unser Trinkwasser. Laut Bund geht ein Totalverbot der Pestizide zu weit, da heute schon nur Pestizide, die für Mensch, Tiere und Natur sich sind, verwendet werden. Im Sommer 2020 wurden an mehreren Stellen das Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil im Grundwasser gemessen, die den Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter überschritten. Dennoch wurde letztes Jahr Grundwasserbelastungen von Chlorothalonil in 12 Kantonen gefunden. Der Wirkstoff gegen Pilzkrankheiten wurde vom Bund vorübergehend als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft, der Entscheid dann jedoch vom Hersteller Syngenta siegreich angefochten. Nun darf das Bundesamt die Wirkstoffe nicht als toxikologisch relevant bezeichnen, weil dies aufgrund der breiten medialen Ausstrahlung des Themas dem Ruf von Syngenta schaden könnte. Es ist also nicht verboten, eventuell gesundheitsschädigende Wirkstoffe zu produzieren und in der Landwirtschaft anzuwenden, sondern darüber zu informieren. Das Beispiel zeigt ausserdem, dass wir nicht genügend wissenschaftliche Studien haben um gültige Aussagen über die Gesundheitsrisiken zu treffen. Denn der neue Grenzwert für Chlorothalonil ist so tief, dass er bis vor kurzem gar nicht messbar gewesen wäre. Die Auswirkungen von Chlorothalonil und daher auch der geeignete Grenzwert sind umstritten, da wissenschaftlich noch nicht ganz klar ist, ob das synthethische Pflanzenschutzmittel krebserregend ist oder nicht. Wir wissen jedoch aus wissenschaftlichen Studien, dass bei der alltäglichen Aufnahme von kleinen Pestzidmengenmengen langfristig gesundheiteliche Auswirkungen auftreten können (siehe z.B. Krebsliga).

4. Biodiversitätsverlust durch gravierende Überdüngung stoppen

Übermässige Stickstoffeinträge sind eine der Hauptursachen für den Rückgang der Biodiversität in der Schweiz. Und zusätzlich zu den immensen Umweltschäden gelangt das als krebserregend eingestufte Nitrat auch in unser Trinkwasser. Das ist kein neues Problem; der Bund hat sich seit den 90er Jahren wiederholt verschiedene Ziele zur Reduktion der Stickstoffemissionen gesetzt. Aber keines dieser Zeile wurde bisher erreicht. Die Ursache für die Überdügung? Wir halten zu viele Nutztiere in der Schweiz. Das ist nur möglich, weil wir den Grossteil des Futters importieren – insbesonere Kraftfutter aus Soja (was übrigens massiv zur Regenwaldabholzung beiträgt). Die Trinkwasserinitiative fordert deshalb eine Regulierung der Tierbestände auf eine bodenabhängige Produktion. Subventionen sollen nur dann bezahlt werden, wenn die Tierbestände mit Schweizer Futter ernährt werden. Somit währe der Kreislauf geschlossen und man könnte die hohen Nitratwerte im Grundwasser und umwelt- und klimaschädigende Ammoniak und Stickstoffüberschüsse senken.

5. Übermässiger Einsatz von Antibiotika stoppen

Antibiotikaresistente Bakterien sind ein weltweites Problem, denn die Behandlung von bakteriellen Infektionen mit resistenten Keimen wird sehr schwierig bis hin zu unmöglich. Grund für die Zunahme der resistenten Bakterien ist der übermässige und prophylaktische Einsatz von Antibiotika insbesondere in der Tiermedizin. Trotz der nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR), die der Bundesrat 2015 verabschiedet hat, sind weitere Anstrengungen für die Eindämmung der Antibiotikaresistenzen notwendig. Daher fordert die Trinkwasserinitiativ, dass Landwirtschaftsbetriebe, die Antibiotika in der Tierhaltung prophylaktisch einsetzen oder deren Produktionssystem einen regelmässigen Einsatz von Antibiotika nötig macht, von den Direktzahlungen ausgeschlossen werden.

1 Kommentar

  1. Wenn ich wahrnehme, dass sich kaum jemand um Pflanzen, wie das einjährige Berufskraut kümmert, dann denke ich, die Verantwortung aller zum Schutz der Natur ist an einem sehrkleinen Ort. Und den Landwirten wird der schwarze Peter in die Schuhe geschoben.
    Oder?

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