Prachtlibellen gehören mit ihren Schillerfarben zu den attraktivsten Fluginsekten unserer Breitengraden. Faszinierend sind aber auch ihr Paarungsverhalten und ihre bemerkenswerten Flugkünste. An der renaturierten Aare zwischen Bern und Thun erholen sich ihre Bestände allmählich.
Bilder und Text von Adrian Hirsbrunner, fotorganic.ch
Von Mai bis August lassen sich an kleinen und sauberen Fliessgewässern zwei äusserst interessante Libellenarten beobachten. Von ihrem Flugverhalten und ihren grossen, schillernden Flügelpaaren her erinnern sie im ersten Augenblick an Schmetterlinge. Wer innehält und genauer hinschaut, wird jedoch schnell erkennen, dass es sich um Libellen handelt: Es sind zwei Kleinlibellenarten, die der Familie der Prachtlibellen (Calopterygidae) angehören: Die Gebänderte Prachtlibelle und die Blauflügel-Prachtlibelle.
Die neu erschaffenen künstlichen Mäander und Dämme geben der Aare zwischen Thun und Bern allmählich den Charakter eines natürlich fliessenden Gewässers zurück. Das freut nicht nur Biber und Eisvogel, auch die Prachtlibellen profitieren davon. Nachdem die Schweizer Flüsse in den letzten 300 Jahren mehr und mehr begradigt wurden und dabei Gülle und Pestizide ungehindert einfliessen konnten, geht es heute um einen Gewässerschutz, der Mensch und Natur erfreuen kann.
Lebensraum und Gefährdung
Die Gebänderte Prachtlibelle bewohnt langsam fliessende Flüsse und Bäche mit guter bis mässiger Wasserqualität deren Ufer mit genügend Vegetation wie Röhricht oder Erlenbüschen bewachsen ist. Sie gilt daher in der ganzen Schweiz als nicht gefährdet.
Die Blauflügel-Prachtlibelle benötigt saubere und kleine Fliessgewässer mit einer relativ hohen Deckung an Wasserpflanzen (besonders Igelkolben und Merk) und ist daher weitaus seltener anzutreffen als die Gebänderte Prachtlibelle. Im Kanton Bern etwa gibt es nur noch drei grosse Populationen bei Wichtrach, Belp und an der Önz. Dennoch ist sie in der Schweiz gemäss Roter Liste gesamthaft als nicht gefährdet eingestuft.
Vom Embryo zur Geschlechtsreife
Nach der Embryonalentwicklung im Innern des Eis, die 20 bis 30 Tage dauert, beginnt für die Prachtlibellen das Leben als Larve in ruhigen Fliessgewässern. Die Larven ernähren sich vor allem von Insektenlarven wie etwa denen der Eintagsfliegen, Zuckmücken, Kriebelmücken oder Flohkrebsen. Sie durchlaufen während ihrer Entwicklung 12 bis 13 Stadien, die sie jeweils mit einer Häutung abschliessen.
Bis zur Imaginalhäutung, der letzten Häutung zum adulten Insekt, benötigen die Prachtlibellen in Mitteleuropa ein bis zwei Jahre. Die Prachtlibellenlarven kriechen dann ans Ufer und suchen sich einen gut versteckten Platz in der Ufervegetation wo sie an einem Pflanzenstängel emporklettern.
Flugzeit und Paarungsverhalten der Prachtlibellen
Die Flugzeiten der Prachtlibellen dauern nur etwa 40 bis 50 Tage. Nach den ersten 10 Tagen der Reifezeit, die mit Jagen und energiesparendem Sonnenbaden verbracht werden, beginnt die Paarungszeit in der die Fortpflanzung im Vordergrund steht. Wer sich jetzt hinsetzt und sich ein paar Stunden Zeit nimmt um das Schauspiel zu beobachten, wird dem faszinierenden Verhalten der Prachtlibellen schnell erliegen.
