StartHintergrundWissenHonigertragssteigerung doppelt so hoch wie Milchertragssteigerung

Honigertragssteigerung doppelt so hoch wie Milchertragssteigerung

Trotz Bienensterben und immensen Verlusten an botanischer Biodiversität steigt die Honigertragsleistung pro Bienenvolk von Jahrzehnt zu Jahrzehnt an – und das gleich doppelt so stark wie der Milchertrag von Schweizer Milchkühen. Arbeitet der Hobby-Imker von nebenan wirklich so naturnah, wie er das gerne von sich selber denkt?

Beitrag von André Wermelinger (Präsident FREETHEBEES) und Emanuel Hörler (Wissenschaftlicher Beirat FREETHEBEES)

Die Schweiz zählt rund 19’500 Imker mit etwa 195’000 Bienenvölkern. Im Durchschnitt werden rund 10 Völker pro Imker gehalten. Berufsimker gibt es nur wenige. Der inländische Honig wird also hauptsächlich von Hobby-Imkern produziert.

Interessanterweise gibt es je länger je mehr Imker, die nicht primär am Honig interessiert sind und Bienen vor allem aus ökologischen Gründen halten möchten. Insbesondere neu in die Imkerei eingestiegene Menschen denken so. Die Analyse der Betriebsweisen der schweizerischen Hobby-Imker zeigt jedoch ein anderes Bild. Sehr häufig wird der Schwarmtrieb unterdrückt, werden grosse Mengen an Zucker gefüttert, werden Bienenvölker in nicht artgerechten Bienenkästen und in viel zu hoher Anzahl und Dichte gehalten, werden Völker routinemässig behandelt, egal ob krank oder nicht. Das sind frappierend starke Parallelen zur intensiven Nutztierhaltung.

Diese intensive Betriebsweise wird dem Jungimker grössten Teils während der imkerlichen Grundausbildung vermittelt. Mögliche Alternativen werden – wenn überhaupt – nur am Rande gestreift. Auch der etablierten Imkerschaft sind die Möglichkeiten nachhaltiger Honigproduktion praktisch unbekannt. Dieser Fokus auf maximalen Honigertrag dauert schon Jahrzehnte und schlägt sich in den Ertragsstatistiken nieder, obwohl man aufgrund des vielzitierten Bienensterbens annehmen müsste, dass auch die Honigerträge einbrechen würden. Das Gegenteil ist der Fall: interessanterweise steigen die Honigerträge pro Bienenvolk seit den 1960er Jahren kontinuierlich an, dies trotz Bienensterben und trotz enormer Verluste an botanischer Biodiversität im selben Zeitabschnitt. Die Honigertragsleistung vervierfachte sich, während sich die Milchleistung unserer Kühe verdoppelte.

Diagramm zum Honigertrag.
Grafik 1: Darstellung des Honigertrages pro Honigbienenvolk seit 1900. Die Jahreserträge wurden pro Dekade gemittelt3,4. Der Rückgang der artenreichen Fromentalwiesen 5 und der Hochstammobstbäume 6,7 stehen beispielhaft für die enormen Verluste an botanischer Vielfalt. Die Quellenangaben (Fusszeilen) befindet sich am Ende des Artikels.
Diagramm Milchertrag
Grafik 2: Darstellung der Milchleistung der gemolkenen Kühe in der Schweiz. Die Jahreserträge wurden pro Jahrfünft gemittelt1,2.

Wie wurde eine derartige Leistungssteigerung überhaupt möglich? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst verstehen, wie ein Bienenvolk in der Natur lebt.

Was passiert mit einem Bienenvolk in der Natur?

Überlassen wir heute ein Bienenvolk in einem gängigen Beutensystem sich selbst und der Natur, so verhungert das Volk mit grosser Wahrscheinlichkeit in weiten Teilen der Schweiz, ohne dass der Imker auch nur ein Gramm Honig entnimmt.

