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Das erste Jahr über 1.5 Grad

Überschwemmungen, Waldbrände, Hitzewellen und Stürme — das erste Jahr, dass die berüchtigten 1.5 Grad überschritten hat, ist beinahe Geschichte. Zeit für einen Rückblick.

Es ist geschafft: 2024 ist das erste Kalenderjahr, in dem es im globalen Durchschnitt 1.5° wärmer war als im vorindustriellen Mittel (1850-1900). Damit ist das Pariser Klimaziel zwar noch nicht verfehlt — dafür muss die 20-jährige Mitteltemperatur 1.5° wärmer sein und nicht nur ein einzelnes Jahr — aber wir sind auf bestem Weg, dies Anfang der 2030er Jahre zu schaffen.

Gerechtigkeitshalber muss erwähnt sein, dass die Dezember-Daten in den Berechnungen noch fehlen. Jedoch müsste der Dezember noch ziemlich eisig werden, damit die 1.5 Grad-Marke 2024 nicht erreicht wird. Laut Prognosen des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus steuern wir nämlich bereits auf 1.55° Erwärmung zu. Die erste 12-Monats-Periode, in der die globale Durchschnittstemperatur 1.5° über dem vorindustriellen Mittel lag, wurde übrigens bereits Anfangs dieses Jahres, im Februar 2024, geknackt. Zudem beendete der Juli eine beeindruckende Serie: Dreizehn Monate lang lag die globale monatliche Mitteltemperatur jeden Monat über dem bisherigen Höchstwert. Auch der heisseste, jemals gemessene Tag wurde dieses Jahr, am 22. Juli, erreicht.

Wie also war das erste Jahr über der berüchtigten 1.5 Grad-Schwelle? Wenn ich an das Klimajahr 2024 zurückdenke, denke ich einerseits an den gefühlt verregneten, kalten Sommer in der Schweiz. Doch dann denke ich auch an die vielen Naturkatastrophen, die uns mit den verheerenden Überschwemmungen und Murgängen ausnahmsweise auch in Mitteleuropa betroffen haben.

Das Jahr zusammengefasst

Viele fiebern Ende Jahr auf ihr «Spotify Wrapped» hin, erfahren sie doch dann endlich, wie viel Musik sie im vergangenen Jahr gehört haben und wie sie sich vom Rest der Masse abheben. Wie wäre es zur Abwechslung also mit einem — etwas zynischen — «Klima Wrapped 2024»?

  • Könige des CO2: Noch nie haben wir so viele Treibhausgase ausgestossen wie 2024. Die fossilen Brennstoffe? Noch immer Star der Show.
  • Heiss, heisser, 2024: Die globale Oberflächentemperatur lag durchschnittlich mehr als 1.5° über dem vorindustriellen Mittel. Die Dezember Daten fehlen zwar noch, aber es ist so gut wie amtlich, dass 2024 das heisseste Jahr seit Messbeginn wird.
  • Eisiger Tiefpunkt: Erst einmal seit Beginn der Messungen im Jahr 1979 gab es weniger antarktisches Meereis als in 2024 — der Rekord gehört weiterhin 2023.
  • Der Welt voraus: Während die globale Mitteltemperatur noch bei lausigen +1.5° rumhängt sind wir in der Schweiz natürlich sehr viel effizienter und schon bei +3.4° angelangt (Wert von 2023).
  • Ferien in der Badewanne: Noch nie war die Oberflächentemperatur des Mittelmeers so hoch wie am 15. August 2024. Bei 28.9° ist die Überwindung, schwimmen zu gehen, wirklich nicht mehr gross.

Doch auch was Naturkatastrophen angeht, hat sich 2024 definitiv nicht zurückgehalten. Die Kombination von Klimawandel und dem Wetterphänomen El Niño hat vielerorts für unberechenbare Wetterereignisse geführt.

  • Überschwemmungen: Sintflutartige Regenfälle haben grosse Teile von Nigeria, Mali, Niger, Tschad und Sudan unter Wasser gesetzt. Über vier Million Menschen waren und sind nach Schätzungen von den Fluten betroffen. Im Sudan ist in der Folge eine Choleraepidemie ausgebrochen. Auch in Europa kam es zu katastrophalen Überschwemmungen, in Spanien starben kürzlich über 200 Menschen.
  • Dürren: Im Süden Afrikas hat es 2024 praktisch nicht geregnet. Mehr als 26 Millionen Menschen sind durch die schlimmste Trockenperiode seit über 100 Jahren von Hunger, Unterernährung und Wasserknappheit betroffen. Auch Teile von Nord-, Zentral-, und Südamerika waren von massiven Dürren betroffen, was zu enormen Ernteeinbrüchen führte.
  • Waldbrände: Nach der katastrophalen Waldbrand-Saison 2023 gab es auch 2024 wieder gewaltige Waldbrände in Kanada und den westlichen USA. In Brasilien brannte in den drei bedeutenden Biomen Amazonas, Cerrado und Pantanal eine Fläche der Grösse Italiens ab.
  • Stürme: Die Karibik und USA wurden von einer Reihe sehr starker Hurrikane und Tornados heimgesucht. In den Philippinen trafen innerhalb eines Monats sechs verschiedene Tropenstürme ein. Zehntausende haben ihr Zuhause verloren.

Wir können jetzt schon mit Sicherheit sagen, dass 2024 nicht das letzte Jahr über 1.5° Erwärmung bleiben wird, haben wir doch immer noch rekordhohe CO2 Emissionen jedes Jahr. Doch wenn 2024 eines gezeigt hat, dann, dass wir alles dafür tun müssen, um so schnell wie möglich aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen und klimaneutral zu werden.

Es ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass die 1.5 Grad keine physikalische Schwelle des Klimawandels darstellen. Es gibt kein konkretes Grad-Ziel, bei dem der Übergang von einem sicheren Klima zu einem für Menschen gefährlichen Klima geschieht. Deshalb ist noch immer jedes Zehntel-Grad wichtig. Realistischerweise ist das 1.5 Grad-Ziel nicht mehr erreichbar. Und trotzdem darf es nicht aufgegeben werden.

Quellen und weitere Informationen:
State of the Climate 2024
Umgang mit dem 1.5°-Ziel

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