StartHintergrundReportageFledermausschutz: Bericht einer Zusammenarbeit

Fledermausschutz: Bericht einer Zusammenarbeit

Auf den ersten Blick haben die Fachstellen «Archäologie & Denkmalpflege» sowie «Fledermausschutz» keine Gemeinsamkeiten. Beim Schutz der gefährdeten Tierart führt jedoch gerade das Zusammenspannen von Bauberater und Fledermausexpertin zum beispielhaften Erfolg.

Der Artikel von Lea Morf, Karin Safi-Widmer und Christian Muntwyler informiert im aktuellen Journal “Zürcher Umweltpraxis” der Baudirektion des Kanton Zürichs über das besondere Zusammenspiel zwischen Denkmalpflege und Fledermausschutz.

Der Norden des Kantons Zürich und besonders das Zürcher Weinland bieten eine hohe Dichte an sehr alter Bausubstanz. Dazu zählen neben Kirchen und Schlössern natürlich die grossen Riegelhäuser in den malerischen Dörfern wie Marthalen oder Unter- und Oberstammheim. Die oftmals jahrhundertealten Gebäude wurden im Lauf der Zeit nur sanft renoviert und haben viel von ihrer ursprünglichen Substanz bewahrt.

Unscheinbare Bewohner in alten Gemäuern

Christian Muntwyler: «Als Bauberater der Kantonalen Denkmalpflege bin ich für dieses bauliche Erbe mitverantwortlich und besitze eine besondere Affinität für alte, nicht ausgebaute Dachstühle mit ihren komplexen Konstruktionen. Bei meinen Besuchen in diesen oft verstaubten, kaum genutzten Räumen fielen mir mehrmals Häufchen mit mir unbekannten Exkrementen auf. In einem Bauernhaus in Benken bemerkte ich, dass die Besitzer eine Katzenkiste im ansonsten nahezu leeren Estrich deponiert hatten, und der Inhalt bestand wiederum aus diesen kleinen «Chegeli».

Die Bewohner realisierten meine Irritation und erwähnten, dass hier seit Jahren eben eine Fledermaus wohne und ihre Spuren hinterlasse. Ich wusste, dass im Kanton Zürich ein Inventar über Fledermauskolonien geführt wird und bot daher Lea Morf und Karin Safi-Widmer, den Fledermaus-Schutzbeauftragten des Kantons Zürich, meine Hilfe im Aufspüren neuer Verstecke an. So begann eine Zusammenarbeit zwischen zwei Fachstellen, die ansonsten kaum Gemeinsamkeiten haben.»

Schutzbedürftige Untermieter

Lea Morf: «Im Rahmen des bundesweiten Artenschutzprojektauftrags «Schweizerische Koordinationsstelle für Fledermausschutz» (SKF) bin ich zusammen mit meiner Kollegin Karin Safi-Widmer die Fledermaus-Schutzbeauftragte des Kantons Zürich. Viele Fledermausarten sind bedroht und sämtliche Arten in der Schweiz aus diesem Grunde bundesrechtlich geschützt.

Die Ursachen für den Rückgang sind vielfältig: Lebensraumverlust, Insektizide sowie die Zerstörung von Fledermausquartieren sind die Hauptfaktoren, die dazu geführt haben. Dementsprechend sind viele Fledermausarten gefährdet oder vom Aussterben bedroht, und gemeinsam mit ehrenamtlich mitarbeitenden lokalen Fledermausschützenden und Quartierbetreuenden setzen wir die bundesrechtlichen Schutzbestimmungen um. In diesem Zusammenhang sind wir verpflichtet, ein Inventar über die Quartiere der bedrohten Arten, wie das «Grosse Mausohr» oder das Braune «Langohr», zu führen. Wir sind für unseren Auftrag auf die Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer und aller Hausbesitzer angewiesen, die Fledermäuse beherbergen, und in unserem Büro in Winterthur laufen die Fäden zusammen. Kernthema sind Beratungen rund um das Thema Fledermaus, insbesondere bei Umbauten. Es werden aber auch Fundmeldungen kartiert, inventarisiert und natürlich auch Kotproben zur Artbestimmung analysiert.»

