StartHintergrundMeinungAnstiege bei der Klimafinanzierung trügen

Anstiege bei der Klimafinanzierung trügen

Auf dem Papier hat die Schweiz in den letzten zehn Jahren die Unterstützungsleistungen an Entwicklungs- und Schwellenländer für den Klimaschutz mehr als verdreifacht. In Wirklichkeit ist der Beitrag des Bundes aber nicht wesentlich gewachsen.

Der Originaltext von Delia Berner erschien online bei der alliancesud.

Die verheerenden Überschwemmungen in Pakistan sind nur ein Beispiel: Die Auswirkungen der Klimaerwärmung werden Jahr für Jahr stärker und sichtbarer. Die ärmsten Länder und die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen trifft es oft besonders schwer. Sie haben die grösste Not, sich an das veränderte Klima anpassen zu können, sei es ihre Küste vor Stürmen und Fluten zu schützen oder ihre Landwirtschaft auf Hitze und Trockenheit einzustellen. Gleichzeitig braucht es für die Begrenzung der Erderwärmung auf 1.5°C Klimaneutralität in allen Ländern. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Klimawandel bleibt eine globale Herausforderung.

Der globale Norden ist nicht nur für die Klimakrise verantwortlich, er verfügt auch über die meisten finanziellen Mittel, sowohl zur Bekämpfung des Klimawandels («Mitigation») wie auch für die Anpassung an das veränderte Klima («Adaptation»). Bereits 2010 hat die Weltgemeinschaft beschlossen, dass die Industriestaaten den Entwicklungs- und Schwellenländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen müssen, damit diese die Entwicklung ihrer Netto-Null-Gesellschaft sowie die benötigte Anpassung an den Klimawandel finanzieren können. Dabei muss es sich laut Klimarahmenkonvention um neue, zusätzliche Gelder handeln. Für eine verbindliche Aufteilung der Rechnung auf die verantwortlichen Staaten reichte der politische Wille aber nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass das globale Ziel im Jahr 2020 verfehlt wurde. Gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kam – optimistisch mit den offiziellen Zahlen der Geberstaaten gerechnet – ein Betrag von 83.3 Milliarden Dollar zusammen; 71% der Gelder wurden allerdings nur geliehen und müssen wieder zurückbezahlt werden. Dies trägt zur Verschuldung der Empfängerstaaten bei.

Der Bundesrat berechnet mit einer Mischung aus dem Verbraucherprinzip und unserem Wohlstand, dass die Schweiz zwischen 450 und 600 Millionen Dollar zum globalen Finanzierungsziel beitragen soll. Das ist zu tief; der faire Anteil läge – unter Berücksichtigung der im Ausland anfallenden Emissionen der Schweiz – bei 1 Milliarde . Er sagt auch, woher das Geld hauptsächlich kommen soll: aus dem bestehenden Budget der internationalen Zusammenarbeit. Dieses wurde im Verlauf der Jahre nicht mehr erhöht als der allgemeine Bundeshaushalt. Das ist Geld, das gleichzeitig dazu dienen soll, die internationalen Vorgaben für die öffentliche Entwicklungshilfe zu erfüllen (wobei die Schweiz bei weitem nicht auf Kurs ist). Ganz nach dem Motto: Zweimal ausweisen, einmal bezahlen.

In diesem Sinn beginnt die Schweiz, innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit einen zunehmend grösseren Schwerpunkt auf Klima zu setzen und rechnet immer mehr Projekte der Klimafinanzierung an. So erklärt sich die Verdoppelung des Beitrags der Schweiz für bilaterale Klimaprojekte von 2011 bis 2020. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sowie das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), welche für diese Projekte zuständig sind, haben natürlich Recht, den Klimawandel in ihren Projekten vermehrt zu berücksichtigen. Jedoch ist dabei sehr undurchsichtig, ob alle Projekte gezielt klimarelevant konzipiert werden oder ob Projekte vor allem im Nachhinein als solche klassifiziert werden. Doppelt angerechnet mit der Entwicklungszusammenarbeit werden sie allemal.

Ein zweiter Grund für den steilen Anstieg der ausgewiesenen Klimafinanzierung liegt in den Beiträgen der Schweiz an multilaterale Institutionen. Dazu gehören multilaterale Fonds wie der Grüne Klimafonds (GCF) und thematisch breitere Institutionen wie die Entwicklungsbanken. Klimafonds wurden gezielt zur Umsetzung der Klimakonvention gegründet. Der Schweizer Beitrag für diese steigt richtigerweise an, beträgt aber 2020 nur ein Drittel der multilateralen Klimafinanzierung der Schweiz. Zwei Drittel werden über Entwicklungsbanken, allen voran die Weltbank investiert. Dort gibt es jedoch ein ähnliches Phänomen wie bei der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit: Es werden immer mehr Projekte der Klimafinanzierung angerechnet, welche bereits vorher im Portfolio enthalten waren. Mit neuen Anrechnungsmethoden für die multilateralen Beiträge steigt die Klimafinanzierung der Schweiz über die Jahre mehrmals sprunghaft an.

So berichtet die Schweiz der UNO für das Jahr 2020 einen Beitrag von 411 Millionen Dollar öffentlicher Mittel für die Klimafinanzierung, dazu werden 106 Millionen Dollar private Mittel zum Schweizer Beitrag gezählt, die dank öffentlicher Mittel «mobilisiert» worden seien (z.B. mittels Anschubfinanzierungen oder Garantien für risikoreiche private Investitionen). Der Bundesrat zeigt sich ganz zufrieden damit. Neue und zusätzliche Gelder für die Klimafinanzierung, die nicht aus dem Entwicklungsbudget «geklaut» wurden, machen aber nur einen Bruchteil aus, nämlich in Form bescheidener Beiträge an die multilateralen Klimafonds – das wären dann 68 Millionen Dollar. Die Bücher der Eidgenossenschaft sind manchmal lesenswert.

Klimafinanzierung kurz erklärt

In der internationalen Klimapolitik bedeutet Klimafinanzierung die finanzielle Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern im Klimabereich. Die ärmsten Länder sind am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich und haben am wenigsten finanzielle Ressourcen, um den Klimawandel zu bekämpfen und sich an die Klimaveränderungen anzupassen. Dabei ist die Klimafinanzierung nur ein Aspekt der Klimagerechtigkeit. Genauso wichtig für den globalen Süden ist der Abbau der CO2-Emissionen im globalen Norden, inklusive der Schweiz.

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