StartHintergrundReportageKünstliche Sandschüttungen zur Unterstützung der Uferschwalben

Künstliche Sandschüttungen zur Unterstützung der Uferschwalben

Künstliche Sandschüttungen können für Uferschwalben als Ersatzlebensraum herhalten. Im Kanton Aargau sind in den letzten Jahren einige dieser Brutplätze entstanden. Ein aktuelles Projekt in Würenlingen zeigt, wie durch Zusammenarbeit vom Kanton Aargau, Kiesgrubenbetreibern und Artenförderern die Uferschwalben unterstützt werden können.

Es geht nicht mehr lange, bis die Uferschwalben (Riparia riparia) aus ihren Winterquartieren in die Schweiz zurückkehren. Ursprünglich brüteten sie in frisch abgebrochenen Steilhängen unverbauter Flussufer — ein Habitat, das in der Schweiz inzwischen kaum mehr zu finden ist. Stattdessen haben die Schwalben in südexponierten Steilwänden von Kiesgruben einen Ersatzlebensraum gefunden. Dort finden sie geeignete Sandlinsen, in denen sie ihre Brutröhren graben können. 

Von Flussläufen zu Kiesgruben zu Sandhaufen

Die Situation für die Uferschwalben ist ernst: Die Art ist in der Schweiz stark gefährdet. Laut der Schweizerischen Vogelwarte Sempach gibt es mittlerweile nur noch 2’300 bis 3’000 Brutpaare, eine dramatische Reduktion im Vergleich zu den 90er Jahren, als der Bestand noch doppelt so gross war. An Flussufern gibt es inzwischen keine Brutpaare mehr. Änderungen im Kiesabbau haben zur Folge, dass auch da geeignete senkrechte Steilwände für Uferschwalben zunehmend fehlen. Um den Uferschwalben in dieser schwierigen Lage zu helfen, setzen Naturschutzorganisationen und Kantone auf künstliche Brutwände. Im Kanton Aargau geschieht dies oft in Zusammenarbeit mit den Grubenbetreibern von Kiesgruben, in denen während des Abbaus Uferschwalben gebrütet haben.

Vor kurzem ist in einer Kiesgrube in Würenlingen im Kanton Aargau eine künstliche Sandschüttung unter Bauherrschaft der ALG erstellt worden. Seit mehr als dreissig Jahren haben dort Uferschwalben in den Wänden der Kiesgrube gebrütet, doch seit 2022 bleibt der Brutstandort verwaist. Die Ursache ist einfach: Die natürlichen Sandlinsen, die für das Graben der Brutröhren nötig sind, sind mittlerweile erschöpft. Die Abteilung Landschaft und Gewässer (ALG) des Kantons Aargau hat nun gemeinsam mit dem Grubenbetreiber eine alternative Lösung gefunden. Eine künstliche Sandschüttung soll den Uferschwalben wieder einen geeigneten Brutplatz bieten.

Aus unternehmerischer Not zur Artenförderung

Dass künstliche Sandschüttungen von Uferschwalben angenommen werden, ist eine relativ neue Entdeckung. Der Aargauer Kiesunternehmer Ueli Müller hatte 2011 beobachtet, wie die Uferschwalben versuchten, ihre Brutröhren in ein verkaufsfertiges Sanddepot zu graben. Da das Brutgeschäft von Vögeln in der Schweiz geschützt ist, durfte er den Sand also während der Brutzeit nicht mehr verkaufen. Kurzerhand errichtete er einen Ersatzhaufen, welcher prompt von den Uferschwalben angenommen wurde.

Auch in Würenlingen legt Ueli Müller Hand an. Das erste Mal treffen wir ihn im Juli 2024, um die Situation vor Ort gemeinsam mit dem Grubenbetreiber zu besprechen. Schnell ist klar, wo die Sandschüttung errichtet werden soll. Es braucht einen flachen Standort, denn die Uferschwalben benötigen die Möglichkeit für einen freien Anflug in einem Umkreis von 75 Metern. Einzig ein freistehender Baum in unmittelbarer Nähe müsste noch entfernt werden, denn dieser stellt eine ideale Sitzwarte für Prädatoren wie bspw. Falken dar.

