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Wenn es im Garten spinnt

Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler ist begeisterte Naturgärtnerin. Sie befasst sich als Journalistin vorwiegend mit Natur- und Umweltthemen und setzt sich an ihrem Wohnort für die heimische Flora und Fauna im Siedlungsraum ein. Fortbildung und Freude bieten ihr der eigene Naturgarten sowie Gemüse- und Beerenkulturen.

Im Herbstlicht fallen sie plötzlich auf, obwohl sie schon vorher da waren: Spinnennetze mit ihren Bewohnerinnen. Auch diese weniger beliebten Geschöpfe sollten wir vor herbstlichen Räumaktionen verschonen!

Kugelspinne in einer Pflanze.
Wie viele Spinnen lebt sie im Verborgenen. © Beatrix Mühlethaler

Spinnen mögen manche Leute schrecken, auch Naturliebende. Dabei haben wir von ihnen nichts zu fürchten. Abgesehen davon, dass sie näher betrachtet ganz schmuck aussehen können, sind sie ein wichtiges Glied der Nahrungskette: Vögel, Eidechsen, Igel und Amphibien laben sich unter anderem an diesen Gliedertieren. Die Spinnen selbst vertilgen andere Spinnen und Insekten. Die einen freut’s, weil sie für Fliegen und Co. wenig Herzblut empfinden. Anderen geht es ans Herz, wenn sie die gefangenen Opfer im Netz zappeln sehen.

Ein Samen hat sich im Spinnennetz verfangen.
In Spinnennetzen steckt auch Poesie. © Beatrix Mühlethaler

Wie auch immer: Spinnen gehören in jedes Biotop. Wer durch den Garten wandelt und genauer hinschaut, entdeckt nicht nur einzelne grosse Radnetze, sondern zwischen den Stauden überall feine Gespinste. Sehr verbreitet sind die Fangnetze der Baldachinspinnen. Sie weben ein feines Gewirr klebriger Fäden zwischen Stauden oder Grasbüschel. Zuunterst fertigen sie eine Plattform (Baldachin), unter der sie sich verstecken – hängend mit dem Bauch gegen oben.

Die Spinne hat ein Baldachin Netz gesponnen.
Unter dem Baldachin kann sich die Spinne verstecken. © Beatrix Mühlethaler

Unter diesem Netz ist eine Baldachinspinne gut getarnt, besonders da ihre dunkle Unterseite von oben optisch mit der Erde verschmilzt. Ihr Versteck verlässt sie nur, um gefangene Opfer zu vertilgen. Man muss also schon genauer hingucken, um die zum Gespinst gehörenden Spinnen zu sehen. Zumal sie auch sehr klein sind, weniger als einen Zentimeter.

Meist sind die Spinnen, auf die wir aufmerksam werden, Weibchen. Denn die Männchen sind noch kleiner und unscheinbarer und kommen nur kurze Zeit ins Netz oder in die Nähe eines Weibchens – um sich zu paaren.

Eine Linyphia triangularis, die häufigste Baldachinspinnenart.
Linyphia triangularis, die häufigste Baldachinspinnenart. © Beatrix Mühlethaler

Nicht nur zu Schmetterlingsraupen und Wildbienenbruten sollten wir Sorge tragen, indem wir ihre Pflanzenverstecke schonen. Auch Spinnen verdienen unsere Aufmerksamkeit. Deshalb sollten wir auch zu ihren Gunsten im Herbst den Garten nicht räumen, sondern nur wegschneiden, was uns im Winter wirklich stören würde, zum Beispiel Pflanzen, die in den Weg hängen. Wenn wir die Störung für die Mitgeschöpfe bei der Pflege des Gartens möglichst klein halten, werden wir durch mehr Vielfalt belohnt. Achten Sie beispielsweise auch darauf, dass Sie nicht Schnittgut samt seinen Bewohnern in einen Grünabfuhr-Kübel stecken!

