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Waldbodenkarten weisen versauerte Böden aus

Die bodenkundliche Kartierung stellt langfristig umfassende Bodendaten für verschiedenste Zwecke zur Verfügung, auch im Wald. So lassen sich stark versauerte Waldböden erkennen.

Der Artikel von Ubald Gasser informiert im aktuellen Journal «Zürcher Umweltpraxis» der Baudirektion des Kanton Zürichs über die Problematik der Bodenversauerung im Wald, sowie die Waldbodenkartierung.

Fast ein Drittel der Zürcher Kantonsfläche oder rund 50’000 Hektar sind mit Wald bestockt. Davon sind mutmasslich rund 13’000 Hektar von der starken Versauerung der Böden betroffen. Der heutige Säureeintrag aus der Atmosphäre beschleunigt die natürliche Versauerung der Waldböden gebietsweise erheblich. Ursachen sind vor allem Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft und Stickoxid-Emissionen aus dem Verkehr. In den betroffenen Wäldern sind pH-Werte (Bodensäuregrad) unter 4.0 in den obersten 100 Zentimeter Boden nicht selten.

Auswirkungen der Waldbodenversauerung

Die Versauerung der Waldböden und das damit verbundene Freisetzen von Aluminiumionen schaden Bodenlebewesen wie Mikroorganismen oder Regenwürmern und den Wurzeln der Pflanzen erheblich. Betroffene Böden speichern deutlich weniger Nährstoffe. Durch das geschwächte Wurzelwerk sind die Bäume anfälliger auf Windwurf. Die verminderte Regenwurmaktivität im Boden beschränkt die Qualität der Bodenstruktur. Eine weit fortgeschrittene Versauerung mobilisiert zudem Schadstoffe wie Schwermetalle und gefährdet das in Wäldern gefasste Grundwasser. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt ab.

Der verstärkten Versauerung entgegenwirken

Um die Fruchtbarkeit der Waldböden langfristig zu erhalten, muss die Versauerung auf ein naturnahes Mass verringert werden. Zentral dabei ist, den menschlichen Eintrag von Säuren zu vermindern (Quellenstopp).

Das Ressourcenprojekt Ammoniak (KR-Nr. 4811a/2012) will bis Ende 2016 die Ammoniak-Emissionen der Landwirtschaft auf 80 Prozent senken. Waldbauliche Massnahmen wie das Anpflanzen von Baumarten mit leicht abbaubarer Streu vermindern die Säureproduktion im Wald selbst. Umstrittene Massnahmen wie Düngung und Kalkung sind in der Schweiz im Wald verboten. In Deutschland zum Beispiel werden Wälder auf sauren Böden grossflächig gekalkt.

Handeln auf Basis guter Information

Bereits 1988 bewilligte der Kantonsrat einen Kredit, um die Zürcher Landwirtschafts- und Waldböden im Massstab 1:5000 zu kartieren. Aus Kostengründen wurde 1994 auf den Waldteil verzichtet (Vorlagen 2865 und 3386), eine Lücke, die jetzt mit der Kartierung der am stärksten versauerten Waldböden teilweise geschlossen wird. Karten der potenziellen Vegetation repräsentieren auch gewisse Bodeneigenschaften, aber nur bis in eine Bodentiefe von höchstens 40 Zentimeter. Damit man standortbezogene Massnahmen gezielt anwenden kann, sind gute Kenntnisse der Bodeneigenschaften erforderlich. Eine systematische Erfassung von Aufbau und Chemismus der Waldböden fehlte bislang.

Ort eines Bodenprofils im Wald.
Situation des Profils 1008, siehe Aufnahmeprotokoll und Profilfoto. © BABU GmbH

Im Auftrag des Regierungsrats

Eine Karte der Wälder mit stark sauren Böden ist Grundlage für die Umsetzung von standortbezogenen Massnahmen gegen die Versauerung. Der Regierungsrat beauftragte die Baudirektion, Amt für Landschaft und Natur (ALN), diese Aufgabe an die Hand zu nehmen (RRB 622/2013). Die bodenkundliche Kartierung ist zwar aufwändig, aber sie stellt langfristig umfassende Bodendaten für verschiedenste Anwendungen zur Verfügung.

