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Schlemmerbuffet im Herbstgarten

Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler ist begeisterte Naturgärtnerin. Sie befasst sich als Journalistin vorwiegend mit Natur- und Umweltthemen und setzt sich an ihrem Wohnort für die heimische Flora und Fauna im Siedlungsraum ein. Fortbildung und Freude bieten ihr der eigene Naturgarten sowie Gemüse- und Beerenkulturen.

Der Garten durchlebt im Herbst einen weiteren Höhepunkt, wenn nicht übereifriges Räumen den natürlichen Zyklus vorzeitig stoppt. Vielen Tieren sichert schonendes Vorgehen das Leben.

Die Frage an die GärtnerIn im Herbst ist nicht auszurotten: Hast Du schon geräumt? Gemeint ist damit nicht das Haus vor dem Umzug, sondern der Garten vor dem Wintereinbruch. Ja, ist meine Antwort, ich habe schon geräumt – eine halbe Stunde lang. Diesen Kurzeinsatz absolviere ich, damit ich nicht im Winter bei Kälte und Schnee umgefallene Stauden aus dem Weg räumen muss. Also schneide ich im Herbst den Wegen entlang ein paar Stauden, die erfahrungsgemäss umkippen. In einem solch minimal getrimmten Garten ist der Herbst für seine Herrschaft eine Augenweide und für Tiere das notwendige Refugium.

Böschung zurückschneiden? So wenig wie möglich.
Die Böschung am Weg ist mit einem minimalen Eingriff für den Winter vorbereitet. © Beatrix Mühlethaler

Wenn ich grosse Stauden zurückschneide, weil sie umkippen könnten, lasse ich immer ein Stück der Stängel stehen. Diese schneide ich auch im Frühling nicht weg. So stehen einige davon im nächsten Sommer für Insekten bereit, die ihre Eier hier ablegen möchten. Je nach Art bevorzugen sie dazu die leicht zugängliche waagrechte Schnittstelle oder sie bohren den Stängel von der Seite an.

Der Wegrand ist frei, die übrigen Stauden wachsen munter weiter.
Der Wegrand ist frei, die übrigen Stauden bleiben stehen und bieten Raum und Futter für Vorbeiziehende und Überwinterer. © Beatrix Mühlethaler

Die Böschung, die im Sommer den Gemüsegarten mit wunderbarem Flor auflockert, bearbeite ich im Herbst auch nur minimal. Das Ziel ist einerseits, den Weg frei zu halten, andererseits bekommt der Nachwuchs, der nächstes Jahr hier blühen soll, das zum Gedeihen nötige Licht. Zweijährige wie der Natternkopf, die Wegwarte, der Muskatellersalbei, die gewöhnliche Kratzdistel, die Nachtkerze und ein paar Einjährige wie die Kornrade bringen Farbe und emsigen Insektenbesuch in den Gemüsegarten.

Der kaum beschnittene Herbstgarten lässt sich im diesjährigen prächtigen November noch richtig geniessen. Jetzt sind es vor allem die Samenstände, die das Bild prägen – und natürlich das herbstlich farbige Laub sowie die leuchtenden Beeren der einheimischen Büsche. Ich lade zu einem kleinen fotografischen Rundgang ein:

Golddistel blüht spät und bleibt bis im Frühling.
Die Golddistel blüht spät und ist bis in den Frühling ein Schmuckstück. © Beatrix Mühlethaler
Die Karde birgt Samen für Vögel.
Die Karde ist eine Zierde und hält Samen für Finkenvögel bereit. © Beatrix Mühlethaler.
Die Mondviole leuchtet beinahme im Herbst.
Die Hülsenwand der Mondviole leuchtet in der dunklen Jahreszeit, während die Samen am Boden aufs Keimen warten. © Beatrix Mühlethaler
Karthäusernelken bieten auch im Herbst gute Verstecke für Insekten.
Die Samentüten der Karthäusernelke sind geeignete Verstecke für Kleingetier. © Beatrix Mühlethaler
Früchte des Rotdorns bieten Nahrung für Tiere.
Die Früchte des Rotdorns und der darin hochgekletterten Hundsrose leuchten verführerisch. Aber meist holen sich die Amseln die Hagebutten erst im Winter. © Beatrix Mühlethaler
Auch die Beeren des Weissdorns sind knallrot.
Immer noch sind die Büsche übervoll von Beeren, hier ein Weissdorn. © Beatrix Mühlethaler
Traubenzeit.
Auch für die Menschen hat es immer noch übergenug zum Schmausen. © Beatrix Mühlethaler
Der Schwarzdorn hat ebenfalls essbare Beeren.
Am Schwarzdorn können Mensch und Tier naschen. © Beatrix Mühlethaler
Gehölz im Herbst.
Gehölz im Herbst: Für Tiere ein Lebensraum, für Menschen ein Augenschmaus. © Beatrix Mühlethaler

Hie und da sorgen auch noch Blüten für Farbtupfer: Etliche Stauden haben durchgeblüht oder nochmals einzelne neue Blüten entwickelt, beispielsweise Storchschnabel-Arten, Massliebchen, Dost, Gemüsefenchel oder Färberkamille.