Als Erstes fällt auf, dass der Flug der Prachtlibellen, den man anfänglich für etwas unbeholfen und schmetterlingshaft halten mag, in Wirklichkeit sehr variabel ist und so gar nichts mit dem Flug der Schmetterlinge zu tun hat. Wie alle anderen Libellenarten auch, können Prachtlibellen ihre vier Flügel nämlich einzeln steuern, was ihnen eine grosse Bandbreite verschiedener Flugarten ermöglicht. Ihre grossen Flügel ermöglichen ihnen bei günstigen Bedingungen sogar für kurze Zeit auszusetzen und zu segeln.
Eine Spezialität ist der frontalen Drohflug bei dem das Prachtlibellen-Männchen beide Flügel nach vorne klappt, um so gegenüber Rivalen grösser zu erscheinen. Um die dunklen Flügel möglichst lange wirken zu lassen, schlägt es sie dabei mit sehr niedriger Frequenz.
Eine andere Art des Drohflugs ist der sogenannte Pendelflug bei dem ein dominantes Männchen wie ein Pendel schwingend vor dem Rivalen hin und her fliegt. Bei jedem Vorbeiflug zeigt es ein Seitwärtsdrohen und wendet dem Rivalen seine ganze Breitseite zu. Dabei hält es die Vorderflügel still und fliegt nur noch mit den Hinterflügeln.
Manchmal kommt es zwischen Prachtlibellenmännchen auch zur wilden Verfolgungsjagd die bis über eine Stunde andauern kann. Dabei probieren sich die Kontrahenten im Schraubflug gegenseitig vom Wasser abzudrängen. Diese Kämpfe werden in einer Höhe von bis zu 20 Metern über der Wasseroberfläche ausgetragen.
Ein Coeur d’Amour zur Fortpflanzung
Durchquert ein Weibchen bei der Suche nach geeigneten Eiablageplätzen das Revier eines Männchens, wird es von diesem im sogenannten Schwirrflug angeworben.
Lässt das Weibchen den Partner zu, setzt er sich auf den Flügeln des Weibchens nieder und packt mit seinen Greifzangen am Hinterleib den Kopf des Weibchens. Nachfolgend kommt es meist zu einem kurzen Tandemflug und anschliessend zur Kopulation. Dabei entsteht das sogenannte Paarungsrad oder «Coeur d’Amour» wie es in der französischen Sprache aufgrund seiner Herzform bezeichnet wird.
Die Paarung dauert von wenigen Sekunden bis zu 20 Minuten. Danach zeigt das Männchen dem Weibchen die Stelle innerhalb seines Reviers, die es sich zur Eiablage ausgesucht hat. Die Eier werden ins Pflanzengewebe unterhalb der Wasseroberfläche abgelegt. Dabei kann es auch vorkommen, dass das Weibchen zur Eiablage ganz ins Wasser abtaucht. Es kann ohne aufzutauchen bis zu 90 Minuten unter der Wasseroberfläche verbleiben. Mit der Eiablage beginnt der Lebenszyklus der schillernden Gefährten von Neuem.
Metallglanz und Schillerfarben
Die Schillerfarben der Blauflügel-Prachtlibelle und der Gebänderten-Prachtlibelle fallen sofort ins Auge! Sie verleihen den Insekten eine Exotik, die unmittelbar an Kolibris oder tropische Schmetterlinge erinnern.
Das Geheimnis dieser Farben liegt in den mehrfach übereinander liegenden, hauchdünnen transparenten Chitinschichten des Insektenpanzers, welche regelmässige Strukturen bilden die das weisse Licht brechen. Das Licht wird von den verschiedenen Chitinschichten nicht zeitgleich, sondern zeitversetzt reflektiert. Dabei kommt es zu einer Überlagerung der reflektierten Lichtwellen. Diese verstärkte Reflexion ermöglicht eine intensivere Farbwahrnehmung, als sie bei normalen Pigmentfarben möglich wäre.
Da die Wahrnehmung dieser Farben von der Richtung der Lichtquelle und dem Betrachtungswinkel abhängig sind, entsteht ein Schillereffekt. Die Schillerfarben der Prachtlibellenmännchen reichen je nach Lichteinfall von Aquamarin über Dunkelcyan bis Mittelblau und Dunkelblau.