Eine Linyphia triangularis, eine Spinne, hat eine Heuschrecke in ihrem Netz erbeutet.
Eine ausgewachsene Linyphia triangularis, die von August bis Oktober zu beobachten ist, hat eine Heuschrecke erbeutet. © Beatrix Mühlethaler

Nicht zu übersehen ist im Unterschied zur kleinen Baldachinspinne die Gartenkreuzspinne in ihrem Radnetz, das etwa ab August in Erscheinung tritt. Der Faden für dieses Netz quillt wie bei allen Spinnen aus den Spinnwarzen am Hinterleibsende. Zuerst erstellt eine Radnetzspinne mit «gewöhnlichem» Faden die Radien und eine Hilfsspirale. Zum Schluss vervollständigt sie ihr Fangnetz mit einer Spirale, die sie mit klebrigem Faden fertigt. Eine bewundernswerte Leistung für ein so kleines Tier! Will ein Männchen sich zur Paarung ins Netz begeben, gibt es sich mit Zupfen an einem eigens gesponnenen Faden zu erkennen. Die Paarung vollzieht es möglichst schnell. Denn sobald das Weibchen aus der Paarungsbereitschaft «erwacht», ist es wieder auf Beute aus. Die begattete Gartenkreuzspinne deponiert ihre Eikokons im Gras, wo die Jungen im Frühjahr schlüpfen. Geschlechtsreif werden sie erst ein Jahr später.

Eine Gartenkreuzspinne in ihrem Netz.
Gartenkreuzspinne in ihrem Netz. © Beatrix Mühlethaler

Eine weitere Kreuzspinnenart ums Haus ist schwieriger zu entdecken, weil sie den Tag in einer Spalte, oft an einem Gebäude oder in einem Zaun, verbringt. Nur ein leeres Netz, dessen Nabe asymmetrisch zu ihrem Schlupfwinkel hin angeordnet ist, weist tagsüber auf die Anwesenheit der Spaltenkreuzspinne hin.

Eine Spaltenkreuzspinne in ihrem Fanknetz.
Nachts erscheint die Spaltenkreuzspinne in ihrem Fangnetz, fotografisch nur festzuhalten mit künstlichem Licht. © Beatrix Mühlethaler

Trotz ihrer Grösse ist ein Biss der Kreuzspinnen entgegen anderen Gerüchten harmlos wie ein Mückenstich. Die einzige Spinne Mitteleuropas, deren Biss gefährlich ist und längere Zeit Gesundheitsprobleme verursachen kann, ist der Dornfinger. Diese grosse rötliche Spinne haust an warmen Stellen in hohem Gras. Kommt man ihr zu nahe, kann sie zubeissen. Sieht man sie, weicht man besser aus. Unbekannte Tiere nicht anzufassen, ist ohnehin eine nützliche Devise.

Eine grosse dunkle Spinne, die man im Haus antreffen kann, ist die Trichterspinne Tegenaria atrica. Tagsüber versteckt sie sich meist in ihrem Schlupfwinkel. Dann aber macht sie sich aus menschlicher Warte gesehen nützlich und vertilgt lästige Fliegen, die sie in ihrem trichterförmigen Netz gefangen hat. Wer sie sieht, lässt sie am besten in Ruhe. Denn sie kann beissen (ohne giftig zu sein). Doch sie ist scheu und flüchtet lieber. Übrigens: Spinnen im Haus mit dem Staubsauger zu beseitigen, ist – gelinde gesagt – sehr unfair!

Eine Tegenaria atrica. Diese Spinne wird auch Hausspinne genannt.
Tegenaria atrica wird Hausspinne genannt – sie ist aber nicht die einzige Indoor-Spinne. © Beatrix Mühlethaler

Zurück in den Garten, wo ich kürzlich eine spektakuläre Entdeckung gemacht habe: Da hing eine Wespenspinne in ihrem Netz, das sie zwischen einem Natternkopf und einem Endiviensalat aufgespannt hatte.