Erfolgsträchtige Fördermassnahme für die Uferschwalbe

Der Kanton Aargau zählt seit 1994 jährlich zwischen 9-24 Uferschwalben-Kolonien. Die Anzahl Standorte nimmt auch hier tendenziell ab, wenngleich nicht so stark wie in der restlichen Schweiz. Die künstlichen Sandschüttungen sind für diese Entwicklung entscheidend. 2024 brüteten im Kanton Aargau erstmals mehr Kolonien in künstlichen Sandschüttungen, als in den angestammten Brutstandorten wie Abbauwänden. Dank Anlage von mehr als zehn künstlichen Sandschüttungen, erholt sich der Bestand der Uferschwalben (gemessen in Anzahl Röhren) im Kanton Aargau.

Grosses Projekt für kleine Vögel

Wer sich unter einer Sandschüttung für Uferschwalben einen kleinen Sandhaufen vorstellt, irrt sich gewaltig. In unserem Fall handelt es sich um ein Projekt mit 900 Tonnen Sand, das entspricht rund 36 Lastwagenladungen. Uferschwalben graben sich jedes Jahr neue Röhren, weshalb die Wand jedes Jahr um circa einen Meter frisch abgestochen wird. Entsprechend braucht sie eine gewisse Grösse, um einige Jahre herhalten zu können. Bei der Schüttung mit einem Ausmass von normalerweise ca. 15×15 Meter Grundfläche und 3,5 m Höhe, handelt es sich um eine bewilligungspflichtige Baute, für welche vorgängig ein Baugesuch eingereicht werden muss. Bauherrin ist in diesem Fall die ALG.

Nach erhaltener Baubewilligung treffen wir uns Ende Januar 2025 erneut mit Ueli Müller, er sitzt im Bagger mitten auf der Sandschüttung. Als wir eintreffen, hat er bereits die Hälfte der geplanten 900 Tonnen Sand aufgeschüttet und fachmännisch mit seinem Bagger verdichtet — fast zwei Meter hoch ist die Uferschwalbenwand bereits. Nicht jeder Sand eignet sich für diesen Zweck. Stolz zeigt uns Ueli Müller seinen «perfekten Uferschwalbensand». Bei diesem Feinsand haben 90% der Körner einen Durchmesser kleiner als 0.5mm.

Den «perfekten Uferschwalbensand» hat Ueli Müller durch viel tüfteln und ausprobieren selbst entwickelt. Bild: © Rhonda Müller.

Bereit für die Rückkehr der Uferschwalben

Nach drei Arbeitstagen ist das Werk vollbracht. Nun muss die Wand vor der Rückkehr der Uferschwalben Ende März noch senkrecht abgestochen werden. Wir sind gespannt, ob die Uferschwalben bereits dieses Jahr einziehen. Die Erfahrung zeigt, dass es bis zu drei Jahren dauern kann, bis eine künstliche Sandschüttung von Uferschwalben besiedelt wird. Für den Moment heisst es, Abwarten und Tee trinken. Und vielleicht schon den nächsten Standort für eine weitere künstliche Sandschüttung abklären.

Der Schutz bestehender Brutstandorte ist aber genauso essenziell. Der Kanton Aargau unterstützt Grubenbetreiber mit einer entsprechenden Beratung. Das Video zeigt eine bereits besiedelte Uferschwalbenwand in Rietheim (AG). Dort können seit 2019 jährlich 400 Brutröhren gezählt werden.

Ein- und Ausflug der Uferschwalben in der Uferschwalbenwand Rietheim (AG). Video: © Rhonda Müller.

Auch in Würenlos (AG) entstand vor kurzem eine Uferschwalbenwand. Auch hier hat Ueli Müller die von BirdLife finanzierte Sandschüttung errichtet, erneut in Zusammenarbeit mit dem Kanton Aargau. Das Video zeigt, wie die Wand gebaut wurde. Sowohl in Würenlingen als auch in Würenlos ist nun alles bereit für die baldige Rückkehr der Uferschwalben.

© Kanton Aargau via YouTube.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte Kommentar eintragen
Bitte geben Sie ihren Namen hier ein

Newsletter Anmeldung

Erhalten Sie die neusten Jobs und News.

Dank Ihrer Hilfe können wir spannende Artikel aufbereiten, den Veranstaltungskalender pflegen und die Job-Platform betreuen.

TOP-NEWS