Erstellung von Waldbodenkarten

Als Grundlagen für die Erstellung von Bodenkarten wird eine Vielfalt von Informationen verwendet. Dazu gehören Angaben über die Rahmenbedingungen der Bodenbildung: Ausgangsgestein, Lebewesen, Klima, Relief und Zeit. Als Präzisierung der Topographie (Relief) stehen zwei digitale Modelle zur Verfügung. Diese Daten werden während der Erkundung im Wald ergänzt. Die wesentlichen Arbeiten wie bodenkundliche Kartierung, Qualitätssicherung und gewisse Laborarbeiten werden im Auftrag des Kantons von der Privatwirtschaft ausgeführt. Bislang wurden die Aufträge für sieben Lose zu je rund 300 Hektar vergeben. Die Fachstelle Bodenschutz hat in der ZUP schon früher auf den Nutzen der Waldbodenkartierung hingewiesen und Ergebnisse einer Voruntersuchung von 2010/11 dargelegt (ZUP Nr. 66/2011, «Die Verbreitung stark saurer Waldböden ermitteln»).

Vor der Arbeit im Wald werden die betroffenen Personen und Institutionen durch die Fachstelle oder die beauftragten Ingenieure über die Bodenkartierung informiert, insbesondere die Gemeindebehörden und die Revierförster. Die privaten und korporativen Waldbesitzer werden speziell kontaktiert, wenn eine Bodenprofilgrube auf ihrem Grundstück zu liegen kommt. Für die Grabarbeiten im Wald ist eine Verfügung (Bewilligung) der Abteilung Wald (ALN) notwendig.

Die Kartierung verläuft in vier Phasen. In der ersten Phase wird nach der Erkundung eine Boden-Konzeptkarte erstellt, eine wichtige Vorstufe der Bodenkarte. Sie dient der Ausscheidung von Gebieten vergleichbarer Böden und umfasst die geplante Lage der Gruben, deren Profile die wesentlichen Böden (Typen) des Kartierungsgebietes repräsentieren. In der zweiten Phase wird zur Beschreibung der Profile eine grosse Zahl von Daten erhoben. Diese betreffen Angaben über Situation und Eigenschaften des gesamten Profils sowie bodenkundliche Kennwerte wie Humus-, Ton-, Schluff- und Kalkgehalt sowie Farbe, pH, Wurzeln und Regenwurmaktivität der einzelnen darin vorkommenden Schichten, den sogenannten Horizonten (vgl. Aufnahmeblatt unten). Während der eigentlichen Kartierung (Phase 3) wird die geographische Ausdehnung dieser Böden bestimmt und die Lage der Grenzen zwischen benachbarten Bodeneinheiten vor Ort verifiziert. In der vierten Phase geht es um die Umsetzung der Erkenntnisse der Waldbodenkarte in die Praxis, oft unter Einsatz abgeleiteter Themenkarten.

Wichtig für die Kartierung ist auch die unabhängige externe Qualitätssicherung. Dabei stehen die Steuerung der Bearbeitungsprozesse und die Kontrolle der Plausibilität der Daten auf der Basis von Erfahrungswerten im Vordergrund. Der betreffende Experte überprüft die Profilaufnahmen und begleitet die Kartierteams zeitweise bei ihrer Arbeit im Wald.

Fokus der aktuellen Bodenkarte

In der aktuellen Kartierung liegt der Brennpunkt – neben der Verbreitung der Böden – auf der Erfassung der Versauerung. Um den Wurzelraum zu erfassen, wird der Boden bis in eine Tiefe von maximal 180 Zentimeter beurteilt und Probenmaterial entnommen. Darin werden das pH sowie bei Verdacht auf Aluminiumtoxizität die Schad- und Nährstoffverhältnisse am Speicher (Austauschereigenschaften) bestimmt. Zur Beurteilung der Bodenversauerung sind zum Beispiel pH, Basensättigung und Kalkgrenze wichtige Indikatoren. Die Basensättigung ist ein Mass für den Anteil der Nährstoffe Calcium, Kalium und Magnesium am Speichervermögen (Kationenaustauschkapazität) des Bodens. Die Kalkgrenze gibt an, wie tief man graben muss, bis man auf kalkhaltigen Boden trifft, d. h. ab welcher Tiefe die erwähnten Nährstoffe den Pflanzenwurzeln in reichlicherem Masse zur Verfügung stehen.

Ein Bodenprofil im Irchel.
Profil 1008 im Raum Irchel © BABU GmbH im Auftrag der Fachstelle Bodenschutz

Erhebungen am Beispiel Irchel

Das Ausgangsgestein ist im Gebiet oft ein teilweise mit Kalk verkitteter sogenannter Deckenschotter, ein mehrere hunderttausend Jahre altes Sedimentgestein aus frühen Eiszeiten. Im Kartierungsperimeter kommen vor allem Simsen-Buchenwälder und andere Buchenwälder auf eher sauren Böden sowie Waldmeister-Buchenwälder vor. Auf feuchteren Böden wachsen auch Laubmischwälder wie der Aronstab-Buchenwald.

