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Waldbrände – was erwartet die Schweiz?

Das derzeitige Grossfeuer in Australien lässt auch die Schweiz nicht kalt. Die unzähligen Medienbeiträge zu den Buschbränden geben Anlass, einen Blick auf die Situation in der Schweiz zu werfen. Während Waldbrände in den Zentralalpen und auf der Alpensüdseite keine Seltenheit sind, werden als Folge des Klimawandels vermehrt auch Brände in Regionen auftreten, die bisher nicht als feuergefährdet eingestuft wurden.

Seit Beginn der Buschfeuer im September sind in Australien bereits mehr als 10 Millionen Hektar Land abgebrannt. Das entspricht einer Fläche, die doppelt so gross ist wie die Schweiz. Umweltorganisationen weltweit machen auf die verheerenden Auswirkungen des Feuers aufmerksam. Laut WWF Australien sind bereits 1.25 Milliarden Tiere durch das Grossfeuer getötet worden. Darunter auch viele Arten, die im Bestand gefährdet sind. Die derzeitige Lage in Australien belastet auch die Menschen in der Schweiz – und heizt die Diskussion über Waldbrände hierzulande wieder an.

Destruktiv und konstruktiv

Waldbrände zeigen sich von zwei Seiten, findet Marco Conedera, Forstingenieur an der Eidgenössichen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). In einem Vortrag mit dem Titel «Die Schweiz in Flammen?» beschreibt er das Feuer als zerstörerische Kraft: Waldfeuer können gefährlich für Menschen werden und vernichten Pflanzen und Tiere. Wichtige Waldfunktion sind nach einem Brand oft nicht mehr gewährleistet. Das Risiko von Steinschlägen, Erdrutschen und Lawinen steigt, wenn etwa ein Schutzwald von einem Feuer heimgesucht wird. Dadurch werden Siedlungen, Verkehrswege oder die Bevölkerung einer grösseren Gefahr ausgesetzt.

Anderseits kann ein Waldbrand auch als bildende Kraft wirken: Feuer sind natürliche Störungen, die eine wichtige regulatorische Rolle in einem Ökosystem einnehmen. Nach einem Feuer können in Ökosystemen veränderte Wettbewerbsbedingungen vorliegen, so die Lebensgemeinschaften neu gestalten und dabei die Biodiversität erhöhen.

Anpassung ans Feuer

Waldbrände gibt es so lange, wie es Wälder gibt. So haben Lebewesen verschiedene Strategien entwickelt, um sich vor den Flammen und den hohen Temperaturen zu schützen. Im Pflanzenreich gibt es Arten, wie die Birke (Betula) oder die Lärche (Larix), die eine dicke Borke aufbauen. Bei einem Feuer schützt die Borke die darunterliegenden Schichten des Baumstamms. Andere Spezies, wie etwa die Edelkastanie (Castanea sativa), können die bei einem Brand verlorenen oberirdischen Teile durch Stockausschlag wieder ersetzen.

Es gibt sogar einige Arten, die vom Feuer abhängig sind, um den Verjüngerungsprozess einzuleiten – Experten sprechen von einer obligaten Feuerstimulierung. So sind zum Beispiel die Mammutbäume Kaliforniens bei der Fortpflanzung auf Feuer angewiesen: Die hohen Temperaturen während eines Brandes führen zum Öffnen der Zapfen. Die Samen fallen auf den vom Feuer freigelegten Mineralboden und können dort keimen. In der Schweiz gibt es keine Art, die obligat feuerabhängig ist. Die Salbeiblättrige Zistrose (Cistus salviifolius), ein im Tessin vorkommender Strauch, wird jedoch als «fakultative Feuerart» beschrieben. Die feuerresistenten Wurzeln können nach einem Brand schnell wieder austreiben, sodass die Pflanze ganze Areale besetzen kann.

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Die Salbeiblättrige Zistrose gilt als fakultative Feuerart – die feuerresistenten Wurzeln geben der Pflanze nach einem Brand einen Wettbewerbsvorsprung. (©H. Zell [CC BY-SA 3.0], via wikimedia commons)

Grundsätzlich führen Brände zum Öffnen von Waldstrukturen. Neue Lebensräume entstehen, was in den meisten Fällen zu einer Erhöhung der Artenvielfalt führt. Vögel, Wirbellose und Pflanzen finden neue Nischen, und parasitische Pilze und Insekten besiedeln die durch das Feuer abgetöteten oder geschwächten Bäume. So kann zum Beispiel der sonst seltene Alpenbock (Rosalia alpina) nach einem Feuer öfters gesichtet werden.