Ein wichtiger Grund dafür ist das über die Jahrzehnte massiv geschwundene Angebot an Blütenvielfalt (Grafik 1). In einer intakten Landschaft finden Bienen und andere blütenbesuchende Insekten während der Vegetationszeit eine Vielfalt an Nektar und Pollen. Insbesondere in den Landwirtschaftszonen des Schweizer Mittellandes aber blühen heute nur mehr sehr wenige Pflanzenarten und das nur über einen kurzen Zeitraum. Während der Haupttracht im April und Mai leben Bienen für eine kurze Zeit im Überfluss mit blühenden Obstbäumen, Hecken und Löwenzahnwiesen. Aber schon kurz danach sind Obstbäume verblüht und die Wiesen werden oft schon während der Löwenzahnblüte gemäht. Es folgen bis zu sechs weitere Schnitte. Nach dem ersten Mähen entsteht eine sogenannte Trachtlücke, in welcher die Bienen kaum mehr Nektar finden können. Diese Trachtlücke fällt just in den Moment, in dem sich das Bienenvolk über den natürlichen Vermehrungstrieb teilt und ausschwärmt (Mai/Juni, je nach lokalen und meteorologischen Gegebenheiten). Dies ist eine Zeit von enorm hohem Energieverbrauch, sowohl für das zurückbleibende Muttervolk, wie auch für den ausziehenden Schwarm mit der alten Königin. Die Bienen überleben diese Trachtlücke zwar meist, entwickeln sich dann aber schlecht und haben kaum eine Chance, bis Ende Sommer die notwendigen Winterreserven in Form von gesammeltem Nektar einzutragen.

Grafik 3: Qualitative Darstellung der Trachtlage in weiten Teilen der Schweiz nach Einschätzung von FREETHEBEES

Ein zweiter wichtiger Grund, warum Bienen den Winter ohne Fütterung durch den Imker oft nicht überleben, liegt in der Konstruktion der Bienenbeuten. Zur Produktionssteigerung und Vereinfachung der Honigernte setzt der Imker Bienenbeuten ein, die sich als wenig geeignet und wenig artgerecht herausstellen.

Der hohle Baum bietet als natürliches Habitat von Bienenvölkern sehr gute klimatische Bedingungen. Die Höhle ist klein, gut isoliert und nimmt Feuchtigkeit auf. Es herrscht also ein warmes und relativ trockenes Klima im Bauminnern. Im Gegensatz dazu sind der in der Deutschschweiz vorwiegend eingesetzte sogenannte Schweizerkasten und die in der Romandie vorherrschende Dadant-Beute verhältnismässig zu gross und kaum isoliert. Änderungen der Aussentemperatur erfordern von der Biene eine ständige Anpassung des Beutenklimas. Die hohe Luftfeuchtigkeit in Standardbeuten führt zu Kondenswasser und Schimmelbildung. Schimmelpilze belasten das Immunsystem der Bienen und die reichhaltige, aus dem hohlen Baum bekannte Mikrofauna – mehr als 30 Insektenarten, 170 Spinnentiere und Milbenarten, 8000 Mikroorganismen – kann sich bei dieser unnatürlich hohen Feuchtigkeit unmöglich einstellen. Andererseits fühlen sich Parasiten und unerwünschte Mikroorganismen durchaus wohl in Beuten mit hoher relativer Luftfeuchtigkeit.

In modernen Bienenbeuten leisten Bienenvölker unnötigerweise Höchstleistungen durch einen auf Hochtouren laufenden Stoffwechsel, um ihr Nest warm zu halten – um überhaupt zu überleben.

Ertragssteigernde Eingriffe durch den Imker

Ein Honigertragsimker muss – wie vorher erläutert – die Haupttracht in den Monaten April und Mai optimal nutzen. Er versucht also das Bienenvolk möglichst zeitig im Frühjahr zum Brüten anzuregen, damit möglichst viele Sammelbienen während des kurzen Zeitfensters im April und im Mai möglichst viel Nektar sammeln. Weiter muss er sicherstellen, dass das Volk nicht ausschwärmt und «unnötig» Energie verbraucht. Dies erreicht er, indem er dem Bienenvolk einen Honigraum aufsetzt, also das Volumen des Kastens unnatürlich vergrössert. Das steigert in der Tat die Honigleistung des Volkes, beeinflusst aber auch den Schwarmtrieb negativ, die Völker schwärmen deutlich weniger. Der Imker schränkt also mit seinen Eingriffen die natürliche Reproduktion seiner Bienen ein.