Pinke Blüte des Blutstorchenschnabel.
Einzelne Blüten des Blutstorchschnabels leuchten aus dem Laub. © Beatrix Mühlethaler
Die gelbe Färberkamille blüht das ganze jahr hindurch.
Die Färberkamille blüht das ganze Jahr, wenn man sie immer wieder etwas zurückschneidet. © Beatrix Mühlethaler
Die Bergminze wächst auch im Mittelland.
Die Bergminze ist eine wertvolle Nektarpflanze im Spätsommer und Herbst. © Beatrix Mühlethaler
Am Efeu haben die Insekten im Spätsommer, Herbst besonders freude.
Auch der Efeu gehört zu den spätblühenden Pflanzen und ist ein Geschenk für Insekten, die jetzt noch unterwegs sind. © Beatrix Mühlethaler

Ein nur sanft geräumter Naturgarten mit seiner Vielfalt an Lebensräumen und Pflanzen ist auch im Herbst noch ein gastlicher Ort zum Unterschlüpfen und zum Fressen.

Das Massliebchen bekommt Besuch von einer Fliege.
Am Massliebchen verköstigt sich eine Fliege. © Beatrix Mühlethaler
Ein gelb blühender Gemüsefenchel mit Insekt darauf.
Ein blühender Gemüsefenchel ist gute Insektennahrung. © Beatrix Mühlethaler
Eine Mistbiene nascht an der Bergminze.
Die Bergminze ist ein El Dorado für Insekten. Hier nascht eine Mistbiene. © Beatrix Mühlethaler
Eine Schwebfliege an der Bergminze.
Und hier labt sich eine Schwebfliege der Gattung Holophilus. © Beatrix Mühlethaler
Fliege auf Efeu.
Der Efeu bietet den Fliegen ein tolles Buffet. Auf die Efeublüten angewiesen ist die Efeu-Seidenbiene. Sie kommt bei mir aber nicht vor. © Beatrix Mühlethaler
Honigbiene auf Borretsch.
Borretsch ist eine wunderbare Pflanze für letzte Ausflügler wie diese Honigbiene. © Beatrix Mühlethaler

Ein Naturgarten allein sorgt noch nicht dafür, den seit kurzem thematisierten Niedergang der Insekten aufzuhalten. Wenn es aber viele Naturgärten gibt, überall im Land, steigt ihre positive Wirkung auf die Insektenwelt. Natürlich muss sich auch jenseits des Gartenzauns vieles ändern, damit wieder mehr Schmetterlinge, Käfer und Bienen fliegen. Zurzeit steht die Forderung im Raum, die Ursachen und die Tragweite des Insektensterbens in der Schweiz zu erforschen. Dazu haben die Naturfreunde Schweiz zusammen mit Dark Sky Switzerland, Apisuisse und dem Bauernverband eine Petition lanciert. Wenn viele unterschreiben, mag das ein Signal an die Politik sein, dass das Insektensterben die Leute bewegt. Forschung ist auch immer notwendig. Aber wir wissen heute schon genug über wichtige negative Einflüsse auf Insekten, um zu handeln: Mehr natürliche Vielfalt überall, insbesondere in Landwirtschaftsflächen und Gärten; weniger Pestizide, ebenfalls in Landwirtschaftsflächen und Gärten; ein grosses Blütenangebot über die ganze Saison; und vernünftigere künstliche Beleuchtung in der Nacht.

Am kommenden Donnerstag, den 15. November, treffen sich «Lobbyisten für Sechsbeiner», um sich über Aktivitäten zur Förderung der Insekten auszutauschen. Dieser erste, von Insect Respect und Birdlife Schweiz organisierte «Tag der Insekten» ist zwar ausgebucht, aber wer sich für den Inhalt der Tagung interessiert, kann die Unterlagen hier bestellen.

3 Kommentare

  1. Liebe Beatrix
    Was für ein schöner Text – und die Informationen dazu!
    Ich werde meinen kleinen Wildwuchsblätz nicht „aufräumen“.
    Heute morgen bin ich durch den Wald spaziert, die Stille, ab und zu eine Meise, der laute Kleiber – und dem Wegrand viele Kratzdisteln. Schön war es. Herzlich Verena

  2. Da staunt Mann, wenn er diesen Text liest und die Bilder anschaut, wie viel er im eigenen blühenden Herbstgarten übersieht.

  3. Gerade lese ich im neuen Ornis, dass ungemähte vegetation für Insekten enorm wichtig ist: in stehengebliebenen Blütenköpfen, Fruchtständen, Stängeln und Blättern überwintern zahlreiche Tiere aus verschiedenen Insektengruppen. Eine neue Studie aus Tübingen betätigt dies klar. Also nicht nur in Gärten und Wiesen, auch entlang Strassen, Bächen usw. nicht alles wegräumen.
    Studie: https://biorisk.pensoft.net/article/22316/

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