In der Krippe der jungen Mausohren

Karin Safi-Widmer: «Für uns war es ein Glücksfall, dass die Denkmalpflege uns ihre Unterstützung anbot, da wir ansonsten kaum Gelegenheit haben, potenzielle neue Quartiere zu untersuchen. Intensiviert wurde die Zusammenarbeit im Sommer 2014, als wir gemeinsam Unterschlüpfe aufsuchten. Ich zeigte dem Bauberater der Denkmalpflege mehrere Orte der Jungenaufzucht von «Grossen Mausohren» (Siehe Foto) wie beispielsweise im Pfarrhaus von Marthalen oder im Dachstuhl über der Landi in Oberstammheim, aber auch die vielfältigen Hinweise auf Schlafplätze von weiteren Fledermausarten. Zusammen besprachen wir an konkreten Objekten mögliche Unterstützungs- und Förderungsmassnahmen, die bei späteren Umbauprojekten eingebracht werden können (Siehe Zeichnung).»

Kleine Massnahmen mit grossem Potenzial

Fledermäuse suchen sich ihre Verstecke sorgfältig aus. Sie schätzen, was auch wir mögen. Es ist warm, trocken und zieht nicht durch die Ritzen (Siehe Abbildung). Solche Unterschlüpfe sind rar und sollten daher erhalten bleiben, denn im schlimmsten Fall verlassen Fledermausmütter, so sie im Sommer gestört werden, das Versteck endgültig, und ihre noch ugunfähigen Jungen verhungern. Eigentlich wären die zu treffenden Schutzmassnahmen oft mit geringem Aufwand verbunden: So sollten die Arbeiten bei der jahreszeitlichen Abwesenheit der Tiere zwischen September und März durchgeführt werden, und Veränderungen bei Hangplätzen und Einfluglöchern sind möglichst zu vermeiden. Zudem hilft ein Verzicht auf giftige Holzschutzmittel und – was oft nicht bedacht wird – eine angepasste Aussenbeleuchtung. Befürchtungen wegen ungebetener Gäste, wie Tauben oder Mardern, sind unbegründet, es gibt Hilfsmittel, diese Tiere am Eindringen zu hindern. Generell müssen bei von Fledermäusen bewohnten Quartieren für sämtliche bauliche Massnahmen, und scheinen sie noch so geringfügig, die kantonalen Fledermausschutz-Beauftragten beigezogen werden.

Massnahmen an kantonseigenen Bauten

Alle diese Fakten sind mittlerweile auch der kantonalen Denkmalpflege bewusst, und sie hilft, dass entsprechende Massnahmen zumindest bei kantonseigenen Bauten umgesetzt werden. So wurden im Klosterareal von Rheinau bei einer Dachrenovation in der Spitzkirche Lüftungsziegel mit Einflughilfen eingebaut, um für Fledermäuse ein ungestörtes Quartier zu schaffen. Gleich nebenan, im ehemaligen Männergasthaus des Klosters Rheinau, sind für die grossen, unbeheizten Dachräume ebenfalls Fledermausschutzmass-ahmen geplant und im Programm des anstehenden Umbaus integriert worden. Die beiden Fachstellen werden also auch weiterhin für die Umwelt und das kulturelle Erbe miteinander zusammenarbeiten.

Fledermausquartiere im Haus.
Wo Fledermäuse leben. Spaltenbewohner nutzen enge Ritzen und Spalten an Gebäuden. Dachstockbewohner sind auf ruhige und zugluftfreie Estriche angewiesen und Baumhöhlenbewohner leben in Baumhöhlen und Fledermauskästen. Im Winter halten die Fledermäuse in frostsicheren Baumhöhlen und Felsspalten einen mehrmonatigen Winterschlaf. © www.fledermausschutz.zh.ch

Weitere Informationen

Über den Fledermausschutz in der Schweiz »

Dieser Artikel erschien zuerst im Journal Zürcher Umweltpraxis (ZUP), Ausgabe 84 vom April 2016

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