Mitte bis Ende Mai erntet der Imker den Honig, den die Bienen als ihre Reserve für den Winter eingelagert haben. In der Regel füttert er danach sein Volk mit Zucker und hält so die hohe Bruttätigkeit über die Trachtlücke im Juni aufrecht. Das Bienenvolk soll seinen Bruttrieb möglichst nicht einschränken, da auch die nächste, etwas kleinere Trachtphase über den Sommer ebenfalls mit vielen Flugbienen optimal genutzt werden soll.

Andererseits ist es für den Imker notwendig, allfällige Winterverluste zu kompensieren. Aufgrund des Honigfokus ist der natürliche Weg dazu (das Ausschwärmen) eingeschränkt durch die Erweiterung des Beutenvolumens (Honigraum) zu Gunsten der Honigproduktion. Um trotzdem zu neuen Völkern zu kommen, braucht es die Manipulationen der künstlichen Vermehrung – von der Ablegerbildung, über Kunstschwärme bis zur Königinnenzucht.

Das Ausbleiben des natürlichen Schwärmens und das Stimulieren des durchgehenden Bruttriebes des Bienenvolkes hat noch einen anderen, unerwünschten Nebeneffekt. Die längere Brutpause, die durch die Vermehrung über den Schwarm natürlicherweise entsteht, bleibt aus – und die gefürchtete Varroamilbe kann sich ungehindert vermehren.

Nach der zweiten Honigernte gegen Ende Juli folgen dann zuerst die Auffütterung mit enormen Zuckermengen und danach die routinemässigen Behandlungen gegen die Varroamilben. Es wird meist nicht nach Befallsgrad der einzelnen Honigbienenvölker unterschieden, sondern die ganze Population uniform gegen Milben behandelt. Dazu werden in der Schweiz insbesondere organische Säuren eingesetzt: im Sommer Ameisensäure, in der brutfreien Zeit im Winter dann noch Oxalsäure. Die Säurebehandlung wird, gegenüber den synthetischen, in der Schweiz ebenfalls zugelassenen, Pestiziden, als «alternative Behandlungsmethode» angepriesen. Für den Honigkonsumenten unkritisch, stellen die Säurebehandlungen für die Bienen einen harten Eingriff mit den entsprechenden Nebenwirkungen dar – eine Art Chemo-Therapie für Bienenvölker. Die Parasitenzahl ist danach zwar reduziert aber das Immunsystem des Bienenvolkes wird schwer beeinträchtigt. Was ebenfalls vernachlässigt wird ist die Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil der Milbenpopulation die verschiedenen Behandlungen überlebt – die Wirksamkeit der Behandlungen beträgt zwischen 85 und 95%. Seit Beginn der «Varroabekämpfung» in Europa 1985 ist die Schadschwelle von 6000 Milben pro Volk auf 2500 Milben gefallen und die Zahl der Behandlungen von einer auf 4 pro Jahr angestiegen. Ein stabiles Gleichgewicht zwischen Honigbienen und Varroamilbe kann sich so niemals entwickeln. Natürlich optimiert der Imker auch seine eigenen Produktionsprozesse. So hält er seine Bienenvölker möglichst eng zusammen, was ihm die Arbeit erheblich vereinfacht. Aber auch dieser widernatürliche Ansatz, der mit der Massentierhaltung im Viehstall verglichen werden kann, hinterlässt seine Spuren. Die Bienen verfliegen sich mit kleiner werdenden Abständen und übertragen so vermehrt Krankheiten und Parasiten von einem Volk auf das andere.

Abbildung 1: Massentierhaltung: 10-20 Völker auf wenigen Quadratmetern zusammengepfercht. © Antranias, via pixabay
Bienen in einen Baum.
Abbildung 2: In der Natur stellen sich Bienendichten von ≥ einem Volk pro Quadratkilometer ein.