Die 15 Bodenprofile am Irchel umfassen neben elf Parabraunerden auch je zwei Braunerden und Braunerde-Gleye. Bei sieben dieser Parabraunerden liegt die Kalkgrenze unter 250 Zentimeter unter Flur. Die pH-Werte liegen dabei über weite Bereiche des Profils unter 4.0 und die minimale Basensättigung im Profil ist unter 18 Prozent und bleibt oft unter 40 Prozent. Diese Standorte sind oft in Plateaulagen.

In den beiden grundwasserbeeinflussten Böden (Braunerde-Gleye) liegt die Kalkgrenze bei 45 bzw. 100 Zentimeter. Die pH-Werte sind oft zwischen 5.0 und 7.5, und die Basensättigung ist stets grösser als 70 Prozent.

Die Durchwurzelung mit Grobwurzeln und insbesondere Feinwurzeln ist in den Böden mit einer Kalkgrenze unter 250 Zentimeter in der Regel vermindert, was sich negativ auf die Wasser- und Nährstoffaufnahme sowie die Standfestigkeit der Bäume auswirkt. In diesen Böden fehlen tiefbohrende Regenwürmer. Bei den übrigen Böden finden sich Feinwurzeln im gesamten untersuchten Profilbereich, und in der Regel wurden dort auch Regenwürmer bis in mindestens 50 Zentimeter Tiefe nachgewiesen.

Am Irchel wurden zur Erstellung der Bodenkarte 281 Hektar Wald in vier Gemeinden kartiert. Während der Kartierung wurden rund 560 Bohrungen durchgeführt und rund 350 Teilflächen («Polygone») ausgeschieden. Am Irchel findet man vor allem tiefgründige und stark versauerte Böden, insbesondere Parabraunerden (siehe Karte) und Saure Braunerden. Daneben sind, wie von der Profilaufnahme erwartet, auch einige wassergeprägte Böden anzutreffen. Die bisherigen Ergebnisse der laufenden Erhebung zeigen eine fortgeschrittene Waldbodenversauerung für viele Flächen (Karten). Verschiedene Böden zeigen dabei Hinweise auf Aluminiumtoxiziät.

Thematische Karten für die Umsetzung

Die Waldbodenkarten widerspiegeln die geographische Verbreitung der Böden. Diese Karten bzw. thematische Ableitungen davon können für vielfältige Zwecke verwendet werden: Grundwasser- und Hochwasserschutz, Planung von Massnahmen des Bodenschutzes bei Bodenbelastungen (zum Beispiel Bodenversauerung), Prognosen von Erosion usw.

Waldbodenkarte am Irchel.
Ausschnitt der Waldbodenkarte im Raum Irchel (Wilemerirchel). Die Bodeneinheiten haben einen dreiteiligen Code bestehend aus Wasserhaushalt, Bodentyp und Geländetyp. Bodentypen: B: Braunerde, E: Saure Braunerde, T: Parabraunerde, V: Braunerde-Gley und W: Buntgley. © Fachstelle Bodenschutz; Datenerhebung: BABU GmbH Zürich
Waldbodenkarte im Irchel.
Ausschnitt der Waldbodenkarte im Raum Irchel (Wilemerirchel). Die Bodeneinheiten haben einen dreiteiligen Code bestehend aus Wasserhaushalt, Bodentyp und Geländetyp. Bodentypen: B: Braunerde, E: Saure Braunerde, T: Parabraunerde, V: Braunerde-Gley und W: Buntgley. © Fachstelle Bodenschutz; Datenerhebung: BABU GmbH Zürich

Die Kalkgrenze liegt am Irchel oft unter 180 Zentimeter Bodentiefe und zeigt in gewissen Bereichen eine erhebliche kleinräumige Variabilität. Die Lage der Kalkgrenze (Siehe Karte unten) ist ein Beispiel einer abgeleiteten Karte.

Kalkgrenze im Irchel.
Lage der Kalkgrenze am Wilemerirchel (von Waldbodenkarte abgeleitet). © Fachstelle Bodenschutz; Datenerhebung: BABU GmbH Zürich
Legende zur Kalkgrenze im irchel.

