StartNewsPolitikSchneckentempo bei der Reform der Zulassung von Pestiziden

Schneckentempo bei der Reform der Zulassung von Pestiziden

Weder unabhängig noch transparent: Schon seit längerem steht das Pestizid-Zulassungsverfahren des Bundes in der Kritik. Nun reagiert der Bundesrat auf Handlungsempfehlungen aus einer externen Evaluation. Doch seine heute veröffentlichten Vorschläge beschränken sich darauf, die Kompetenzen der zuständigen Bundesstellen neu zu verteilen. Alle anderen Fragen werden weiter auf die lange Bank geschoben. 

«Die Zulassung für Pestizide muss vollständig transparent und unabhängig erfolgen. Nur so kann diese auch als wissenschaftlich haltbar und politisch legitim bezeichnet werden.», so meint Alexandra Gavilano, Projektleiterin Landwirtschaft und Klima bei Greenpeace Schweiz. Die Zulassung von Pestiziden ist jedoch aktuell weder unabhängig noch transparent – sie muss grundlegend überarbeitet werden. Zu diesem Schluss kam die Evaluation des Pestizid-Zulassungsverfahrens des Bundes. Veröffentlicht wurde der Bericht des Wirtschaftsprüfers KPMG im November 2019. In zehn Handlungsempfehlungen hielt er fest, dass es grundlegende Änderungen und eine Reorganisation des Zulassungsverfahrens braucht. Alleine mit Kosmetik werden die gravierenden Mängel nicht ausgemerzt. In der Folge liess sich der Bundesrat fast eineinhalb Jahre Zeit, bevor er heute offiziell auf die Empfehlungen reagiert hat. Trotz dieser langen Bedenkzeit stösst der Bund nun lediglich eine Reorganisation des Zulassungsverfahrens an.

Die Umweltverbände begrüssen, dass der Bundesrat das Zulassungsverfahren neu organisieren will, so berichten Pro Natura, WWF und Greenpeace in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Leider bleibt die Reform unvollständig und sie geht trotz hoher Dringlichkeit unverständlich langsam voran. Wichtige Forderungen zur Transparenz des Zulassungsverfahrens und zur Erhöhung der Gebühren für Gesuchsteller werden um Jahre hinausgezögert. Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik bei Pro Natura meint: «Die antragstellenden Pestizidfirmen zahlen nur einen verschwindend kleinen Teil der für die Zulassung anfallenden Kosten. Für den Rest kommt die Allgemeinheit auf. Der Bundesrat schuldet weiterhin Antworten, wie er dieses Problem beheben will.»

Wo bleiben Massnahmen zur Transparenz?

Neu wird das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zur Zulassungsstelle. Zugleich soll dem Bundesamtfür Umwelt eine wichtigere Rolle bei der Risikobeurteilung von Pestizidenzukommen. Diese Vorschläge sind gut und richtig, stellen sie doch die Grundvoraussetzung für die geforderten Anpassungen bei der Organisationfür ein unabhängigeres Verfahren dar. Die strukturellen Anpassungengehen allerdings viel zu wenig weit. So fehlen zum Beispiel Massnahmen bezüglich Transparenz und Gebühren. Elementarer Bestandteil eines transparentenZulassungsverfahrens ist für die Umweltverbände weiter auch die Veröffentlichung der Zulassungsberichte, und dass die Kantone Einblick in sämtliche Zulassungsunterlagen erhalten. 

Leider bleiben weitere relevante Handlungsempfehlungen der KPMG unberücksichtigt: Es wäre etwa wichtig, gesetzlich die Option zu verankern, dass bei neuen Risikoerkenntnissen kurzfristig Pflanzenschutzmittel vom Markt genommen werden können. Schliesslich fehlt eine Strategie des Bundesrats, wie die Vollzugsprobleme in den Kantonen behoben werden können. Die zahlreichen Auflagen sind heute kaum kontrollierbar. 
Alle weiteren dringend nötigen Optimierungsmassnahmen sollen dem Bundesrat erst Mitte 2023 vorgelegt werden. Aus Sicht der Umweltverbände ist diese lange Frist unverständlich und wird dem dringenden Handlungsbedarf nicht gerecht. Eva Wyss, Projektleiterin Landwirtschaft vom WWF Schweiz: «Vor dem Hintergrund von Pestizid-Skandalen wie Chlorothalonil im Trinkwasser erwarten wir, dass der Bund die Mängel bei der Pestizid-Zulassung rasch eliminiert und die Reform nicht weiter vor sich herschiebt.»

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