Ein Honigbienenvolk in einem handelsüblichen Bienenkasten sammelt im Jahresverlauf unglaubliche 120kg Nektar, 25l Wasser, 20kg Pollen und 100g Harz zur Propoliserzeugung. Damit der Imker nur schon 10kg Honig pro Bienenvolk ernten kann – aktuell beträgt die durchschnittliche Jahresernte 20kg – muss ein Bienenvolk eine sehr hohe Zusatzleistung erbringen. Es sammelt zusätzlich zu den voran genannten Mengen noch einmal 25kg Nektar, es baut 4 bis 10 zusätzliche Wachswaben aus, brütet zusätzlich 30’000 Bienen und benötigt für die Aufzucht noch einmal 4kg Pollen. Gewisse Bienenexperten stellen berechtigterweise die Frage, ob diese Art Stress und Überforderung des Bienenvolkes – vergleichbar mit einem Burnout beim Menschen – nicht mit der Honigbienengesundheit zusammenhängen könnte.

Die Lösungen existieren

Glücklicherweise existieren für alle Probleme auch Lösungsansätze. FREETHEBEES zeigt interessierten Imkern auf, wie sie Ihre Haltungs- und Produktionsbedingungen optimieren, extensivieren und auf Nachhaltigkeit ausrichten können.

Die Grundlage dafür bildet eine eigens dafür entwickelte Bienenhaltungsmethodik nach FREETHEBEES. In einer Übersichtstabelle werden verschiedene Faktoren aufgelistet, welche die Intensität der Bienenhaltung entscheidend beeinflussen. Der Imker kann seine Art der Imkerei schnell einordnen und verstehen, wie er diese gezielt extensivieren kann.

Er wird erkennen, dass es in der heutigen Zeit keine «richtige» oder «optimale» Bienenhaltung mehr geben kann. Vielmehr liegt der Schlüssel im Spiel mit unterschiedlichen Methoden. Wir plädieren für eine diversifizierte Haltung von Bienen. So soll ein gewisser Prozentsatz der Völker der sogenannt «naturnahen Bienenhaltung» unterstellt werden. Mit dem verbleibenden Bestand kann «Extensiv Honig» produziert werden. Dieser Methodenmix ergibt insgesamt eine bedeutend nachhaltigere Honiggewinnung und erzeugt zusätzlich ökologische Werte. Fragen Sie Ihren lokalen Imker, ob er unsere Ansätze schon kennt. Reagiert dieser mit Ablehnung auf unseren Namen und unsere Ansätze, können Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass seine Produktionsmethodik nicht ganz so nachhaltig ist.

Quellen:

  1. https://www.sbv-usp.ch/fileadmin/sbvuspch/06_Statistik/Agristat-Aktuell/2011/110500_LMZ-Aktuell.pdf Zugriff 22.12.18 19.56
  2. Milchstatistiken Schweiz 1935 bis 2017.
  3. Fluri, P., Schenk, P., Frick, R.:ALP Forum 8 Bienenhaltung in der Schweiz, 2004.
  4. Reihl, B.: Schweizerische Bienenzeitung 2018: 11, 18-20.
  5. Bosshard, A., 2016: Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas. Mit besonderer Berücksichtigung der Fromentalwiesen und des standortgerechten Futterbaus. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Haupt. 265 S.
  6. HISTORISCHER ÜBERBLICK – Alkoholpolitik und Eidg. Alkoholverwaltung (EAV) http://tradikula.ch/wp content/uploads/2011/03/Geschichte_Alkoholverwaltung1.pdf Zugriff 22.12.18 19.19
  7. Bundesamt für Statistik – Obstbaumzählungen.

4 Kommentare

  1. Die in den letzten 10 Jahren häufiger auftretenden starken Populationen von Honigtauerzäugern (Die bekannten Läuse) in unseren Wäldern hat mit dem wärmeren Klima zu tun. Auch die Winter waren milder. Beim Blütenhonig sieht es anders aus.
    Füttern während der Zeit des honigen ist klar verboten, dies wäre Honigverfälschung.
    In unserem Verein wird sehr viel für Gesundheit und Hygiene getan. Die Honigbiene ist in der Schweiz ein Nutztier und der Bienen Halter ist verpflichtet seine Bienen artgerecht zu halten. Es ist verboten Antibiotika einzusetzen und die Imker werden angehalten zur Bekämpfung der Varroa nur organische Säuren einzusetzen, dies koordiniert zum richtigen Zeitpunkt. DDaneben werden Wildbienen gefördert, Bienenweiden angelegt. Ich denke wir sind auf dem richtigen Weg.

