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Eine Schutzhütte für das Ei

Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler
Beatrix Mühlethaler ist begeisterte Naturgärtnerin. Sie befasst sich als Journalistin vorwiegend mit Natur- und Umweltthemen und setzt sich an ihrem Wohnort für die heimische Flora und Fauna im Siedlungsraum ein. Fortbildung und Freude bieten ihr der eigene Naturgarten sowie Gemüse- und Beerenkulturen.

Im Frühling haben sich viele dürre, zu Boden gedrückte Stängel von ihren Pflanzen gelöst. All dies peinlich aufzuräumen wäre nicht nur Zeit verschwendet. Es könnte einem auch um ein Erlebnis der Sonderklasse bringen: zu beobachten, wie eine kleine Baumeisterin daraus eine Hütte baut.

Das fertig aufgetürmte Häufchen aus dürrem Pflanzenmaterial ist leicht zu übersehen. Glück hat, wer sieht, wie es entsteht: eine kleine Wildbiene baut das Gebilde mit am Boden gesammelten dürren Stängeln.

Eine Wildbiene im Anflug auf kleine Äste im Garten.
Eine kleine Wildbiene trägt einen dürren Stängel ein. © Beatrix Mühlethaler

Emsig herumwuselnd sucht sie transportierbares Material, packt das Dürrgut und fliegt es zwischen den Beinen ans Ziel. Dort angekommen legt sie das Stäbchen hin und zieht es kopfvoran in den Haufen, Stück um Stück.

Wildbiene ist im Garten gelandet, auf der Suche nach Material.
Am Boden sucht die Biene nach dürrem Material, das sich transportieren lässt. © Beatrix Mühlethaler

Die Baumeisterin heisst Osmia bicolor oder auf Deutsch: Zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene. Leere Schneckenhäuser von kleinen Gartenschnecken sind für sie zentral: Darin lässt sie ihre Brut heranwachsen. Wenn das Osmia-bicolor-Weibchen eine gute Unterkunft gefunden hat, beginnt es meist damit, sie der Umgebung etwas anzupassen, indem es Flecken aus Pflanzenmörtel aufs Gehäuse appliziert. Derweil fliegt es auch Pollen ein und legt ein Ei in die Höhle. Diese verschliesst die Biene mit Mörtel und dreht das Gehäuse, bis die Mündung regensicher nach unten schaut und gut im Boden verankert ist. Dann beginnt die Tarnarbeit mit den Stäbchen. Diese werden rund ums Schneckenhaus aufgestellt und miteinander verstrebt.

Wildbiene tarnt ihr Nest.
Osmia bicolor schafft ein Stäbchen nach dem anderen heran. © Beatrix Mühlethaler
Wildbiene tarnt ihr Nest.
Die Biene zieht das neue Stäbchen kopfvoran in den Haufen hinein. © Beatrix Mühlethaler
Wildbiene tarnt ihr Nest.
Sie zieht und zieht. © Beatrix Mühlethaler

Unzählige Male fliegt die zierliche Biene Material heran, das sie in der Nähe findet. Manchmal dauert es ein Weilchen, bis sie realisiert, dass ein dürres Stück zu schwer für sie ist oder sich verheddert hat und nicht loszueisen ist. Oder sie versucht sich am Stängel eines Farns, der noch angewachsen ist. Teils wiederum ist sie sehr fix und schleppt kurz hintereinander ein Stäbchen nach dem anderen an.

Wildbiene sammelt Stängel, um ihr Nest zu tarnen.
Bei diesem noch angewachsenen Farnstängel geht die Biene leer aus. © Beatrix Mühlethaler
Wildbiene tarnt ihr Nest.
Letzte Arbeiten am Bau, der bald beendet ist. © Beatrix Mühlethaler

Das Beispiel zeigt, wie wichtig auch kleines Strukturmaterial im Garten ist. Wir haben kaum eine Ahnung, was sich alles von welchem Tier wiederverwerten lässt. Auch wer Schneckenhäuser sammelt, sollte einige den Bienchen überlassen. Die emsige Osmia bicolor begnügt sich nämlich nicht damit, ein einziges Schneckenhaus mit einem Ei zu bestücken. Sie ist bereit, den ganzen Aufwand mehrere Male zu betreiben. Überdies nutzt sie Schneckenhäuser auch als Unterschlupf. Seien Sie also achtsam, wenn Sie im Wohnzimmer mit Naturmaterialien Arrangements basteln. Ich jedenfalls habe die hübsche kleine Biene vor Jahren im Wohnzimmer kennengelernt: Sie kroch aus einem Schneckenhaus, das ich in einer Schale mit einer Trockenpflanze arrangiert hatte.

Wildbienen legen ihre Eier teilweise in leere Schneckenhäuser.
Als blinder Passagier im Schneckenhaus landet die Biene unfreiwillig im Wohnzimmer. © Beatrix Mühlethaler

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