Die Abstimmung über die Biodiversitätsinitiative rückt immer näher. Umso wichtiger also, jetzt noch einmal alle zu mobilisieren, am 22. September ein JA in die Urne zu legen. Sie sind noch auf der Suche nach einem Grund, um JA zu stimmen oder jemanden zu einem JA zu überzeugen? Wir haben vier.
1. Der Biodiversität in der Schweiz geht es schlecht
Man kann es schönreden, wie man will. Obwohl die Schweiz über beste Bedingungen für eine reiche biologische Vielfalt verfügt, geht es der Biodiversität schlecht. Fast die Hälfte der Lebensräume ist bedroht. Ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten ist bedroht oder bereits ausgestorben. Und auch im internationalen Vergleich steht die Schweiz besonders schlecht da. In Europa gibt es nur eine Handvoll Länder, die über weniger geschützte Landesfläche verfügen als die Schweiz mit ihren bereits optimistisch berechneten 13%. Und das, obwohl die Schweiz deutlich mehr bedrohte Arten und Lebensräume hat als die meisten anderen Ländern.
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat 2023 einen Bericht über die Biodiversität in der Schweiz veröffentlicht. Darin ist festgehalten, dass die Biodiversität in der Schweiz insgesamt in einem schlechten Zustand ist: «Sie vermag die Bereitstellung der Ökosystemleistungen nicht mehr langfristig zu gewährleisten.» Das BAFU schreibt weiter, dass die biologische Vielfalt in der Schweiz seit 1900 deutlich abgenommen hat, hauptsächlich aufgrund der nicht nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen. Dem Bund ist also bewusst, wie es um unsere Biodiversität steht und dass dringend gehandelt werden muss.
2. Die bisherigen Massnahmen reichen nicht aus
In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedenste Massnahmen zugunsten der Biodiversität beschlossen. Allerdings konstatiert selbst das BAFU, dass «die bisherigen Instrumente und Massnahmen zwar teilweise erfolgreich, aber längst nicht ausreichend sind. Der Verlust an Lebensräumen und Artenvielfalt sowie die Verschlechterung der Lebensraumqualität konnte nicht gestoppt werden.»
Seit 1990 wurden über 7’000 Biotope von nationaler Bedeutung ausgewiesen. Bis Ende 2020 sollte ein Grossteil davon umgesetzt, also ausreichend geschützt und saniert, sein. Doch die Auswertung zum Stand der Umsetzung 2021 hat ergeben, dass bei 75% aller Biotopobjekte die Umsetzung ungenügend ist! Gerade einmal 17% sind ausreichend gesichert. In keinem einzigen Kanton wurden alle ausgewiesenen Biotope fertig umgesetzt. Bund und Kantone nehmen ihre Verantwortung also nicht einmal bei diesen allerwichtigsten Flächen wahr! Damit nicht noch mehr Zeit verstreicht, braucht es deshalb zusätzliche Mittel.
Mit der Unterzeichnung der Biodiversitätskonvention 1992 hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, eine Biodiversitätsstrategie zu erarbeiten. Die Strategie Biodiversität Schweiz wurde 2012 — 20 Jahre später — verabschiedet und definiert zehn Ziele zur Erhaltung der Artenvielfalt, der Ökosysteme und der genetischen Vielfalt. 2017 wurde dann schliesslich der Aktionsplan Strategie Biodiversität Schweiz verabschiedet, der diese Ziele in konkrete Massnahmen umsetzt. Eine Zwischenevaluation hat gezeigt, dass nur ein Drittel der beschlossenen Massnahmen auf Kurs ist. Ein Drittel ist sogar stark verspätet. Zwar konnte ein Grossteil der Massnahmen wieder auf Kurs gebracht werden, doch ging dies mit einer geringeren Wirkung der Massnahmen zugunsten der Biodiversität einher.
Weiterhin hat sich die Schweiz im Rahmen der Biodiversitätskonvention (CBD) 2010 dazu verpflichtet, bis 2020 17% ihrer Landesfläche zugunsten der Biodiversität zu sichern. Mit den erreichten 13% gilt dieses Minimalziel als verfehlt. Auch Biodiversitätsförderflächen haben laut dem BAFU zwar einen positiven Effekt auf die Biodiversität des Agrarlandes, die bisher umgesetzten Fördermassnahmen können allerdings nicht die Biodiversitätsverluste im Agrarland kompensieren. Es ist also höchste Zeit, endlich wirksame Massnahmen einzuführen und durchzusetzen.
3. Jetzt handeln kostet weniger
Eine gesunde Biodiversität liefert uns diverse Dienstleistungen, auf die wir angewiesen sind. Nichthandeln kann die Schweiz mit dem einhergehenden Biodiversitätsverlust also teuer zu stehen kommen. Die Kosten des Nichthandelns nehmen jährlich zu und werden 2050 gemäss einer Studie von Ecoplan bereits 14 bis 16 Milliarden pro Jahr betragen. Diese Kosten entstehen durch eine Veränderung beziehungsweise Verschlechterung der Ökosystemleistungen. Gesunde, vielfältige Ökosysteme fördern, beziehungsweise ermöglichen Schutz vor Naturgefahren, Bestäubung, Filterung von Wasser und Luft, land- und forstwirtschaftliche Produktivität und viele weitere Leistungen.