  2. Was im vorausgehenden Artikel beschrieben wird,
    ist in vieler Hinsicht richtig. ich bin froh darüber, dass es ihn gibt.
    Er geht aber stellenweise auch am Kern der Sache vorbei.
    Als erfahrener Imker möchte ich dazu gern
    etwas sagen und ein Stück weit aufklären.

    Die Bienen leiden besonders darunter, dass die Umwelt hier permanent verarmt. Artenverarmung durch landwirtschaftliche Flächen-Übernutzung und Ausbringung von Pestiziden und Fungiziden stellt den grössten negativen Faktor dar. Oberflächen- und Grundwasseranalytik belegt das. Biodiversitätsmessungen auch. Zugleich beschert uns die so veränderte Landschaft, welche weitgehend Agrarland ist, gelegentlich Massentrachten und entsprechend üppige Honigernten.

    Das beeinflusst das Leben der Bienenvölker weit mehr, als die Art und Weise, wie Imker/Innen generell mit ihren Völkern umgehen.

    Die Haltung der Biene in schreiner-mässigen Behausungen (=Beuten), stellt sich im Vergleich zum Leben im hohlen Baumstamm ist nicht derart so naturfern dar, wie es im Artikel glaubhaft gemacht wird. Bienenvölker sind von Natur aus bezüglich des Wohnraumes enorm flexibel und anpassungsfähig. Nicht nur altes Wissen, auch jüngere wissenschaftlich abgesicherte Forschungen belegen das.

    Auch der Schwarmtrieb wird von Volk zu Volk uneinheitlich ausgelebt. Ein Imker, der seine Völker machen lässt, was sie von sich aus tun wollen, erlebt das deutlich. Dann freilich kommen Teilungen des Volkes durch natürliche Schwärme ebenso vor, wie auch Völker, die unterdessen beisammen bleiben und immens gross werden. Letztgenannten Völkern tut es gut in einer Höhle zu leben, die gross genug ist, um Zuwachs und neuen Wabenbau aufzunehmen. Ist das Innere eines hohlen Baumes morsch und weich, vergrössern nicht nur Ameisen die Höhle. Auch Bienen tun das und füllen den sich weitenden Hohlraum gern gänzlich aus.

    Man sieht es in natura selten, da in unseren Wäldern kaum irgendwo noch mehr-hundertjährige Baumriesen stehen, die bereits grössere Höhlen und Morschholz aufweisen. Man erlebt eher einmal hinter Fensterläden und in Hohlräumen von Fachwerkhäuseren, welche Grösse wild-lebende Völker erreichen. Es fehlt den ausschwärmenden Bienen heute nicht nur an Biodiversität in der Landschaft, sondern auch an natürlichen, gern grösser gewordenen Höhlen. Gibt es nur kleine Höhlen und kaum noch Bienennahrung, fehlt den Bienen darüber hinaus noch die Lebensgrundlage rundum.

    Wer jedoch als Imker Glück hat und wer gezielt danach sucht, der findet hie und da noch Plätze, wo die Bienen vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst hinein noch auf genug Tracht stossen. – Das sind die Orte, wo ein Schwarm auch einmal in einem hohlen Baumstamm den Winter überlebt. – Das sind Orte, wo Bienen noch generell auf sich gestellt überleben können. An so einem einem Standort ist eine extensive Bienenhaltung und -betreuung dann auch leicht möglich.

    Andernorts kommen lange Trachtlücken vor. Wandert der Imker mit seinen Völkern von dort nicht ab und stellt sie in eine neue Anschlusstracht, so darben die Völker und zehren inmitten des Jahres bereits allen Honig auf, der naturgemäss zum Überwintern da ist.

    Nimmt der Imker den Völkern noch allen eingetragenen Honig weg, sitzen die Bienen schnell gänzlich auf dem Trockenen. Das tut nicht gut. Ohne Honigersatz zu füttern, ist ertragreiches Imkern heute vielfach gar nicht mehr möglich. Schade. Blühende Landschaften bräuchte es, nicht bloss grüne Wüste überall.

