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Zwei auf einen Streich: Solaranlagen und Lärmschutzwände kombinieren

Lärmschutzwände zusätzlich für Photovoltaikanlagen nutzen – bei sorgfältiger Planung eine Win-win-Situation. Das Beispiel Leugrueb an der Forchautostrasse A52 zeigt, wie es geht.

Der Artikel von Stefan Schmon und Thomas Vontobel informiert im aktuellen Journal “Zürcher Umweltpraxis” der Baudirektion des Kanton Zürichs über die Möglichkeit, Lärmschutzwände mit Photovoltaikanlagen auszustatten.

Bei der Planung der Sanierung der Lärmschutzwand entlang der Forchautostrasse wurde geprüft, ob es möglich wäre, Lärmschutz und Photovoltaik zu kombinieren. Eine erste Projektstudie hatte das Potenzial für eine Photovoltaikanlage auf einer Länge von rund 300 Metern in Zumikon (Abschnitt Leugrueb) aufgezeigt. Eine mögliche Stromeinspeisung, Auswirkungen auf die Akustik, eventuelle Blendungen durch die Anlage sowie die Wirtschaftlichkeit wurden abgeklärt.

Lärmschutz mit Photovoltaik im Contracting

Die Sanierung der Lärmschutzwand in den betroffenen Bereichen liegt im Zuständigkeitsbereich des Kantons Zürich. Da es nicht Aufgabe des Kantons ist, Photovoltaikanlagen zu betreiben, wurde die Realisierung unter Vorgaben zur Gestaltung und mit einem unbefristeten Nutzungsvertrag an die Zürichsee Solarstrom AG (ZSSAG) übergeben. Besonders interessant: Diese bietet Bau und Unterhalt auch im sogenannten Contracting an, also ähnlich einer Miete in Verantwortung der ZSSAG und nicht der Nutzer.

Optimal anpassen

Die ursprüngliche Projektskizze wurde technisch und ökonomisch optimiert und unter anderem die Unterkonstruktion auf ein Standard-Fassadensystem angepasst. Der Neigungswinkel der Solarpanels von 30 Grad ist geeignet, um den ganzen Tagesverlauf der Sonne nutzen zu können. Er minimiert Blendung und Reflexionen durch die Solarpanels. Gleichzeitig unterstützt er die Selbstreinigung durch Regenwasser.

Fundation: Bestehendes nutzen

Die Unterkonstruktion der neuen Lärmschutzwand wurde nicht völlig neu gebaut. Stattdessen wurden die bestehenden Pfähle der alten Lärmschutzwand in die neue Riegel-Pfahl-Fundation eingebunden. Damit wird die Restlebensdauer der bestehenden Pfähle ausgenutzt. Die Bauzeit konnte verkürzt und die Emissionen (Lärm, Erschütterungen) gesenkt werden. All dies führte zu tieferen Kosten.

Ästhetische Einordnung

Um möglichst wenig verschiedene Materialien verwenden zu müssen, entschied man, nur Glas, Steinkörbe sowie die Photovoltaik-Module einzusetzen. Dies bedeutete, dass auch die Lärmschutzelemente als Steinkörbe ausgebildet werden mussten. Durch ein integriertes Lavabeton-Element wird der Schall zuverlässig abgehalten. Diese Bauweise ist sehr dauerhaft und wirtschaftlich.
Durch die zweireihige Modulanordnung mit Blindelementen zur Anpassung an den Verlauf der Lärmschutzwand ergibt das eingesetzte Photovoltaik-System ein einheitliches Erscheinungsbild.

Lärmschutz unten aus Steinkornelementen und oben eine durchsichtige Scheibe schützt vor dem Verkehrslärm
Das Besondere der neu entwickelten Steinkorbelemente: Sie sind dank eines integrierten Lavabeton-Elementkerns schalldicht, aber auch stabil genug, darauf Glaselemente zu montieren. © Tiefbauamt Baudirektion Kanton Zürich

Anwohnerfreundlich, vogelfreundlich

Ein hoher Anteil an Glaselementen sollte in der Lärmschutzwand die Aussicht der Anwohner gewährleisten, gleichzeitig jedoch vogelsicher sein. In Zusammenarbeit mit der Vogelwarte Sempach wurde ein früher geprüftes Punkteraster weiterentwickelt. Die Punkte mussten in Grösse und Abstand so gewählt werden, dass die Vögel die Wand im Flug als Hindernis wahrnehmen, ohne dass die Wand die Aussicht der Anwohner verbaut. Das Punkteraster wurde so gewählt, dass die Punkte ab einer gewissen Distanz zur Lärmschutzwand, zum Beispiel vom Balkon her, nicht mehr einzeln wahrnehmbar sind. An der Informationsveranstaltung in der Gemeinde Zumikon zum Projekt wurde dieses Glasmuster vorgestellt und stiess auf grosse Akzeptanz.

Die Glasscheibe für den Lärmschutz ist für Menschen durchsichtig, für Vögel hat es ein feines Punktmuster drauf.
Ein mit der Vogelwarte Sempach abgestimmtes Punkteraster auf dem Glas verhindert, dass die Glaselemente zur Vogelfalle werden. © Tiefbauamt Baudirektion Kanton Zürich
Durch die durchsichtige Scheibe sieht man weiterhin auf die Landschaft
Die Sicht der Anwohner auf die Landschaft bleibt erhalten. Das Punkteraster auf der Lärmschutzwand verschwindet optisch. © Tiefbauamt Baudirektion Kanton Zürich

Vom Projekt zur Baute

Die Montage der Photovoltaik-Anlage erfolgte in einem reservierten Zeitfenster von drei Wochen, integriert in die angepasste Verkehrsführung auf der Forchautostrasse für den Bau der Lärmschutzanlage. Vorbereitende Massnahmen wie Leerrohre und Durchbrüche durch die Lärmschutzwand konnten in den Bauprozess der Lärmschutzwand integriert werden. Die Anbindung ans Stromnetz der EKZ erfolgt über einen separaten Anschluss für die Photovoltaik-Anlage ab einer naheliegenden Verteilkabine.

Was bringts?

Der erwartete elektrische Jahresertrag der Anlage von 89.5MWh entspricht etwa dem Jahresbedarf von 22 Haushalten. Oder einer jährlichen Fahrstrecke von rund 406’000 Kilometern – knapp zehnmal um die Erde – mit einem Elektroauto bei 22 kWh/100 km.

Was die gezielte Nutzung verbauter Fläche zu Photovoltaikzwecken leisten könnte, zeigt folgende Rechnung: Für einen Anteil von 20 Prozent Solarstrom am Schweizer Jahresstrombedarf sind 10 Quadratmeter Photovoltaik-Fläche pro Einwohner notwendig. Diese wären vielfach in bereits für die Zivilisation genutzter Fläche auffindbar. So nehmen Strassen fast 100 Quadratmeter pro Kopf in Anspruch und Wohngebäude knapp 50 Quadratmeter pro Kopf.

Dieser Artikel erschien zuerst im Journal Zürcher Umweltpraxis (ZUP), Ausgabe 82 vom Oktober 2015.

Weitere Informationen:

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