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Wetterextreme stellen seltene Arten vor die Existenzfrage

Heiss und trocken oder kalt und nass – Wetterextreme bringen gefährdete Arten zunehmend in Bedrängnis. Häufen sich derartige Wetterphasen, führt dies über kurz oder lang auch zu Veränderungen in den artenreichsten Lebensräumen des Kantons, den Trockenwiesen und Mooren. Regenerationsmassnahmen können helfen.

Artikel aus der «Zürcher Umweltpraxis» (ZUP, Ausgabe Nr. 94). Geschrieben von Beatrice Vögeli und Isabelle Fluss, Fachstelle Naturschutz Amt für Landschaft und Natur Kanton Zürich

Extreme Wetterlagen wie die langanhaltende Trockenheit im letzten Sommer führen auch in der Natur zu «Notständen». Für stark bedrohte Arten, die nur noch an wenigen Standorten in kleinen Restpopulationen vorkommen, können Extremereignisse zur Existenzfrage werden. Vom Trockensommer 2018 besonders betroffen waren die Bewohner von flachen Gewässern. Ihre Lebensräume trockneten bereits früh im Jahr und für eine aussergewöhnlich lange Zeit aus.

Von Verlierern …

Bei der Kreuzkröte gehört dieses Risiko zwar grundsätzlich zur Lebensstrategie. Als sogenannte Pionierart wählt sie zur Fortpflanzung temporäre und möglichst seichte Gewässer wie Regenwassertümpel. Diese Hochrisikostrategie wird mit einer langen Laichzeit, einer hohen Menge an Eiern und einer schnellen Larvenentwicklung kompensiert. Ohne künstliche Wasserzufuhr in ausgewählten Gewässern hätte die Art allerdings letzten Sommer wohl überhaupt keine Nachkommen produziert.

Nur knapp der Katastrophe entging auch die Bachmuschel, die im Kanton nur noch an drei Standorten vorkommt. Im Furtbach konnte dank des Katzensee-Wehrs die kritische Wassermenge im letzten Moment erhöht und der Be- stand gerettet werden. Ungewiss ist nach dem letzten Sommer hingegen die Zukunft der seltenen Zwerglibelle. Die Larven dieser Art entwickeln sich in sehr flachen Gewässern in Riedgebieten. Die einzige Zürcher Population (von gesamthaft zwei verbliebenen Schweizer Populationen) lebt im Robenhuserriet, wo der Wasserhaushalt nur beschränkt gesteuert werden kann. Es wird sich erst im Laufe der nächsten Monate zeigen, ob die Zwerglibelle das frühzeitige Austrocknen ihrer Larvengewässer überlebt hat.

… und Gewinnern

Es gibt aber auch Arten, die von den warmen, trockenen Monaten profitiert haben. Der Eisvogel konnte in den Thurauen neun erfolgreiche Bruten aufziehen, eine neue Rekordzahl. Die Kehrseite des schönen Wetters: Drei weitere Bruten wurden wegen Störungen durch «Ausflügler» wieder aufgegeben. Auch bei einigen Insekten gab es Gewinner. Dank der Wärme konnten verschiedene Arten ihre Entwicklung beschleunigen und eine zweite Generation hervorbringen.

Trockenheit verändert Lebensräume auch längerfristig

Erst mit Verzögerung werden die Auswirkungen von Trockenzeiten in Mooren und auch in Magerwiesen sichtbar werden. Vieles deutet darauf hin, dass das explosionsartige Auftauchen des fremdländischen Einjährigen Berufkrauts in den artenreichsten Magerwiesen, Ruderalflächen und Buntbrachen eine Folge des Hitzesommers 2003 war. Dieser schuf Lücken in den geschlossenen Wiesenbeständen, die vom Berufkraut gefüllt werden konnten. Es ist zu befürchten, dass der Sommer 2018 die- se unerwünschte und schwierig zu be- kämpfende Art nochmals gefördert hat.

Moore «Klima-fit» machen

Gegenüber langen Trockenphasen besonders sensitiv sind Moore und ihre typischen Arten. Obwohl im Kanton Zürich rund 90 Prozent der ehemaligen Moorflächen verloren gegangen sind, gehört Zürich zu den moorreichsten Mittellandkantonen und trägt daher eine besondere Verantwortung für den Erhalt dieser gefährdeten Lebensräume. Fast alle verbliebenen Moore sind jedoch aufgrund der menschlichen Tätigkeit gestört. Alte Drainagegräben und Torfstiche entwässern die Riedflächen, zufliessendes Wasser wurde gefasst, der Grundwasserspiegel gesenkt. Durch häufiger auftretende Trockenzeiten kommen die bereits beeinträchtigten Moore nun zusätzlich unter Druck. Verschiedene Studien und bisherige Erfahrungen zeigen, dass Moore mit einem intakten Wasserhaushalt ausreichend resistent sind gegenüber längeren Trockenphasen. Umso vordringlicher ist deshalb die Wiederherstellung des natürlichen Wasserhaushalts, um die Moore «Klima-fit» zu machen.