    Warum aber steigen dennoch die Pro-Volk Erträge. Es liegt daran, dass Bienenvölker generell schon naturgemäss eine Massentracht zu nutzen verstehen. Bienen schöpfen Massentrachten nach bestem Vermögen ab. Dazu braucht es im Bienenkästen genug Platz zur Einlagerung von Nektar, der in Honig umgewandelt wird. Magazin-Imker erweitern die Bienenwohnung deshalb zu gegebener Zeit mit aufgesetzten weiteren Magazinen und bieten dem Volk die Möglichkeit gemäss ihrer Natur, Nektar im Mass des Möglichen einzutragen und dafür Waben zu bauen.

    Sich unermüdlich als Sammler einzusetzen, ist den Bienen in die Wiege gelegt. Schon zu Zeiten, da hier überall Urwälder standen, kamen Trachtlücken vor. Auch damals galt es fix einzusammeln, was sich bot. Wer sich auskennt, weiss das bspw. eine Waldtracht enorm sein kann, aber auch schon ein stärkeres Gewitter kann sie für immer beenden. Nur ein Volk, dass all dem gewachsen ist, ist naturgemäss in der Lage Vorräte an anzuhäufen, die das Überleben während des Winters, unserer längsten Trachtlücke, zu gewährleisten.

    Hilfreich für das Weiterleben im nächsten Jahr ist zudem, dass die Völker von Natur aus darauf aus sind, im Frühjahr auf Basis eingelagerten Honigs, als Volk betrachtet schnell und tüchtig zu erstarken. Ein Bienenvolk ist darauf gepolt, sich bezüglich der aufgezogenen Individuen im Kasten oder hohlen Baum rasend schnell zu vermehren. Damit das gelingt, legt die Königin zeitweilig pro Tag Eier in einer Menge, die ihr eigenes Körpergewicht überschreitet. Es können durchaus 2000 Stück pro Tag sein. Nur anhand einer grossen Nachkommenzahl ist gewährleistet, dass im Volk stets genug Sammel- oder Trachtbienen vorhanden sind.

    Ohne sie kann ein sich bietende Tracht nicht optimal genutzt, d.h. abgeschöpft werden. Hat es aber Trachtbienen genug, bringen sie Nektar von in der Früh bis spät abends heim.

    Sie denken dabei nicht an sich, sondern an kommende Generationen. Sie tun Alles für den eigenen Art-Erhalt. Sie schwärmen aus und bringen heim, was geht. Sie schwärmen aus und versuchen in kleinen, wie in grossen Höhlen zu siedeln. Sie verlassen alte Standorte und bemühen sich neue bezüglich der Tracht bessere Gebiete zu erreichen. Das gelingt naturgemäss selten, aber bisweilen doch. Naturgemäss überlebt nur ein geringer Prozentsatz ausgezogener Schwärme pro Jahr. Das ist heute nicht anders, als schon zu Zeiten, da hier noch Urwälder waren. Auch Urwälder bieten nicht überall optimale oder gar lückenlose Tracht. Der Kampf auf sich gestellter Völker war damals, wie heute gleichermassen
    schwer. Freilich mangelte es damals nicht an Wohnraum in hohlen Bäumen.

    Die im Artikel beschriebene Zunahme beim Honigertrag beruht meines Erachtens nicht auf einer verfehlten Form von Bienenhaltung. Der Mensch kann nur begrenzt beeinflussen, was ein Bienenvolk tut; sein Dasein unterstützen und den Wohnraum bieten, kann er hingegen schon. Auch ist ein Volk ist in der Beute ja nicht eingesperrt. Behagt der Hohlraum nicht, oder der Standort passt nicht, so kann ein Volk jederzeit
    ausziehen. Nicht oft, aber gelegentlich kommt das vor. Gelänge dem Imker eine Intensiv-Tierhaltung, wie sie Bauern möglich ist, wäre das kein Thema. Der Einfluss des Imkers ist in dieser Hinsicht tatsächlich gering.

    Ein anderes Thema ist das Auslese- und Zuchtbemühen um die Biene, samt künstlicher Befruchtung von Königinnen etc. Nur ein kleiner Teil aller ImkerInnen befasst sich vertieft und fundiert mit diesem Thema. – Es bleibt abzuwarten, wohin das führt. Was momentan geschieht
    ist begründet und wohl auch gut aufgegleist.