In einer 2020 erschienenen Studie identifiziert das WSL 160 Subventionen, die sich schädigend auf die Biodiversität auswirken. Die Gesamtsumme dieser Subventionen beträgt 40 Milliarden Franken, dem gegenüber stehen die 520 Millionen bis 1.1 Milliarden Franken — je nach Berechnung — die die öffentliche Hand in biodiversitätsfördernde Massnahmen investiert. Der Bundesrat hat aber beschlossen, nur ganze 8 Subventionen überhaupt mal näher zu untersuchen. Zeit dafür ist bis Ende 2024 – obwohl die Schweiz sich im Rahmen des Aichi-Ziels 3 verpflichtet hat, alle
biodiversitätsschädigenden Subventionen und Anreize bis 2020 abzuschaffen, abzubauen oder umzugestalten!
Was die Umsetzung der Biodiversitätsinitiative genau kosten würde, ist schwierig abzuschätzen, da die Initiative kein konkretes Flächenziel vorschreibt. Der Bundesrat geht jedoch von circa 400 Millionen Franken jährlich aus. Man braucht kein Mathematikstudium, um auszurechnen, dass es sich mehr lohnt, die Biodiversitätskrise jetzt anzugehen, als in Zukunft Milliarden auszugeben, um den Biodiversitätsverlust zu kompensieren.
4. Weil Biodiversität unsere Lebensgrundlage ist
«Um unsere Lebensgrundlagen erhalten» ist eines der Hauptargumente der Biodiversitätsinitiative. Doch was meint dies genau?
Als Gesellschaft profitieren wir von zahlreichen Leistungen der Natur von hohem ökologischem, wirtschaftlichem und sozialem Wert. Die Biodiversität ist hierbei die Basis für die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme. Die Regulierung des Klimas, die Filterung der Luft und des Wassers und die Befruchtung von Pflanzen sind nur einige Beispiele für Funktionen, die von gesunden, vielfältigen Ökosystemen übernommen werden.
Das Aussterben von Bestäubern und der Verlust von fruchtbaren Böden gefährdet unsere Ernährungssicherheit, das Verschwinden von Feuchtgebieten und kranke Wälder verhindern, dass wichtige Giftstoffe und Chemikalien aus dem Wasser gefiltert werden. Auch unsere Gesundheit leidet unter dem Biodiversitätsverlust, denn das Risiko von Infektionskrankheiten wird durch eine gesunde Biodiversität und eine grosse genetische Vielfalt gesenkt. Und nicht nur für die physische, sondern auch für die psychische Gesundheit sind Umweltfaktoren zentral. Studien belegen, dass Kontakt mit der Natur gesundheitsfördernd ist und auch Stress, Müdigkeit, Angst und Depressionen verringern kann. Kurz: Biodiversität ist lebensnotwendig für uns.
Um abschliessend das BAFU aus dem Vorwort des Berichts «Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung» zu zitieren: «Eine reichhaltige biologische Vielfalt ist kein Luxus, den man sich leisten mag oder nicht; sie ist die Grundlage unserer Ernährung, hilft, das Klima zu regulieren, reinigt die Luft und Wasser, dient unserer Gesundheit und ermöglicht eine prosperierende Wirtschaft, kurz: Sie bildet eine wichtige Grundlage unserer Wohlfahrt.»
Also: Lasst uns am 22. September 2024 einen wichtigen Schritt in Richtung Erhalt der Schweizer Biodiversität gehen und ein JA in die Urne legen!
Quellen und weitere Informationen:
Bundesamt für Umwelt, BAFU (2023): Biodiversität in der Schweiz: Zustand und Entwicklung.
Bundesamt für Umwelt, BAFU (2022): Stand der Umsetzung der Biotopinventare von nationaler Bedeutung: Kantonsumfrage 2021.
Forum Biodiversität Schweiz (2020): Hotspot: Argumente für die Erhaltung der Biodiversität.
Gubler, L., Ismail, S.A., Seidl, I. (2020): Biodiversitätsschädigende Subventionen in der Schweiz. Grundlagenbericht. Überarbeitete 2. Auflage. WSL Ber. 96. 216 S.
Vor zwei Jahren gab Pro Natura Schweiz den Anteil an Schutzgebietsflächen mit 6,6 % an, die OECD errechnete in ihrem letzten Bericht knapp 10 %. Und seither ist kein Schutzgebiet dazu gekommen. Woher das BAFU jetzt plötzlich auf 13,3 % kommt, bleibt sein Geheimnis.
Viel schlimmer ist aber noch die Verschlechterung des Zustands in den Schutzgebieten: Nur gerade knapp 20 % der Flächen sind in einem guten Zustand!
Effektiv weist die Schweiz also höchstens 2 % geschützte Flächen auf. Diese sind in viel zu viele Kleinstflächen aufgesplittet, die untereinander nicht vernetzt sind. Leider sind die Zustände in anderen Ländern nicht grundsätzlich besser, aber immerhin auf einem deutlich höheren Flächenniveau.
Vielleicht wäre es für den Abstimmungskampf besser, Klartext zu reden, als die Situation mit BAFU-Zahlen zu beschönigen!
Übernutzung durch zuviele Menschen auf der Fäche der Schweiz.
Das ist die wahre Ursache der Problematik. Aber niemand will es wahrhaben, geschweige es zu benennen und Gegemassnahmen zu ergreifen.
Echt jetzt? All die unzugänglichen Wälder in den Alpen, welche kaum bewirtschaftet werden, falls sie keine Schutzwälder sind, die solllen nicht zählen, weil sie nicht formell Nationalparks sind? Auch nicht riesigen die unbewirtschafteten Flächen oberhalb der Waldgrenze? Es verlassen dort äusserst Wenige die Wanderwege, wenn sie überhaupt über die Betgstation hinauskommen. Machen wir uns doch nicht schlechter als wir sind.