In den besonders empfindlichen Hochmooren werden derartige Regenerationsmassnahmen bereits seit rund 30 Jahren mit Erfolg umgesetzt (vgl. Infotext «Torfriet» in der Box). Dringend sind künftig weitere Sanierungsmassnahmen in Flachmooren sowie die Neuschaffung und die Wiederherstellung von ehemaligen Feuchtgebieten, welche die verbliebenen, isolierten Restflächen vernetzen und vergrössern können. Da durch die Wiedervernässung von abgetrockneten Torfböden die Freisetzung von CO2 vermindert wird und intakte Moore als sogenannte Senken CO2 binden können, tragen diese Massnahmen auch zur Verminderung der klimaschädigenden CO2-Emissionen bei.

Noch keine Folgerungen für Nutzung und Pflege

Entscheidenden Einfluss auf die Qualität einer Fläche haben die fachgerechte Bewirtschaftung und Pflege. Zwar zeigen verschiedene Studien, dass sich die Vegetationszeit grundsätzlich verlängert und früher beginnt. Die Auswirkungen der Sommertrockenheit vom letzten Jahr waren aber nicht für alle Arten einheitlich. Die Entwicklung vieler Tagfalter und Heuschrecken war aufgrund des verringerten Futter- und Blütenangebots nicht beschleunigt, sondern teilweise sogar verzögert. Auch typische Spätblüher wie der Lungenenzian begannen wie üblich erst im August zu blühen. Dies war ein wichtiger Grund, weshalb die Schutzgebietsflächen trotz Futterknappheit nicht zur vorzeitigen Schnittnutzung freigegeben wurden. Ob, und wenn ja welche, Anpassungen in der Bewirtschaftung nötig werden könnten, bleibt noch weiter zu beobachten und auszuwerten.

Grössere Populationen verkraften Wetterextreme besser

Wetterextreme, ob trocken oder nass, beschleunigen den unvermindert ablaufenden Artenschwund. Das Gegenmittel liegt in der Schaffung und Erhaltung möglichst vieler und möglichst grosser Populationen, welche witterungsbedingte Ausfälle verkraften können. Dazu sind entsprechend grosse naturnahe Flächen von hoher ökologischer Qualität nötig, die miteinander vernetzt sind. Nur so können die speziellen Naturwerte im Kanton auch für kommende Generationen erhalten werden.

Der Trockenheit entgegenwirken – erfolgreiche Regeneration im Torfriet

Das Pfäffiker Torfriet ist eines der grössten Hochmoore des Kantons und ein eigentliches Juwel unter den Zürcher Mooren. Durch seinen ausgedehnten Torfkörper schafft es ideale Voraussetzungen für das Vorkommen seltener Arten wie des fleischfressenden Sonnentaus oder der Grossen Moosjungfer. Hochmoore wie dieses sind in der ganzen Schweiz sehr selten. Trotz der noch erhaltenen Vielfalt und Schönheit litt das Torfriet unter den Folgen des ehemaligen Torfabbaus: Torfstiche und alte Gräben entwässerten das Moor stark. Messungen des Wasserstands zeigten, dass dieser während der Sommermonate jeweils stark absank.

Um den natürlichen Wasserhaushalt wiederherzustellen, wurden im vergangenen Herbst verschiedene Regenerationsmassnahmen ausgeführt. An mehreren Stellen wurden die alten Gräben und Rinnen mit Holzspundwänden verschlossen, damit das Wasser nach Niederschlägen im Moor zurückgehalten wird. Zur Regulierung des Wasserstands wurden Wehre eingebaut. Die fortlaufenden Wasserstandsmessungen zeigen, dass der Wasserstand über den Winter bereits deutlich angehoben werden konnte, so dass das Torfriet mit einer höheren Wasserreserve in den darauffolgenden Sommer startet.



Torfriet
© Beatrice Vögeli
Torfriet
Vorher – Nachher: Dank der Regenerationsmassnahmen konnten der natürliche Wasserhaushalt im Torfriet saniert und der Wasserstand erhöht werden. © Beatrice Vögeli

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