    Gegenüber früher grössere Honigernten sind möglich, weil grosse Monokulturen den Bienen rasch viel Nektareintrag ermöglichen. Bietet der Imker hierfür Platz in der Beute, füllen die Bienen ihn gern restlos aus. Ist die Kiste zu eng, teilt sich das Volk. Es kommt fast zwangsläufig zum Schwarm. Und das ist immer wieder ein besonderes Erlebnis.

    Grosse Honigernten sind ferner möglich, weil der Imker den Bienen heutzutage allen Honig wegnehmen kann. In guten Trachtlagen, folgt eine Tracht der anderen, bis in den Sommer hinein. Solange leben die Bienen von Nektar und Honigtau. Und während dieser Zeit kann der Imker Honig ernten. Spätestens nach Ende der Waldtracht aber muss entnommener Honig durch reichlich Zuckerfutter ersetzt werden. Ohne Rüben-und Rohrzucker und entsprechende Raffinerien ginge das nicht. Dann dürfte nur wenig Honig entnommen werden, damit immer genug im Volk verbleibt, um dessen Überleben, auch im Winter zu gewährleisten.

    In der Schweiz gibt es sehr viele ImkerInnen, eine grosse Bienendichte und feldweit Monokulturen, wie auch intensiven Obstanbau. Plötzlich blüht es mal kurz und weitläufig und gleich anschliessend blüht gar nichts mehr. Momente üppiger Tracht wechseln sich mit Trachtlücken ab; eine Folge landwirtschaftlicher Intensivkulturen ohne hinreichend Brachflächen und Randstreifen, sowie Hecken und Halten ausgelesener Steine entlang der Äcker. Entsprechende Artenverarmung geht damit einher. – Es ist das nicht das was wir wollen, doch das, was wir haben.

    Mehr und mehr bloss noch grüne Landschaft. Darin gefleckt weidende Kühe, wo es einst üppig blühende Wiesen gab. Selbst Löwenzahn (Säublumä) wird schon rar. Doch die Landschaft sieht aufgeräumt aus. Nichts als Grün ist halt auch schön. – Das Wichtiges fehlt bemerkt man kaum.

    Stehen Bienen aber in Monokulturen, erkennen sie das und schleppen heim, was geht. – Das ist in der Sache richtig. – Denn es ist viel Honig erforderlich, um trachtarme Zeiten, wozu auch von jeher der Winter gehört, zu überbrücken.

    Dank menschlichem Erfindergeist, besteht heute die Möglichkeit, den Bienen massig Honig und fallweise gar allen Honig wegzunehmen. Industriezucker macht’s möglich. Davon haben wir genug. Und für die Bienen taugt das schon, obwohl darin keinerlei feinstoffliche Informationen enthalten sind. Informationen, die in blühender Landschaft (die man hier weitgehend schon vergeblich sucht) jeder Tropfen Nektar reichlich bot, fallen weg. Mangel leiden die Bienen. Und mit Nektar und Wasser zudem aufgenommene Spritzmittel schwächen die Bienen, verkürzen deren Lebenserwartung . Man speist die Bienen billigst ab, nimmt den Honig, gibt Rübenzucker zurück. Wirklich gut kann
    das für Tierchen nicht sein, die ganz auf authentische Blütensäfte spezialisiert sind. Die Versorgung mit Industriezucker ist gegen die Natur der Bienen, auch wenn sie damit klar kommen.

    Dem sollten sich ImkerInnen bewusst sein.

    Jedem Imker ist es überlassen, seinen Bienen im Leben Beistand und Hilfe anzubieten und danach zu trachten, dass ihr Leben reich und qualitätvoll sei. Etwas, das wir für uns auch wünschen. Die Vorstellung davon, was artgerecht und richtig sei, dem Tierwohl dient etc., umfasst vielerlei Möglichkeiten. Darunter auch jene, wie viel Honig man den Bienen wegnimmt, oder wie viel man ihnen überlässt. Honig ist für die Bienen stets das Beste. Darauf sind sie spezialisiert. Das ist, was sie schätzen, das ist’s, was sie brauchen, Rübenzucker indes nicht.

    Bio-Imker sind verpflichtet den Bienen ein möglichst artgerechtes Leben zu ermöglichen. Viel Honig gehört dazu.

