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Der Auenboden ist Boden des Jahres 2020

Die Bodenkundliche Gesellschaft der Schweiz kürt den Auenboden zum Boden des Jahres 2020. Ein Auenboden bildet sich in Flusstälern, die im natürlichen Zustand sehr dynamische Naturräume sind. Durch das periodische Hochwasser wird eine grosse Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten erzeugt.

Text von Dominik A. Müller, Abteilung für Umwelt Kanton Aargau, Artikel aus «Umwelt Aargau – Januar 2020 Nr. 82»

Die Schweiz nimmt als Quellgebiet grosser europäischer Flüsse wie Rhone, Rhein, Inn und Ticino eine zentrale Rolle im Auenschutz ein. Als Grundlage dafür dient das seit 1992 bestehende Aueninventar, das knapp 300 Auenobjekte von nationaler Bedeutung enthält. Gemäss diesem Aueninventar nimmt nach den Flussauen (180 Standorte, 9‘731 Hektaren) der Auentyp «Gletschervorfelder» schweizweit die zweitgrösste Fläche ein (52 Standorte, 8‘919 Hektaren). Mit grösserem Abstand folgen dann die Seeauen (18 Standorte, 2‘462 Hektaren), Deltas (17 Standorte, 1‘037 Hektaren) und alpine Schwemmebenen (15 Standorte, 468 Hektaren).

Vielfalt dank Dynamik

Auenböden befinden sich im Kanton Aargau in Flusstälern, die im natürlichen Zustand sehr dynamische Naturräume sind: Periodische Hochwasser führen zu einem Wechsel von Ablagerung und Erosion von Sedimenten. Der Fluss ändert häufig seinen Lauf und überschwemmt Flächen, die zuvor trocken waren. Diese Dynamik erzeugt eine grosse Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, Lebensräumen sowie verschiedenen Bodentypen, die einem ständigen Wandel unterworfen sind. Dementsprechend nimmt ein natürliches Flusssystem ein grosses Gebiet in Anspruch. Früher wurden Flüsse begradigt und eingedämmt um Siedlungen zu schützen und die fruchtbaren Auenböden zu bewirtschaften. So wurden seit 1850 zirka 70 Prozent der Auen zerstört. Diese aussergewöhnlichen Naturräume werden heute schweizweit und im Kanton Aargau im Rahmen des Auenschutzparks Aargau teilweise durch Revitalisierungen wiederhergestellt, damit die dynamischen Prozesse des Wasser- und Sedimenthaushaltes (Erosion, Sedimentation und Überflutung) wieder ablaufen. Die Aktivitäten im Auenschutzpark Aargau im Jahre 2019 werden in dieser Ausgabe auf den Seiten X bis Y vorgestellt. Eine typische Bodenabfolge in einem Auengebiet reicht vom Auenboden unter gehölzfreier Aue über einen Fluvisol unter Weichholzaue hin zur grundwasserbeeinflussten Braunerde unter Hartholzaue.

Auenboden unter gehölzfreier Aue

Das Flussbett wird mehrmals pro Jahr überschwemmt und durch Wasser und Geschiebe umgestaltet. Hier gedeihen vorwiegend krautige Pionierpflanzen, die sich zwischen zwei Hochwasserereignissen rasch entwickeln und sich jedes Jahr neu ansiedeln können. Leider sind invasive Neophyten, also nicht heimische Pflanzen, auf diesen Flächen sehr konkurrenzstark und können alles überwuchern.  Auch einzelne Weidengebüsche schlagen in den rohen Böden Wurzeln. Die Bodenentwicklung wird durch die Überschwemmungen regelmässig unterbrochen. So entsteht ein schwach entwickelter, geschichteter Auenboden mit oft sandiger Körnung und kaum erkennbarem Oberbodenhorizont.

Boden des Jahres

Weitere Informationen zum Auenboden als Boden des Jahres 2020 finden Sie unter www.boden-des-jahres.ch. Auf dieser Seite sind auch die vergangenen Böden des Jahres wie der Grundwasser-, der Rebberg-, der Garten- oder der Rekultivierungsboden porträtiert.

Fluvisol unter Weichholzaue

Auf Auenterrassen sind die Standortsbedingungen stabil genug, dass sich trotz der Hochwasser, die jährlich oder seltener auftreten, ein Pionierwald entwickeln kann. Die Weichholzaue besteht aus Baumarten mit leichtem, weichem Holz wie Weiden oder Pappeln. Durch Humusanreicherung entsteht ein ausgeprägter, dunkler Oberboden. Bei grossen Überschwemmungen wird dieser überschüttet, und die Humusanreicherung beginnt von neuem. Bei solchen Böden ist meist noch eine deutliche Schichtung zu erkennen.

Grundwasserbeeinflusste Braunerde unter Hartholzaue

Die weiter vom Fluss entfernten Bereiche und die höher gelegenen Terrassen werden nur sehr selten überschwemmt, können aber durch das nahe Grundwasser beeinflusst sein. Hier entsteht nach Jahrzehnten ungestörter Vegetationsentwicklung eine Hartholzaue mit Ahorn und Ulmen oder gar Buchen, Eichen und Fichten. Chemische Verwitterungsprozesse wie Kalkauswaschung, Verbraunung und Verlehmung führen zu einem gut entwickelten, fruchtbaren Boden. Die ursprüngliche Schichtung ist, wenn überhaupt, nur noch schwach zu erkennen.