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Der seltene Alpenbock ist nach einem Brand öfters auf den verbrannten Baumrinden zu sehen (© Pierre Bornand [CC BY-SA 2.0], via Flickr)

Klima, Wetter und Menschen – die drei Protagonisten

Die Schweiz wird, laut Conedera, als Land mit geringem bis mittlerem Waldbrandrisiko eingeschätzt. Etwa hundert Waldbrände treten jedes Jahr auf, die meisten von ihnen auf der Alpensüdseite, einige wenige in den Zentralalpen. Ob und mit welcher Intensität ein Feuer in einer Region auftritt basiert auf dem Zusammenspiel von Klima, Wetter und menschlicher Aktivität. Das Klima bestimmt, welche Vegetation in einem Gebiet vorherrscht, und beeinflusst so die Art und Struktur des Brandmaterials. Indes ist das Wetter verantwortlich für die Feuerauslösung und das Feuerverhalten – aktuelle Niederschlagsereignisse legen fest, wie trocken das Brandgut ist, während Wind die Ausbreitung des Feuers mitbestimmt. Der Mensch wiederum beinflusst das Feuergeschehen entweder indirekt, durch die Landnutzung und das Waldmanagement, oder direkt, indem er das Feuer legt oder löscht. Der menschliche Umgang mit Waldbränden – insbesondere mit dem Löschen des Feuers – hat sich jedoch in den letzten Jahren stark verändert.

Weniger ist mehr

Der langjährige «Feuerlösch-Ansatz», mit dem versucht wurde, Feuer systematisch zu bekämpfen, hat in vielen Fällen zu noch mehr Waldbränden geführt. Die scheinbar widersprüchliche Entwicklung wird auch als Feuerparadox bezeichnet. «Je effizienter die Brandbekämpfung ist, desto verheerender wirken die wenigen Brände, die dem sofortigen Löschen entgehen», so Conedera. Durch das Verhindern von Feuer sammeln sich Unmengen von Brandmaterial an, die zu riesigen Waldbränden führen. Um die natürliche Rolle des Feuers zu respektieren, ist man deshalb vom «Feuerlösch-Ansatz» zum «Feuermanagment-Ansatz» übergegangen. Das Ziel dieses Ansatzes ist das Vorbeugen von grossflächigen Waldbränden, nicht jedoch das absolute Bekämpfen jeglichen Waldfeuers.

Die Waldbranddatenbank SwissFire, die 2008 vom WSL und dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) gegründet wurde, übernimmt dabei eine zentrale Rolle in der Waldbrandprävention. Die in der Datenbank gespeicherten Informationen helfen zum Beispiel, besonders feueranfällige Gebiete oder Waldtypen zu bestimmen, oder die Waldbrandgefahr basierend auf der Meteorologie zu beurteilen. Im Hinblick auf den Klimawandel werden Waldbrandinformationen noch wichtiger, um in Regionen, die heutzutage kaum von Waldbränden betroffen sind, einer Riskobewertung zu unterziehen.

Die Schweiz im Klimawandel

Wie eine Studie aus dem Jahre 2006 des WSL zeigt, gibt es einen Zusammenhang zwischen Trockenheitsverhältnissen im Sommer und abgebrannten Flächen. Gemäss den Klimaszenarien CH2018 werden als Folge des Klimawandels in den nächsten Jahrzehnten für die Sommermonate höhere Temperaturen und geringerer Niederschlagsmengen vorhergesagt. Eine allgemeine Zunahme von Dürreperioden wird erwartet, was zu einer grösseren Brandanfälligkeit von Wäldern führt. Dadurch werden auch Gebiete anfälliger, die bisher kaum von Feuern betroffen waren – wie etwa die Buchenmischwälder auf der Alpennordseite.

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Buchenmischwälder auf der Alpennordseite könnten vermehrt von Waldbränden betroffen sein – das trockene Laub ist im Winter leicht entzündbar (©Myriams-Fotos, via pixabay)

Auch in Australien wird derzeit heftig diskutiert, ob und wie der Klimawandel für die momentanen Buschbrände verantwortlich gemacht werden kann. In Australien ist Feuer kein seltenes Phänomen. Doch die Ausmasse der diesjährigen Waldbrände sind laut Dale Dominey-Hoes, Geowissenschaftler an der Universität Sydney keineswegs im Rahmen der normalen Variation: «The scale of the current fire crisis is like nothing before». Besonders im Südosten Australiens, dem Küstengebiet zwischen Melbourne und Brisbane, übersteigen die aktuellen Brände jegliche Feuerereignisse der vergangenen Jahren. Als Ursache der momentanen Brandkatastrophen gelten die extrem hohen Temperaturen, eine aus dem Vorjahr ausgetrocknete Vegetation und die unberechenbaren Winde. Es sind Vorboten des Klimawandels.

1 Kommentar

  1. Dass «mangelnde Pflege» durch wiederholtes Abbrennen die Katastrophen in Australien verursacht hat, ist wohl vor allem Wunschdenken.
    Klar, wenn es regelmässig zu Grasbränden kommt sind deren Auswirkungen auf die Bäume und die Bodenschicht kleiner. Das gleiche kennt man auch im Mittelmeergebiet.

    Aber haben denn die Urvölker Australiens wirklich viel häufiger solche Brände gezielt verursacht, als die weissen Farmer nach ihnen. Statt Kängurus zu jagen, wollten die Weissen ja Weiden für ihr Vieh anlegen. Und das taten sie mit durchschlagendem Erfolg.

    Und wie ist das mit dem Feuerlegen? Auch das hat doch dem Verlangen vieler Farmer genützt. Ein paar falsche Tränen um verbrannte Tiere dürften im schnelllebigen Australien bald vergessen sein.

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