Ein weiteres Beispiel stellt die minimale Basensättigung des Bodens dar (Karte unten). Liegt diese über 40 Prozent, so kann davon ausgegangen werden, dass die Nährstoffversorgung der Bäume ausreichend ist. Bei tieferer Basensättigung kann mangelhafte Ernährung nicht ausgeschlossen werden. Zudem ist die Anfälligkeit der Bäume auf Windwurf signifikant erhöht. Bei einer Basensättigung von weniger als 15 Prozent ist die Nährstoffversorgung insbesondere mit Magnesium und Kalium, aber auch mit Calcium mangelhaft. Das Wurzelwachstum ist oft auf den oberen Bodenbereich reduziert. Ausserdem können für Wurzeln giftige Gehalte von Aluminium-Ionen im Bodenwasser auftreten.

Geschätzte Minimale Basensättigung im Irchel.
Geschätzte Minimale Basensättigung. © Fachstelle Bodenschutz, Datenerhebung im Wald: BABU GmbH Zürich, Statistik: A. Papritz und M. Nussbaum, ETH Zürich
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Interpretieren und anwenden

Die Bodenkarte stellt für die Planung Grundlagen einer nachhaltigen Waldnutzung bereit. Die bisherigen Ergebnisse der Kartierung bestätigen die vermutete fortgeschrittene Waldbodenversauerung für viele der bearbeiteten Flächen. Verschiedene Böden zeigen dabei Hinweise auf Aluminiumtoxizität. Solche Gebiete verdienen waldbaulich eine besondere Beachtung hinsichtlich Baumartenwahl.

Wie das Beispiel Irchel zeigt, kann die Bodenkarte in stark versauerten Gebieten die ökologische Situation detaillierter beschreiben als die Vegetationskarte, was für die Bewirtschaftungsplanung von Vorteil ist. Abgeleitete Karten erleichtern die Interpretation der Bodenkarte. Die Fachstelle Bodenschutz erarbeitet zusammen mit der Abteilung Wald solche Karten für die forstliche Praxis.

Der Abschluss der eigentlichen Kartierungsarbeiten ist für das Jahr 2019 geplant.

Beispiel einer Profilaufnahme

Der Boden am Standort von Profil 1008 (Foto siehe weiter oben) ist mit einer Kalkgrenze von mehr als 250 Zentimeter unter der Geländeoberfläche tiefgründig verwittert. Er wurde klassiert als stark saure, graufleckig marmorierte, kompakte, pseudogleyige Parabraunerde und ist in der Regel senkrecht durchwaschen, zeitweise aber stauwasserbeeinflusst und gilt als nur mässig tiefgründig. Der Boden weist bis in eine Tiefe von ca. 10 Zentimetern einen Humusgehalt von 5.6 Prozent auf und darunter bis ca. 20 Zentimeter Tiefe 2.3 Prozent. Das pH (in Calciumchlorid) nimmt tendenzmässig mit der Tiefe von 3.5 auf 3.9 zu. Unterhalb von 44 Zentimetern ist der Boden verdichtet und weist dort Merkmale temporärer Vernässung auf (Magankonkretionen, Rostflecken und gebleichte Bahnen).

Der Oberboden hat ein Aggregatgefüge, wenngleich Regenwürmer im Profil nicht nachgewiesen wurden. Im Unterboden, ab 20 Zentimeter Bodentiefe, ist das Gefüge dominant polyedrisch oder kohärent. Grobwurzeln werden bis in eine Tiefe von 44 Zentimeter, Feinwurzeln bis 124 Zentimeter gefunden. Bis 64 Zentimeter Bodentiefe liegt der Tongehalt zwischen 16 und 19 Prozent, darunter beträgt er 21 bis 25, was auf eine Tonverlagerung hindeutet. Der Boden ist skeletthaltig. Die Bodenfarbe, ersichtlich an den MUNSELL-Werten (zum Beispiel 10YR4/3), beruht vor allem auf der Verteilung von Humus und Eisenoxiden im Profil und verändert sich mit der Tiefe von grauen zu hellbraunen Farbtönen. Rostflecken sind orange und die gebleichten Stellen im Unterboden grau-gelb bis hellgelb.

Skizze eines Bodenprofils im Irchel.
Aufnahmeblatt («Profilskizze») von Profil 1008 im Raum Irchel. © BABU GmbH im Auftrag der Fachstelle Bodenschutz

Dieser Artikel erschien zuerst im Journal Zürcher Umweltpraxis (ZUP), Ausgabe 84 vom April 2016

1 Kommentar

  1. Wäre das komplexe Ökosystem Wald nicht so resilient, wäre diese Versauerung ein riesen Desaster. Leider vollzieht sich der Wandel aber so langsam, dass kaum jemand wirklich alarmiert ist! Denoch sind die langfristigen negativen Folgen dieser Versauerung auf Flora und Fauna fatal. Die Stickstoffemissionen aus der Landwirtschaft müssen dringend und rasch gesenkt werden!

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