    Was BioImker tun ist durchdacht und vernünftig reglementiert. Standortwahl, wie auch das Belassen von viel Honig im Volk sind elementar. Die Bienen eines Bio-Imkers leben primär von eigenem Honig. Idealerweise so weit, wie irgend möglich. Doch im Fall, die Bienen bringen nicht genug heim, muss auch der Bio-Imker füttern. Zulässig ist die Verwendung eigenen Honigs und das füttern mit Biozucker – ein gute Sache, doch nebst Mehrarbeit, ein teurer Weg, da der Imker immer wieder schon geernteten Honig an seine Völkern zurück gibt. – Ein klarer Verzicht auf maximale Honigernten. Ein klarer Beitrag zur Hebung des Tierwohls in artgerechter Weise.

    Wie oben dargeleft, ist das Füttern bei Trachtlücken und für den Wintern meist unerlässlich, um überhaupt einmal Honig ernten zu können. Wer in der Bienen eine Nutztier sieht, will Honig ernten, möglichst viel. Wer sie nur der Arterhaltung wegen hält, kann auf’s Honigernten verzichten. Verantwortlich für des Wohlergehen der Bienen ist man dennoch. Immer gilt es aufzupassen, Trachtlücken zu bemerken. Bienen geht es schlecht, wenn sie Hunger leiden. Eine Zwischen- oder Notfütterung lindert die Not. Der BioImker verwendet dazu einen der Jahreszeit entsprechenden Honig aus eigener Ernte, damit der Honig im Volk stimmig bleibt. Allein das verteuert BioHonig natürlich.

    Wird eine solche Fütterung nach versiegter Tracht versäumt, gehen die Völker bisweilen schnell ein.

    Zu wünschen ist, dass immer mehr Menschen in den Honigbienen Geschöpfe sehen, mit denen man gut umgehen muss, wie überhaupt mit allem, was ist. Insofern wäre es schön, wenn immer mehr Menschen den Bienen in Liebe begegneten und dafür Sorge tragen, dass es ihnen schnellstmöglich besser geht. Geht es der Biene gut, geht’s auch den Menschen gut.

    Das Wohlergehen der Bienen liegt auch im Interesse aller Landwirte. Zunehmend setzt Verständnis ein. Ich hoffe, dass wir bald wieder überall blühende Wiesen, Artenreichtum überhaupt und eine weniger intensive gesamthaft pestizidfreie Landwirtschaft, nebst reinem Wasser haben.

  3. Der Artikel vermittelt leider ein völlig falsches Bild – sei’s aus Unkenntnis, aus unvollständiger Überlegung oder mit ideologischer Absicht.
    Es geht hier nämlich nicht wie suggeriert um die Honig-PRODUKTION eines Bienenvolkes, die mit der Milchproduktion verglichen wird, sondern um die Honig-ERNTE.
    Den grössten Teil des Honigertrags braucht ein Bienenvolk nämlich selbst zur Aufzucht der jungen Bienen und zum Heizen. Gemäss Wolfgang Ritter benötigt ein «durchschnittlich starkes Volk» im Jahr rund «70 kg Honig für den eigenen Bedarf» (Wolfgang Ritter 2012, Bienen gesund erhalten, Seite 22).
    Der Honigertrag ist also von 1949 bis 2018 nicht von 5.1 auf 21.3 kg gestiegen (Grafik 1; das wäre die erwähnte Vervierfachung), sondern von 75.1 auf 91.3 kg. Das ist eine Leistungssteigerung um 22 %. Also viel weniger als in allen anderen Bereichen der Landwirtschaft oder der Wirtschaft allgemein – und WEIT entfernt von der Steigerung der Milchproduktion um 150 %. (Gemäss Grafik 2 hat sich die Milchproduktion nicht verdoppelt, sondern verzweieinhalbfacht.)
    Eine andere Frage ist, ob in die Überlegungen die Tatsache einbezogen werden soll, dass ein Imker heute pro Bienenvolk 21.3 kg Honig (der etwa 17.6 kg Zucker enthält) erntet und ihm dafür 20 kg Sirup gibt (entspricht 14.6 kg Zucker). Was wird da effektiv «genommen»…?
    Und nochmals eine andere Frage ist, ob man Bienen mit Landwirtschaft vergleichen soll. Doch das war die Idee von André Wermelinger und Emanuel Hörler, nicht von mir.

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