Steckbrief des Profils vom Boden des Jahres

Der porträtierte Auenboden zählt zu den Flussauenböden und liegt im 315 Hektar grossen Auengebiet Wildegg-Brugg auf der «Schacheninsle» bei Villnachern. Die Insel wird mehrmals pro Jahr überschwemmt. Aufgrund der Lage auf der Insel ist die Fliessgeschwindigkeit des überschwemmenden Wassers an diesem Standort gering, so dass sich Sand- und Schluffpartikel ablagern können. Die häufigen Störungen durch Überschwemmungen führen dazu, dass sich einerseits eine geringmächtige Streuschicht mit abgestorbenen, zum Teil angeschwemmten Pflanzenresten bildete und andererseits sich nur im Ansatz ein wenige Zentimeter mächtiger Oberboden entwickelt. Die Aggregation – das Aneinanderlagern von organischen und mineralischen Bodenpartikeln – ist ebenfalls nur eingeschränkt vorhanden. Das Material ist locker geschüttet und kann von Pflanzenwurzeln gut erschlossen werden. Das angeschwemmte Material ist kalkhaltig, der Boden daher basisch (oder alkalsich). Unterhalb der sandig-schluffigen Ablagerungen wurden bei höheren Fliessgeschwindigkeiten grössere Steine abgelagert, deren Zwischenräume mit sandiger Feinerde gefüllt sind. Der Grundwasserspiegel liegt unterhalb 1,2 Meter unter Terrain. Die pflanzennutzbare Gründigkeit, das heisst der für die Pflanzenwurzeln nutzbare Raum, liegt zwischen 30 und 50 Zentimeter.

Auenboden

-1.5 – 0 cm

Abgestorbene, zum Teil angeschwemmte Pflanzenreste bilden eine geringmächtige Streuschicht.

0 – 4 cm

Direkt unter der Oberfläche wird abgebautes, organisches Material von Bodenlebewesen in die Feinerde eingearbeitet. Es bildet sich langsam ein Oberbodenhorizont mit noch wenig organischem Material.

4 – 64 cm

Schluffig-sandiges Material wurde vom Fluss angeschwemmt und abgelagert. Der Boden ist schwach strukturiert, aufgrund der groben Körnung für die Wurzeln aber leicht zu erschliessen.

64 – 90 cm

Steinreiche Ablagerungen lassen auf eine grössere Fliessgeschwindigkeit des Wassers während derer Ablagerung schliessen. Wurzeln dringen in den oberen Bereich dieser Schicht vor.

Der Auenboden ist der Boden des Jahres 2020. Das Profil wurde auf der «Schacheninsle» in Villnachern aufgenommen. © Gaby Brändle, Michael Wernli, Roman Berger

Auenschutzpark Aargau

Der Auenschutzpark Aargau besteht aus mehreren Teilgebieten entlang den Flüssen des Kantons. Er ist aufgrund einer Volksinitiative entstanden und umfasst über ein Prozent der Kantonsfläche. Auen dienen einer artenreichen Tier- und Pflanzenwelt als Lebensraum, dem der Aargau Sorge trägt.

Man nennt den Aargau auch «Land der Ströme». Aare, Reuss und Limmat kommen im Wasserschloss bei Brugg zusammen und fliessen bei Koblenz vereint in den Rhein. Ursprünglich breiteten sich in den Talebenen grosse Auengebiete aus. Die Flüsse mäandrierten frei und der Wechsel der Wassermenge je nach Witterung und Jahreszeit gestaltete die Landschaft immer wieder um. Zahlreiche Eingriffe der Zivilisation haben diese Dynamik vielerorts unterbunden. Um den weiteren Auenschwund zu stoppen und die bestehenden Auen zu erhalten, hat die Aargauer Bevölkerung 1993 in einer Volksabstimmung den Auenschutzpark ins Leben gerufen.

Hotspot des Artenschutzes

Der Wechsel von Nass und Trocken und vom reissenden Strom zum Rinnsal schafft in einer Aue ständig neue Pionierräume und Nischen für Tiere und Pflanzen, wie sie ihn im überbauten und landwirtschaftlich genutzten Siedlungsgebiet der Menschen kaum noch anzutreffen sind.

Tatsächlich sind in den Schweizer Auen auf rund 0,3 Prozent der Landesfläche rund 40 Prozent der in der Schweiz vorkommenden Pflanzenarten vertreten. Nach einer neueren Studie (Rust-Dubié) können 84 Prozent der Schweizer Tierarten in Auen vorkommen und jede achte Tierart ist auf Auenlebensräume zwingend angewiesen. So ist der Auenschutzpark Aargau ein Hotspot des Artenschutzes. Über die Hälfte seiner Fläche ist denn auch im Verzeichnis der Naturschutzgebiete von nationaler Bedeutung eingetragen.

Abwechslungsreiches Naturerlebnis

Die abwechslungsreiche Landschaft erkunden und mitverfolgen, wie sie sich im Lauf der Jahreszeiten und abhängig vom Wasserstand verändert, Biberspuren suchen, Wasservögel beim emsigen Treiben beobachten – es gibt viele Möglichkeiten, die Auen zu entdecken. Denn nur kleine Teilgebiete des Auenschutzparks Aargau sind zum Schutz von besonders störungsempfindlichen Arten nicht zugänglich. Im übrigen sind die Aargauer Auen durch Spazier-, Wander- und Velowege gut erschlossen und laden zu Entdeckungsreisen ein. Eintritt frei!

Besuchen Sie die Seite www.ag.ch/auenschutzpark und erkunden Sie die Aargauer Auen!

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