Im Netz der Wespenspinne hat sich eine Feuerwanze verheddert.
Im Netz der Wespenspinne hat sich eine Feuerwanze verheddert. © Beatrix Mühlethaler

Nach ein paar Tagen war das Netz leer. Aber die Wespenspinne hatte sich nur wenige Meter verschoben, um einen guten Platz für ihren Eikokon zu suchen. Ihre Wahl fiel auf eine Himbeerstaude, wo sie mit unterschiedlich gefärbten Spinnfäden ein erstaunliches Gebilde aufgebaut und verankert hat. Einige Tage war sie immer wieder beim Kokon anzutreffen. Dann verschwand sie. Das Gefäss muss den Jungen als Schutz genügen. Darin überwintern sie und schwärmen erst im Frühling aus.

Eine Wespenspinne hängt an ihrem Eikokon.
Wespenspinne an ihrem Eikokon. © Beatrix Mühlethaler

Nicht alle Spinnenarten weben ein Netz, um Beute zu fangen. Die Wolfsspinnen beispielsweise sind bis auf eine Ausnahme freijagende Räuber. Sie wuseln während der Gartensaison auf freien Flächen im Garten gut sichtbar herum. Nachdem sich das Weibchen im Frühling gepaart hat, schleppt es im Sommer einen Eikokon mit sich, der an seinen Spinnwarzen am Hinterleib haftet. Wer Glück hat, trifft auch mal ein Wolfsspinnen-Weibchen mit seiner Jugendschar auf dem Rücken an. Diese Chance besteht von Juni bis September.

Wolfsspinne trägt ein Eikokon hinter sich her.
Wolfsspinne mit Eikokon, in dem sich die Jungen entwickeln. © Beatrix Mühlethaler

Ein anderer freier Räuber ist die Listspinne. Ab Mai ist die Art ausgewachsen. Am ehesten wird man ihr gewahr, wenn sie sich auf einem Blatt sonnt.

Die Listspinne sitzt auf einem Pflanzenblatt.
Die Listspinne sonnt sich gerne auf Pflanzen. © Beatrix Mühlethaler

Der deutsche Name der Listspinne rührt vom Verhalten des Männchens her: Dieses präsentiert der Dame zur Ablenkung eine Beute, während es sie begattet. So begibt es sich nicht in Gefahr, selbst verspeist zu werden. Diese List kennt das Männchen der Gartenkreuzspinne beispielsweise nicht und bezahlt dies oft mit dem Leben.

Zu den Raubspinnen ohne Netz zählen auch die Krabbenspinnen, die von Mai bis Juli als Adulte auftreten. Am bekanntesten ist bei uns die veränderliche Krabbenspinne, die sich an sonnigen Stellen mitten in eine Blüte setzt und dort Bestäubern auflauert. Das adulte Weibchen hat dabei einen Tarnvorteil: Es kann seine Farbe von gelb zu weiss anpassen, entsprechend der Farbe der Blüte.

Super getarnt, die gelbe Krabbenspinne auf der Taglilie.
Besser getarnt geht nicht: Veränderliche Krabbenspinne in Taglilie. © Beatrix Mühlethaler
Krabbenspinne auf Blume.
Rosa hat die Natur für die Krabbenspinne zwar (bisher) nicht vorgesehen. Aber ist sie nicht listig, auf dieser Pflanze mit ihren vielen «Fangarmen» zu sitzen. © Beatrix Mühlethaler

1 Kommentar

  1. Danke Beatrix für die Reportage, welche den Spinnen viel Sympathie entgegenbringt!
    In unserm Garten spinnts leider tatsächlich, beunruhigend: keine einzige Kreuzspinne dieses Jahr! Andere Jahre waren noch im Herbst mehrere in der Gegend des Komposts (wo es viele kleine Insekten für sie hat!) anzutreffen. Auch keine die niederen Stauden mit Gespinsten überziehenden Labyrinthspinnen in diesem Herbst – wo sind sie alle geblieben? Gehts den Spinnen wie den Insekten? 75% mengenmässig verschwunden in den letzten 30 Jahren, wie eine aktuelle Deutsche Studie belegt?Oder haben die Vögel durch den massiven Insektenschwund derart Nahrungsknappheit, dass sie nun gezielt den Spinnen nachgehen? Wer macht ähnliche Beobachtungen?

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