Sie müssen die Füsse spreizen, um trinken oder Gras fressen zu können. Da fragt man sich, wieso die Evolution der Giraffe so einen langen Hals beschert hat. Dazu gibt es zwei gängige Theorien.
Die bis zu 5,7 Meter grossen Giraffen fallen besonders durch ihren langen Hals auf. Allein der Hals kann bis zu 2,5 Meter lang sein und 250 kg wiegen. Die Halswirbelsäule besteht trotz der Länge aus genau gleich vielen, 7, Halswirbeln wie die menschliche. Der C3-Wirbel (dritter Wirbel nach dem Schädel) im Hals der Tiere ist neunmal länger als breit und erreicht Dimensionen wie ein menschlicher Oberarmknochen. Das Giraffenherz muss eine enorme Leistung erbringen, um das Blut vom Körperzentrum den ganzen Hals entlang bis zum Kopf pumpen zu können. Im Tierreich ist es das kräftigste und grösste Herz in Relation zur Körpermasse. Das stattliche Gewicht von 11 kg braucht das Herz auch, um die erforderliche Pumpleistung erbringen und bis zu 60 Liter Blut pro Minute Richtung Kopf pumpen zu können. Ein grosses Mysterium ist es immer noch, wieso der Blutdruck der Giraffe beim Kopfheben oder -senken nicht absackt. Es wird vermutet, dass die elastischen Halsvenen und der im allgemeinen hohe Blutdruck ihren Beitrag leisten den Blutdruck konstant zu halten.
Bedenkt man alle diese Tatsachen, so ist es verwunderlich, wieso ein so langer Hals ein Vorteil und kein Nachteil in der Entwicklung dieses Tiers war. Dazu gibt es zwei gängige Theorien von zwei bedeutenden Evolutionsbiologen.
Theorie von Jean-Baptiste de Lamarck
In Bezug auf die Giraffe war der Franzose Jean-Baptise de Lamarck der Meinung, dass sie ihre Hälse immer weiter nach oben gestreckt haben, um an die saftigen Blätter der Kronen der Akazien zu kommen, und dadurch der Hals im Laufe der Zeit immer länger wurde. Der Ursprung des langen Halses war laut ihm der Antrieb an schwer erreichbares Futter zu kommen.
Theorie von Charles Darwin
Die andere Theorie entsprang den Gedanken des Evolutionsbiologen und Vater der heutigen Evolutionsbiologie, Charles Darwin. Er erklärte sich die langen Hälse der Giraffen dadurch, dass die Selektion auf Gene für lange Hälse die treibende Kraft war. Durch die genetische Variation hatten manche Giraffen kürzere und andere längere Hälse. Nur Giraffen, die die weiter oben gelegenen Blätter in Bäumen erreichten, fanden genug Nahrung zum Überleben. Dies führte dazu, dass Giraffen mit kurzen Hälsen ausstarben und sich nur die Giraffen mit langen Hälsen weiter fortpflanzen konnten.
Der grössere Dickschädel gewinnt!
Zusätzlich zu dieser durch Futter bedingte Veränderung könnte auch noch das Konkurrenzverhalten zwischen Männchen einen Einfluss gehabt haben. Denn Rangkämpfe werden im Giraffenreich mithilfe der Hälse ausgetragen. Zwei Rivalen stehen Seite an Seite und versuchen sich mit ihrem mächtigen Hals und Kopf gegenseitig zu schlagen und aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Gewinner bekommt die meisten Weibchen ab und kann seine Gene an die nächste Generation weitergeben. Manche Wissenschaftler glauben sogar, dass dies die eigentlich treibende Kraft für die Evolution langer Hälse war.
Im folgenden Video sieht man solch einen Kampf der Giganten. Dabei ist ein langer Hals definitiv von Vorteil.
© National Geographic, facebook