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Hotspot Naturgarten – Der Laubritter: Betrachtung einer verkannten Spezies

Jasmin Jansen
Jasmin Jansen
Jasmin Jansen wird ab jetzt zusammen mit Christine Dobler Gross (seit 2012) und Beatrix Mühletaler (seit 2014) aus ihrem Naturgarten erzählen. Sie ist am Rande eines der grössten Ballungszentren in Europa aufgewachsen und hat erst in ihrem Zürcher Naturgarten die Bekanntschaft mit Blindschleichen und Schwalbenschwänzen gemacht. Als echtes Grossstadtkind ist das Gärtnern für sie immer wieder ein Blick in eine unbekannte Schatzkiste. Erst kürzlich hat sie einen lange Zeit brach liegenden Garten übernommen.

Seit einigen Jahren vermehrt sich die Spezies der Laubritter in erschreckendem Ausmass. Diese wenig possierlichen Gesellen sind inzwischen zwar das ganze Jahr über aktiv, können aber insbesondere im Herbst in ihrem arteigenen Habitat – ausserhalb des Naturgartens – beobachtet werden.

Kaum etwas ist so schön, wie ein klarer Herbstmorgen. Die herbstlich-tiefstehende Sonne, die durch bunte Baumwipfel fällt und die mit Raureif glitzernden Gräser in dieses ganz spezielle Licht taucht. Diese unvergleichliche Klarheit der Luft, die es nur an einem Herbstmorgen gibt. Und dann…FRÖÖÖÖÖÖM – ein Laubbläser. Bereits der dritte diese Woche. Und es ist erst Dienstag. 

Herbstzeit ist Laubritter-Zeit. © Christine Dobler Gross

Vielleicht war es früher einmal ein Sinnbild von Ruhe und Beschaulichkeit in einem Haus mit «viel Grün» drumherum zu wohnen, aber heutzutage ist es eher eine Garantie dafür, dass man nicht allzu Lärmempfindlich sein sollte. Was einst ein beschaulicher Gärtnerberuf war, ist heute der Job des «Landschaftspflegers». Wenn es überhaupt soweit kommt und der Krach nicht einfach von der Hausreinigung mit übernommen wird, um grad noch ein Maschinchen mehr abzurechnen. Da hat man wenigstens aktiven Anteil an dem, wofür die Mietnebenkosten eingesetzt werden. Es ist sozusagen auch «mein» Laubbläser, der mir da den Tag versüsst. Wie schön. Oder es ist weder/noch, sondern nur der brave Reinigungsbewusste Strassen-Mitbewohner, der sich heldenhaft aufopfert, um die Gefahren des hinterhältigen Laubes zu bannen und die Flächen von diesen schändlichen Spuren der Natur zu befreien.

Aber was geht wohl in ihm vor, in diesem Helden des pustenden Dröhnens, der mit solcher Hingabe seine Bürde trägt und selbst dort noch ins Antlitz des bunt raschelnden Feindes schaut, wo ihn Normalsterbliche gar nicht mehr wahrnehmen? In seiner Phantasie mögen gar holde Jungfrauen am Wegesrand stehen, in wallenden Gewändern, mit im Winde wehendem glänzendem Haar und vertrauensvoll blickenden Augen. «Rette uns, edler Ritter!», rufen sie wohl, «Das schreckliche Laub! Es ist allüberall und bedroht uns in gar unvorstellbarer Weise!». Einem solchen Hilferuf kann man natürlich nicht tatenlos gegenüberstehen! Stolz wirft sich der Held in die Brust, betätigt sein dröhnendes Excalibur und bläst sie wacker hinfort, all die ruchlosen Blätter. «Dort ist noch eins!» rufen die Jungfrauen. «Und dort!» Doch sie müssen nicht fürchten, jedes einzelne Blatt wird seinem gerechten Schicksale entgegengeblasen. 

Mutig stellt sich der Laubritter seinen raschelnden Feinden, selbst wenn sie noch hängen. © Christine Dobler Gross

Des Nachts träumt dann womöglich der Laubritter von diesen jungen Schönen. Doch nun tragen sie keine wallenden Gewänder, sondern Kleider, die ganz aus Laub gemacht sind. In alle Farben des Herbstes gekleidet stehen sie da und rufen ihn um Hilfe an. Und jedes Mal, wenn er wieder ein einzelnes Blatt hoch in die Luft weht, jubeln sie ihm zu und werfen dankbar ihre Arme empor. Doch dabei lösen sich Blätter von ihren Kleidern und fallen zu Boden. «Dort ist noch eins!», rufen sie dann wieder und noch einmal muss er zur Rettung eilen. Doch wieder rieseln in der enthusiastischen Begeisterung der geretteten Jungfern weitere Blätter zu Boden. Es will einfach kein Ende nehmen.

«Sie sind überall!» ruft der Laubritter aus, als er gestresst und keuchend aus derlei Träumen hochfährt und klagt seiner Gattin sein Leid. «Überall sind sie! Und egal, wie sehr ich blase, es werden immer mehr! Und die Jungfrauen! Sie verlangen, dass ich alles hinfort blase! Doch es will einfach nicht enden!» Die Gattin aber dreht sich nur nach der anderen Seite herum und seufzt. «Jeden Herbst das gleiche Theater!», denkt sie bei sich. «Dieses Jahr bestelle ich beim Samichlaus einen Rechen für ihn. Vielleicht ist dann endlich Ruhe.»

So eine Laubschicht mag zwar harmlos daherkommen, … © Christine Dobler Gross
…doch hier lauern urzeitlich anmutende Kreaturen… © Christine Dobler Gross
…und mit gefährlichen Stacheln bewehrte Bestien! © Christine Dobler Gross
Aber keine Angst vor dem bösen Laub! © Christine Dobler Gross
Rettung ist unterwegs. © Jasmin Jansen

3 Kommentare

  1. Bravo liebe Jasmin! da komme ich mir mit dem flotten Reisigbesen wirklich vorig vor. Wobei – meiner Meinung nach ist der Reisigbesen schneller und effizienter. Melde mich somit gerne zur Laub-Olympiade an.

  2. Interessenskonflikt: Meine hohe Hecke aus einheimischem Gehölz streut eine dichte Schicht Laub in meine Streuobstwiese. Amseln und andere Vögel freuts. Lasse ich jedoch das Laub auf der Wiese, verschwindet das Gras und macht Heckenpflanzen (Hartriegel) den Weg frei. Also muss ich die Wiese nun säubern, mit dem Laubrechen und nicht zu sauber. Das Laub baue ich alsdann wieder in die Hecke ein. Zu meinem Erstaunen, blasen Stürme das Laub kaum zurück in die Wiese.

  3. Ich weiss von einem Laubritter, der alles, das Laub produzierte, bodeneben absägte. Doch dann begann der Kampf gegen die Erdhäufchen der Regenwürmer im Rasen, welche vom Laubbläser resp. Erdhäufchenbläser regelmässig entfernt werden mussten, bis auch das zum Alptraum wurde. So ist jetzt dort ein Steingarten geworden, nicht gut für mich, keine Regenwürmer mehr…….und die Frau muss mit dem Kind auf den Kinderspielplatz, weil es sich an den kantigen Steinen verletzt hat.

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